Liebe Geschwister, Sekt oder Selters? Wasser oder Wasser des Lebens?
Jesus Christus sitzt nach einer anstrengenden Reise am Rand eines Brunnens und kommt nicht an das Wasser, das er jetzt so dringend bräuchte. Doch da kommt eine Frau aus Samarien zu dem Brunnen, die alles dabeihat, um aus dem Brunnen Wasser zu schöpfen. Und diese Frau bittet Jesus nun um Wasser.
Wir erinnern uns alle an die Geschichte vom Barmherzigen Samariter und wissen daher, dass das Verhältnis zwischen Juden und Samaritern nicht so ganz einfach war. Oder um es mal so zu sagen: Das Verhältnis der beiden war historisch gesehen sehr kompliziert. Die Ursache dafür lag im Jahr 926 vor Christus, als nach dem Tod von König Salomo das Reich Israel in das Nordreich Israel und das Südreich Juda aufgeteilt wurde. Die Samariter stammen aus dem Nordreich und betrachteten sich als die wahren Bewahrer der mosaischen Tradition. Sie errichteten ihren eigenen Tempel auf dem Berg Garizim, während die Juden den Tempel in Jerusalem als das Zentrum ihrer Anbetung ansahen. Und während die Samariter nur die fünf Bücher Mose als heilige Schrift akzeptierten, akzeptierten die Juden auch alle anderen Schriften des Alten Testaments als Heilige Schrift. Und dann sahen sich die Samariter als die wahren Nachfolger des alten Israels, während sie die Juden als Abtrünnige betrachteten.
Es wird also deutlich, dass die Begegnung Jesu mit der Frau aus Samarien am Brunnen kein Zufall ist, sondern eine ganz wichtige Rolle in dieser Geschichte spielt. Die Frau spricht ja dieser Situation auch explizit an:
Wie, du, ein Jude, erbittest etwas zu trinken von mir, einer samaritischen Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern.
Ich höre aus diesen Worten Erstaunen und Skepsis zugleich. Da gibt es eine seit Jahrhunderten währende Trennung, mit unterschiedlichen Vorbehalten. Das erinnert mich zuweilen an das, was ich auch hier in der Gemeinde immer wieder erlebe. Ich nenne nur solche Sätze wie: „Aber wir sind doch evangelisch!“ oder „Als Evangelische müssen wir doch…“ oder „Ein Tuch auf dem Altar, ist katholisch.“ Das sind alles Sätze, die ich hier in der Gemeinde schon gehört habe, oft genug gehört habe. Das sind alles Sätze der Abgrenzung. Ich habe auch interessante Sätze gehört, als ich vor bald vier Jahren mit meiner Frau in der alten Sankt Martin-Kirche noch einmal vor den Traualtar getreten bin und mein katholischer Kollege und Freund Josef Konitzer uns noch einmal das Eheversprechen abgenommen hat. Da war so eine Frage wie: „Warum konvertiert denn Deine Frau nicht?“ noch das harmloseste. Und ich kann mich noch erinnern, als Josef diese Geschichte bei einem Abend im Kleinen Theater diese Geschichte erzählt hat, sich das Publikum, allen voran unsere Bürgermeisterin, erhob, sich zu uns drehte und applaudierte. So schaut gelebtes Miteinander im Glauben an den dreieinigen Gott aus. Am Freitag habe ich zusammen mit meinen beiden Freunden, meinem katholischen Kollegen Andreas Lackermeier und meinem Kollegen von der FeG, Achim Marshall, einen ökumenischen Gottesdienst im Rahmen der Gebetswoche zur Einheit der Christen gefeiert. Im Mittelpunkt stand die Frage „Glaubst Du das?“ Das ist ein Satz, den Jesus in der Geschichte von der Auferweckung des toten Lazarus der Marta stellt. Aus drei Perspektiven haben wir uns dieser Frage gestellt. Und diese drei Perspektiven haben die Sache spannend gemacht, weil es um die Vielfalt geht, die uns Gott geschenkt hat. Es geht um die Vielfalt und nicht um die Abgrenzung. Diese Vielfalt ist begründet in der Einzigartigkeit der Liebe, die uns Jesus Christus vorgelebt und geschenkt hat.
So, und jetzt komme ich wieder auf die Geschichte mit dem Brunnen und dem Wasser und der Frau aus Samarien zurück.
Jesus sagt zu dieser Frau:
Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten.
Wir kennen das auch. Wir haben einen echten Brand, die Zunge klebt am Gaumen und wir wollen unbedingt etwas trinken, weil wir glauben, sonst keinen Schritt weitergehen zu können. Und dann trinken wir und es scheint wirklich in unserer Kehle zu zwischen. Wir spüren wie mit einem Male Energie und unsere Lebensgeister zurückkehren. Und eine halbe Stunde später haben wir wieder Durst, klebt uns wieder die Zunge am Gaumen.
Das ist mit vielen Dingen auch in unserem realen Leben nicht anders. Und das Wort Durst findet sich in vielen anderen Worten wieder. Ein paar Beispiele:
- Rachedurst
- Wissensdurst
- Abenteuerdurst
- Freiheitsdurst
- Ehrdurst
- Blutdurst
- Mordsdurst
- Tatendurst
- Gelddurst
- Durstgefühl
- Durststrecke
- Durstlöscher
Alle Beispiele lassen deutlich werden, dass da ein Drang dahintersteht, der Wunsch nach Befriedigung.
Auch unsere Gesellschaft, unser Land ist von solcherlei Durst geprägt. Doch es gibt einen Durst, der uns gefährlich macht, einen Durst, der die Spaltung unserer Gesellschaft immer größer werden lässt, der auch den Spalt zwischen den einzelnen Nationen immer größer werden lässt. Es ist der Durst nach Egoismus. Es ist der ichzentrierte Durst, der nur noch die Befriedigung der eigenen Interessen im Sinn hat und diese auf die brutalst mögliche Art und Weise in den Mittelpunkt stellt. Es ist ein Durst, der nicht gestillt werden, ein Durst, der unweigerlich in die Katastrophe, in den Untergang führen muss. Und jede und jeder von uns hat seinen Anteil an diesem Durst und wir werden am Abend des 23. Februars sehen, welchen Durst unser Land haben wird.
Viele Probleme und Spaltungen in unserem Land und in unserer Gesellschaft haben wir, weil Ideologien am wirklichen Leben vorbei durchgesetzt werden wollen und bei den Menschen der Eindruck entstehen soll, dass dieser Durst, den wir haben, nur durch sie gestillt werden kann. Doch das Wasser, das sie anbieten, ist kein Wasser des Lebens, sondern vergiftet.
Ja, wir machen eine Durststrecke in unserem Land und auch in dieser Welt durch. Aber dieser Durst darf uns nicht empfänglich werden lassen für die Versuchungen. Erinnern wir uns nur an die Geschichte von der Versuchung Jesu durch den Versucher, durch den Teufel, nachdem Jesus vierzig Tage lang gefastet hat. Was hat er ihm nicht alles versprochen, doch Jesus wurde nicht schwach. Er hat uns vorgemacht und vorgelebt, wie wir mit solchen Versuchern umgehen können und umzugehen haben. Auf jede Versuchung durch den Teufel reagierte Jesus mit einem Schriftwort, das deutlich macht, auf welcher Basis er sein Leben führt:
»Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« 5. Mose 8,3
»Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« 5. Mose 6,16
»Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« 5.Mose 6,13
Auf diese Weise schlug Jesus den Teufel in die Flucht.
Unser Durst darf uns die Grundlagen unseres Glaubens nicht vergessen lassen. Vor diesem Hintergrund haben die Evangelische und die Katholische Kirche sich zu der Initiative „Für alle“ zusammengeschlossen. Ihr könnt das alles unter fuer-alle.info auch im Netz finden. Und da heißt es:
Am 23. Februar 2025 ist Bundestagswahl in Deutschland.
Eine breite ökumenische Initiative macht dazu die Stimme der Kirchen nach außen hör- und sichtbar.
Wir setzen uns ein für Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt. Wir setzen uns ein für Demokratie und gegen Extremismus. Wir setzen uns ein, dass Denken und Handeln auf das Wohl aller Menschen hin ausgerichtet sind.
Kurz: Wir setzen uns dafür ein, Herz und Verstand zusammenzubringen, wenn wir gute Antworten auf komplexe Fragen finden wollen.
Nichts anderes macht Jesus Christus, als er sich am Brunnen mit der Frau aus Samarien unterhält. Er baut eine Brücke zu der Frau aus Samarien und macht damit auch uns Mut zum Brückenbauen. Er sagt ja nicht nur:
Wer von diesem Wasser – also dem Brunnenwasser – trinkt, den wird wieder dürsten.
Sondern er sagt weiter:
Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.
Dieses Wasser überwindet alle Spaltung, alle Trennung. Dieses Wasser verbindet wie ein Fluss die Orte miteinander, die an ihm liegen. Dieses Wasser ist die Verbindung zu meinem Nächsten. Dieses Wasser sorgt für Verhältnisse in unserem Leben, unserer Gesellschaft und nicht zuletzt in unserer Welt, die keinen Durst mehr aufkommen lassen, weil das Wasser, das uns Jesus gibt, nämlich für alle über alle Maßen und alle Grenzen hinaus reicht. Dieses Wasser steht für unsere Beziehung zu Gott.
Und die Verhältnisse in unserer Welt machen deutlich, dass wir in dieser Welt unsere Beziehung zu Gott verloren haben. Alle Menschen, die zu uns nach Europa kommen, die zu uns nach Deutschland kommen, machen das deutlich. Daher kann die Schließung von Grenzen, nicht die Lösung sein, sondern kann und darf nur ein Moratorium, ein Timeout sein, um Zeit für Lösungen zu finden, die Menschenwürde, die Nächstenliebe und den Zusammenhalt ins Zentrum stellen.
Deshalb bietet und Jesus das lebendige Wasser an, das unseren inneren Durst stillen kann. Dieses Wasser ist die Liebe Gottes, die uns durch den Heiligen Geist geschenkt wird. Es ist eine Quelle, die niemals versiegt und uns in allen Lebenslagen Kraft und Trost spendet.
Und was bedeutet das nun konkret für unser Handeln?
Lasst uns für die Opfer und ihre Familien beten: Lasst uns für die Opfer des Attentats und ihre Familien beten. Bitten wir Gott, ihnen Trost und Heilung zu schenken.
Es geht um die Förderung von Frieden und Versöhnung: Lasst uns aktiv für Frieden und Versöhnung in unserer Gesellschaft einsetzen. Dies bedeutet, dass wir Brücken bauen und Dialoge fördern, um Missverständnisse und Vorurteile abzubauen.
Lasst uns für Gerechtigkeit engagieren: Als Christenmenschen sind wir aufgerufen, uns für Gerechtigkeit einzusetzen. Dies bedeutet, dass wir uns politisch engagieren, um sicherzustellen, dass solche Taten nicht ungestraft bleiben und dass die Ursachen von Gewalt und Extremismus angegangen werden.
Lasst uns Nächstenliebe und Solidarität leben: Zeigen wir Nächstenliebe und Solidarität mit den Betroffenen. Dies kann durch praktische Hilfe, Unterstützung und Mitgefühl geschehen.
Liebe Geschwister, lasst uns heute neu entdecken, was es bedeutet, das lebendige Wasser zu empfangen und zu leben. Jesus lädt uns ein, von diesem Wasser zu trinken und nie wieder zu dürsten. Lasst uns diese Einladung annehmen und unser Leben in der Fülle seiner Liebe und Gnade gestalten, auch in schwierigen Zeiten wie diesen.
Lasst uns als Kinder Gottes leben und unser Leben zu einem Gottesdienst werden.
Pfr. Martin Dubberke
Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias, Perikopenreihe I am 26. Januar 2025 in der Johanneskirche zur Partenkirchen über Johannes 4, 5-14
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