Und der Herr erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde.
Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau?
Er antwortete: Drinnen im Zelt.
Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben.
Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!
Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben.
Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich.
Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht. 1. Mose 18, 1-2.9-15
Liebe Geschwister,
ganz ehrlich, ich habe das Gefühl, dass der Herr die letzten Worte zu Sara mit einem milden und wissenden Lächeln gesagt hat.
Tja, was hören wir da heute für Geschichten von drei Frauen, die schwanger geworden sind. Eine, die sich schon viel zu alt dafür fühlte und nicht mehr daran glaubte – also Sara, die damals immerhin schon 90 Jahre alt war –, eine, die unfruchtbar und eigentlich nicht mehr im gebärfähigen Alter war – also Elisabeth – und eine – Maria –, die eigentlich nach damaligen gesellschaftlichen Maßstäben noch gar nicht hätte schwanger werden sollen, weil sie unverheiratet war.
Drei so unterschiedliche Geschichten, in denen es um Ankündigungen und Versprechen geht.
Drei Frauen, deren Söhne prägend für die Geschichte Israels und am Ende auch der Welt geworden sind. Sara ist als Mutter Isaaks die Erzmutter Israels. Elisabeth mit Johannes dem Täufer, die Mutter des Mannes, der die Welt zur Buße, zur Umkehr aufgerufen hat, der auf Jesus vorbereitet hat und – wie bei uns im Kirchenfenster in der Johanneskirche zu sehen – schließlich Jesus, den Sohn Marias, getauft hat. Und Jesus, na, ohne den würden wir heute hier nicht zusammenkommen und auf keinen Fall den vierten Advent feiern, weil es den ja nicht gäbe und auch nicht den ganzen Corona-Stress mit den Weihnachts-Corona-Regeln.
Ohne, diese drei Frauen und deren Söhne, wäre unser Leben heute viel entspannter. Warum? Weil wir ohne diese drei nicht so in die Verantwortung unseres Glaubens gezogen würden, wie wir es heute werden.
Mit Isaak verwirklicht Gott sein Versprechen, dass Abram zu einem großen Volk würde. Mit Isaak richtet Gott einen ewigen Bund mit seinen Nachkommen auf. Gott geht mit Isaak eine Verbindung ein, die bis heute bindet.
Johannes der Täufer, der die Israeliten wieder zum Herrn, zu ihrem Gott bekehren soll. Wenn ich mir das so recht anschaue, bräuchten wir heute auch wieder einen Johannes, so wie die Menschen zur Kirche und in letzter Konsequenz auch zu Gott auf Distanz gegangen sind.
Bei Lukas finden wir die Stellenbeschreibung von Johannes ganz klar und eindeutig im 1. Kapitel, die Verse 16 bis 17:
Und er wird viele der Israeliten zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren. Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft des Elia, zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern und die Ungehorsamen zu der Klugheit der Gerechten, zuzurichten dem Herrn ein Volk, das wohl vorbereitet ist.
Fühlen wir uns denn überhaupt noch vorbereitet auf das, worauf wir auch in diesem Jahr wieder warten, auf die Geburt Jesu Christi?
Wir feiern auch in diesem Jahr wieder die Geburt von Mariens Sohn. Es wird ein anderes Fest werden als in all den Jahren zuvor. Und ich glaube, dass es für manche ein trauriges Fest werden wird, weil viele ihre Familien nicht sehen werden, weil sie nicht reisen werden oder Angst haben, einander zu treffen. Allein dieses Gefühl des Traurigseins, macht deutlich wie tief und emotional das Ereignis der Geburt Jesu in unseren Herzen und Seelen verankert ist. Vielleicht hat uns ja dieses Jahr doch wieder ein wenig auf die Spur gesetzt und uns vorbereitet, auf das, was kommen wird?
Dieses Jahr stellt uns Fragen, die eines Johannes würdig sind:
- Welche Konsequenzen habe ich für mich aus diesem Corona-Jahr gezogen?
- Was habe ich in diesem Jahr gelernt?
- Was habe ich in diesem Jahr über meinen Glauben erfahren?
- Hat mich mein Glauben durch dieses Jahr getragen?
- Wo habe ich zu wenig geglaubt?
- Wo habe ich wie Sara über Gott gelacht, weil ich das, was er sagt, unglaublich finde?
- Wo habe ich meinem Glauben geleugnet?
- Wo habe ich, warum, Gott nicht vertraut?
- An welche Grenzen meines Glaubens hat mich Corona gebracht?
- Wofür empfinde ich Dankbarkeit?
- Wo habe ich in einer heiklen Situation Gott verraten, geleugnet?
- Wo hätte ich als Christ politisch, sozial, wirtschaftlich anders handeln müssen und warum habe ich es nicht getan?
- Und nicht zuletzt: Wo habe ich seine, Gottes, Nähe gespürt?
Und es gäbe noch viele andere Fragen, die wir uns heute im Advent stellen können, nämlich auch die: An welcher Stelle habe ich gemerkt, dass ich mich in meinem Leben eigentlich von Gott und dem, was er mir angeboten hat, entfernt habe? Wo ist mein Anteil, an den vielen Irrwegen, auf denen wir uns in dieser Welt befinden?
Ich habe es schon öfter gesagt: Advent ist nicht allein der Märchenfilm im Ersten, der Adventsmarkt mit seinen Buden, die romantische Liebeskomödie mit dem Weihnachtsmann oder Lebkuchen und Glühwein. Advent ist die Zeit des Innehaltens und Zurückschauens, auch des selbstkritischen Zurückschauens. Nicht umsonst ist Adventszeit Bußzeit.
Wir machen alle irgendwie unsere Adventskalendertürchen auf, aber mal ganz ehrlich, wer von uns hat denn in den vergangenen Wochen mal jeden Tag eines seiner Versäumnisse, eine seiner Sünden aufgeschrieben, die er bereut? Hier kämen wir bis Heilig Abend immerhin auf 24 kleine und große Sünden? Und dann käme ja die eigentliche Herausforderung: Was tue ich mit den aufgeschriebenen Sünden? Gehe ich auf denjenigen oder diejenige zu und bitte ihn um Vergebung? Kehre ich glaubhaft um? Erneuere ich meinen Sinn? Bitte ich Gott um Vergebung? Oder rede ich mich wie Sara Gott gegenüber aus der Affäre – „Ich habe nicht gelacht.“?
Und so müsste eigentlich am Morgen des 24. Dezember die Frage an mich selbst lauten: Bin ich gut auf die Heilige Nacht vorbereitet?
Drei wichtige und prägende Frauen sind uns heute in den Lesungen begegnet, die Mütter von Männern sind, die auch heute noch prägend und wichtig auch für unser Leben sind.
Wir haben heute von drei Frauen gehört, die schwanger geworden sind, obwohl es sich eigentlich für sie ausgeschlossen hat. Wir haben drei WUNDERbare Geschichten gehört, die für alle drei Frauen überraschend waren. Gott überrascht. Gott kündigt an, verspricht und hält sein Versprechen. Ein Gott, ein Wort.
Noch bevor ich wusste, dass ich heute anstelle von Irene predigen würde, bin ich über einen Text von Dietrich Bonhoeffer gestolpert, der, was unsere drei Frauengeschichten betrifft, uns noch einmal eine neue Perspektive eröffnen kann. Bonhoeffer macht sich hier Gedanken über Marias Lobgesang (Lukas 1, 46-55), der heute auch Teil unserer Evangelienlesung ist. Ich habe ihn allerdings vorhin unterschlagen, weil ich ihn jetzt an dieser Stelle lesen wollte:
Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes;
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.
Denn er hat große Dinge an mir getan,
der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
Und seine Barmherzigkeit währet für und für
bei denen, die ihn fürchten.
Er übt Gewalt mit seinem Arm
und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron
und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern
und lässt die Reichen leer ausgehen
Er gedenkt der Barmherzigkeit
und hilft seinem Diener Israel auf,
wie er geredet hat zu unsern Vätern,
Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.
Bonhoeffer schreibt nun darüber in seiner Predigt zum 3. Advent am 17. Dezember 1933 in London:
„Dieses Lied der Maria ist das älteste Adventslied. Es ist zugleich das leidenschaftlichste, wildeste, ja man möchte sagen revolutionärste Adventslied, das je gesungen worden ist. Es ist nicht die sanfte, zärtliche, verträumte Maria, wie wir sie auf Bildern dargestellt sehen, sondern es ist die leidenschaftliche, hingerissene, stolze, begeisterte Maria, die hier spricht. Nichts von den süßen, wehmütigen Tönen mancher unserer Weihnachtslieder, sondern ein hartes, starkes, unerbittliches Lied von stürzenden Thronen und gedemütigten Herren dieser Welt, von Gottes Gewalt und von der Menschen Ohnmacht. Es sind die Töne der prophetischen Frauen aus dem Alten Testament, Debora, Judith, Mirjam, die hier im Munde der Maria lebendig werden. Maria, die vom Geist ergriffene, die gehorsam und demütig an sich geschehen läßt, was der Geist ihr gebietet, sie spricht aus diesem Geist heraus vom Kommen Gottes in der Welt, vom Advent Jesu Christi. Sie weiß ja besser als irgendein anderer, was es heißt, auf Christus zu warten. Er ist ihr näher als irgendjemand jemandem sonst. Sie weiß um den Geist, der hier im Spiel ist, um den allmächtigen Gott, der sein Wunder tut. Sie erfährt es am eigenen Leib, daß Gott wunderbare Wege mit den Menschen geht, daß er sich nicht nach der Meinung und Ansicht der Menschen richtet, daß er nicht den Weg geht, den die Menschen ihm vorschreiben wollen, sondern daß sein Weg über alles Begreifen, über alles Beweisen frei und eigenwillig ist. (Bonhoeffer, Dietrich Bonhoeffer Werke Band 13, 1994, S. 338-339)
(…) „Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder“, jubelt Maria. Was heißt es, Maria, die niedrige Magd, selig-preisen? Es kann nichts anderes heißen, als das Wunder Gottes, das an ihr geschah, staunend anbeten; an ihr ersehen, daß Gott das Niedrige ansieht und erhöht, daß Gottes Kommen in diese Welt nicht die Höhen, sondern die Tiefen aufsucht, daß wir Gottes Herrlichkeit und Allmacht darin sehen, daß er das Geringe groß macht. Maria seligpreisen heißt nicht, ihr Altäre bauen, sondern mit ihr den Gott anbeten, der „große Dinge tut und dessen Name heilig ist“. Maria seligpreisen heißt, mit ihr wissen, daß „Gottes Barmherzigkeit währet für und für bei denen, die ihn fürchten“, die seinen Wegen staunend nachsehen und nachdenken, die seinen Geist wehen lassen, wo er will, die ihm gehorchen und mir Maria demütig sprechen: „Mir geschehe, wie du gesagt hast.“ (Bonhoeffer, Dietrich Bonhoeffer Werke Band 13, 1994, S. 340)
Dem habe ich außer einem AMEN nichts mehr hinzuzufügen.
Pfr. Martin Dubberke, Predigt am 4. Advent über 1. Mose 18, 1-2.9-15, Perikopenreihe III, 20. Dezember 2020 in der Erlöserkirche in Grainau und in der Johanneskirche in Partenkirchen