Pfr. Martin Dubberke
Johanneskirche - Zeit zu beten | Bild: Martin Dubberke

Zeit zu beten

Der Herr wendet sich zum Gebet der Verlassenen und verschmäht ihr Gebet nicht.
Psalm 102,18

Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
Philipper 4,6

Wie geht es mir eigentlich heute Morgen? Die Nacht hat es viel geregnet. Die Sonne will noch nicht so recht die Wolken durchbrechen. Die Luft ist nicht so frisch, wie es aussehen mag, aber sieduftet wunderbar süß nach all dem, was da draußen blüht. Der Tag nimmt Anlauf, um ein heißer und auch ein langer Tag zu werden. Und ich habe gut geschlafen. Der frische Kaffee steht neben mir. Ich genieße die Ruhe, die noch im Hause ist und die Zeit, die ich habe, um mit Gott ins Gespräch zu kommen.

Mir geht es im Großen und Ganzen gut. Dafür bin ich ihm dankbar. Aber das ist nicht immer so. Manchmal drücken mich auch Sorgen. Manchmal gerate ich auch an meine Grenzen. Und das ist auch gut so, seine eigenen Grenzen zu spüren, weil man dann auch für sich selbst den Kurs ändern kann.

Aber manchmal gibt es auch Dinge im Leben, bei denen für Dich und Dein Leben der Kurs geändert wurde und Du Dich damit konfrontiert siehst, dass da anderes auf Dein Leben Einfluss nimmt. Und damit meine ich jetzt ausnahmsweise nicht Gott.

Ich denke da z.B. an die Politik. Nein, ich möchte jetzt weder die einen noch die anderen auf den Kieker nehmen. Aber die Politik ist immer ein gutes Beispiel dafür, wie in mein Leben eingegriffen werden kann. Und manchmal sind es auch nicht die eigenen Politiker, sondern die eines anderen Landes. Da gibt es Krieg und die Menschen haben nicht die Möglichkeit, wie ich am Morgen in Ruhe mit einem Kaffee mit Gott ins Gespräch zu kommen. Sie müssen das Leben anders organisieren, haben existenzielle Sorgen und Ängste, weil sie nicht wissen, ob sie oder ihre Familie, ihre Kinder morgen noch leben, ob sie morgen noch ein Dach überm Kopf haben werden, ob sie morgen noch etwas zu essen bekommen werden, ob der Strom noch funktionieren wird.

Dass damit auch eine Veränderung unseres Lebens verbunden ist, dass solche Kriege in anderen Ländern auch Einfluss auf unser Leben haben, das spüren wir spätestens seit dem 24. Februar 2022. Bei anderen Kriegen, die es auch noch in dieser Welt gibt, spüren wir das nicht so unmittelbar.

Wir haben in den vergangenen drei Jahren viel erlebt und spüren dürfen, wenn andere plötzlich die Regie in unserem Leben übernehmen. Das ist eine Erfahrung, die uns bislang fremd war. Corona hat unser Leben mehr und nachhaltiger verändert, als wir es wohl je gedacht hätten, auch wenn heute alles wieder ganz normal scheint.

Psalm 102, aus dem ja die Losung für diesen Tag stammt, wird mit folgendem Vers eingeleitet:

Ein Gebet für den Elenden, wenn er verzagt ist und seine Klage vor dem Herrn ausschüttet.
Psalm 102,1

Das ist gewissermaßen die Überschrift für diesen Psalm. Wo gehe ich denn hin, wenn ich mich verlassen fühle? Komm, verrate es mir: Wo gehst Du hin, wenn Du Dich verlassen fühlst?

Du suchst jemanden, der Dir in dem Moment beisteht. Und dann kann es zuweilen auch passieren, dass Du feststellst, dass es niemanden gibt, der Dir gerade beistehen könnte. Du kennst viele Menschen, hast Freunde, aber irgendwie gibt es unter ihnen niemanden, der Dir gerade wirklich helfen könnte. Das ist der Moment, in dem Du es vielleicht doch noch einmal mit Gott ausprobierst, in eine Kirche gehst und versuchst zu beten. Aber hilft das? Ändert sich danach meine Situation? Und außerdem, wie funktioniert das mit dem Beten. Ich habe vielleicht schon lange nicht mehr gebetet, bin aus der Übung. Du kannst beim Beten nicht aus der Übung sein. Wenn Du vielleicht nicht sofort ins Gespräch mit Gott kommst, weil Du glaubst, dass Dir die Worte fehlen, dann versuche es mit einem Vater unser und dann wirst Du schon in das Gespräch mit Gott kommen. Deine Worte werden sich von ganz alleine finden.

Und es gibt viele Menschen, die zu Gott kommen und ihn bitten. In meiner Johanneskirche habe ich vor einem Jahr ein Fürbittenbuch ausgelegt, in das die Menschen ihre Bitten schreiben können und die Menschen nutzen es, weil sie fest daran glauben, dass ihnen von Gott Hilfe zukommt. So hat einer mal folgendes in das Gebetbuch geschrieben:

Mein Vater:
Ich bitte um Frieden in meiner kleinen Familie. Lass Egoismen schwinden für die Idee der Gemeinschaft!

So ein Fürbittenbuch lädt manchmal dazu ein, genau das zu tun, was man sonst nicht tut, nämlich zu beten. Ist doch verrückt, da hat Dich an diesem Tag der Weg ausgerechnet in meine kleine Johanneskirche geführt, weil Du mal schauen wolltest, wie die Kirche von innen ausschaut und dann hat Dich dieses Buch zum Beten verleitet. So schnell kann das manchmal gehen. Ich weiß ja nicht, ob sich was an der Situation des Beters geändert hat, ob die Familie heute wieder in Frieden zusammenlebt und sich die Egoismen verabschiedet haben. Aber dieser Mensch hatte die Hoffnung, dass das geschehen kann und der Moment, in dem er zu Gott gebetet hat, hat ihn verändert. Er hat in dem Moment nämlich die besondere Kraft der Hoffnung spüren dürfen, die ihn in seiner Situation nicht nur tragen kann, sondern auch neue Perspektiven öffnen kann.

Nebenbei gesagt: Das Gebet ist ja nicht nur etwas, in dem ich Gott um etwas bitten kann, sondern auch etwas, mit dem ich Gott danken kann. So hat z.B. jemand in das Fürbittenbuch auch geschrieben:

Danke, Herr, Du hast geholfen!

Bitte und Dank gehören zusammen. Das hebt auch Paulus in seinem Brief an die Philipper hervor:

Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
Philipper 4,6

Nebenbei gesagt: Das mit dem „Sorgt euch um nichts“ bedeutet nicht, dass wir die Dinge einfach so laufen lassen können und keine Sorgen in unserem Leben haben werden, sondern, dass wir uns in und mit allem an Gott wenden dürfen. Und allein dieses Wissen entlastet mich.

Und so ist dieser Tag wie eine Einladung, sich einfach mal zum Gebet zurückzuziehen oder in der Pause doch mal in die nächstgelegene Kirche zu gehen und ein stilles Gebet zu sprechen.

Pfarrer Martin Dubberke, Gedanken zu Losung & Lehrtext vom 20. Juni 2023

Pfr. Martin Dubberke
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