Pfr. Martin Dubberke

…und er schuf sie als Mann und Frau

1,1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. (a) (b) (c) (d) 1,2 Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. 1,3 Und Gott (a) (b) sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. (c) 1,4 Und Gott sah, daß das Licht gut war. 1,26 Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. (a) (b) (c) (d) (e) 1,27

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, (a) zum Bilde Gottes schuf er ihn; und (b) schuf sie als Mann und Weib. 1,28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht. 1,29 Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. (a) 1,30 Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so. (a) 1,31 Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, (a) (b) es war sehr gut. 2,1 So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. 2,2 Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und (a) ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. 2,3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte. (a) (b) (c) (d) 2,4 So sind Himmel und Erde geworden. (1. Mose 1, 1-4a, 26-31.a, 2, 1-4a)

Liebe Gemeinde,

gerade haben wir eine Version von der Erschaffung der Erde gehört. Die Betonung liegt auf „eine“ Version. Es gibt nämlich mehrere Versionen. Um genau zu sein zwei. Den sogenannten ersten und den zweiten Schöpfungsbericht. Dabei wurde die Erde doch nur einmal geschaffen. Warum also zwei Berichte? Und warum vor allem zwei verschiedene Sichtweisen der Schöpfung?

Ich weiß es nicht. Jedenfalls nicht wirklich. Welchem also soll ich mehr trauen? Welcher ist nun der wirkliche, der wahrhaftige Schöpfungsbericht? Die Forschung scheint sich da manchmal recht einig zu sein, aber das ist für uns nicht so wichtig, denn beiden ist gemeinsam, dass Gott diese Erde geschaffen hat. Der kleinste gemeinsame Nenner also.

Der wesentliche und nicht überbrückbar scheinende Unterschied besteht in der Erzählung der Erschaffung des Menschen. Vielleicht wird der eine oder die andere von ihnen gerade gedacht haben, dass ich da vielleicht etwas vergessen haben könnte? Was ist da mit der Rippe? Fiel Adam nicht in einen tiefen Schlaf? Und nahm ihm dann nicht Gott eine Rippe und formte daraus die Eva? – Ja, das ist die andere Version. Die entstammt dem sogenannten zweiten Schöpfungsbericht. Und soll ich ihnen was sagen? Ich mag diese Version nicht.

Warum? – Vielleicht können Sie es nachvollziehen, wenn ich Ihnen einen kleinen und wirklich schlechten Witz erzähle:

„Adam fühlte sich in diesem wunderbaren Paradies so schrecklich allein, nachdem er allen Pflanzen und Tieren einen Namen gegeben hatte. Kurzum: Er langweilte sich und beschwerte sich deshalb bei Gott: „Du, ich find das hier wirklich nicht besonders paradiesisch. Ich fühle mich hier allein. Da ist niemand, mit dem ich sprechen kann. Außerdem finde ich es unfair, dass alle Tiere eine Gefährtin haben und ich hier alleine bin.“

Daraufhin antwortete Gott: „Das ist kein Problem Adam, aber Du mußt mir dafür etwas geben. Ich brauche ein Bein von Dir.“

„Ja, aber“, stotterte Adam, „wie soll ich mich dann vorwärtsbewegen?“

„Ok, Adam“, meinte Gott, „Ich will nicht so sein. Dein rechter Arm reicht mir völlig.“

Adam protestierte: „Meinen rechten Arm? Ja, wie soll ich dann noch auf dem Feld arbeiten?“

Beide schweigen. Schließlich lenkt Adam ein und fragt: „Und was bekäme ich für eine Rippe?“

Ich sehe, sie können darüber schmunzeln. Aber eigentlich müßte Ihnen dieses Schmunzeln im Halse stecken bleiben. Adam will nichts einbringen. Er ist nicht bereit, auch nur an einer Stelle offen sichtlich zu teilen, abzugeben. Nicht ums Verrecken, will er mehr als nötig in seine Zweisamkeit investieren. Adam ist die Krone der Schöpfung und er will die Krone der Schöpfung bleiben. Also darf sie ihm nicht gleichwertig sein. Was bekommt er für eine Rippe?

Gleichzeitig wird deutlich, dass Eva, also die Mutter aller Frauen, minderwertig ist. Sie hat keine eigenen Rechte und sie ist geschaffen aus dem Mann heraus. Eva, ein geklonter Adam.

Der erste Schöpfungsbericht hat eine enorme Popularität erlangt, weil er das Patriarchat begründete. Ein Wesen, das aus Material des Mannes geschaffen wurde, kann nicht auf der gleichen Stufe stehen wie ein Mann, kann kein eigenständiger Mensch sein. So wird sie nie gleichwertig und gleichberechtigt sein können.

[An dieser Stelle ließe sich auch trefflich über’s Klonen nachdenken…]

Ganz anders da der erste Schöpfungsbericht. Gott fasst den Beschluß, Menschen zu schaffen. Menschen nach seinem Bilde zu schaffen. Wir Menschen sind Ebenbilder Gottes. Als solche ist die Würde eines jeden und einer jeden einzelnen von uns unantastbar. Er schuf beide, wohlgemerkt beide, nach seinem Bilde. Sie sind also vollkommen gleichwertig. Und sie sind gleichberechtigt und gleichverpflichtet, denn gemeinsam tragen sie die Verantwortung für diese Schöpfung und ihr Fortbestehen.

Wie aber gehen wir nun mit der offensichtlichen Differenz zwischen beiden Schöpfungsberichten um. Schließlich bestimmt die Entscheidung für einen von beiden wesentlich unser gemeinsames Leben, das Verhältnis von Mann und Frau.

Ich denke, dass die beiden Schöpfungsberichte zwei unterschiedliche Momente resp. Intentionen der Schöpfung hervorheben.

Hebt der erste Bericht die Gleichwertigkeit, Gleichverpflichtung, Gleichberechtigung und Gottebenbildlichkeit als einen besonderen Aspekt der Würde hervor, so betont der zweite Schöpfungsbericht das Aufeinander-gewiesen-sein.

Der zweite Schöpfungsbericht schließt die Fülle des Lebens auf, den Weg zu einem ganzheitlichen Leben der Geschlechter miteinander. Im Hinblick auf Fülle und Ganzheitlichkeit möchte ich gerne noch ein paar Gedanken zum zweiten Schöpfungsbericht äußern.
Es wäre nämlich zu überlegen, inwieweit die Rippe aus Adam zu einem Mangel in Adam geworden ist. Die Mangeltheorie ist auf der einen Seite fatal, weil sie so manche Unfähigkeit des Mannes entschuldigen würde. Auf der anderen Seite stellt sich die – freilich etwas naiv-fromm klingende – Frage, ob Gott nicht auch damit eine Absicht verbunden hat. Er hat dem Mann damit keineswegs auf ewig seine sogenannten weiblichen Anteile genommen und auch nichts, worauf er verzichten könnte, sondern etwas, das er zwangsnotwendig braucht um leben und überleben zu können. Der weibliche Anteil seiner Existenz ist ihm von Gott extrakorporiert worden, damit er nicht alles aus sich selbst heraus hat und sich nicht selbst genug ist. Adam und Eva sind Urbild des dialogischen Prinzips, des Werdens, des Von- und Mit-einanders.

Der Mann muß seine sogenannten weiblichen Komponenten immer aufs Neue entdecken, sich seine weiblichen Anteile wieder erarbeiten, sich aneignen, erwerben und dazu bedarf es des Dialogs. Aneignen meint hier nicht in Besitz nehmen, okkupieren, sondern im Miteinander Teil seiner selbst zu werden. Das als weiblich bezeichnete Element im Wesen des Mannes wurde und wird immer wieder fehlverstanden als die sogenannte »bessere Hälfte«. Ein Mann ist noch lange kein Mann, wenn er eine Frau hat, nein, da ist er noch lange nicht komplett, da hat er noch lange nicht seine Rippe wiederhergestellt. Es ist ein Irrtum, wenn Mann davon ausgeht, daß seine Partnerin diese Rippe ist. Die Rippe kann nur in ihm wachsen, denn sie ist aus ihm genommen und nicht von von seiner Seite.

Aus Mann und Frau heraus entsteht ein Fließen, das Leben heißt, Leben und Erleben.

Gott hat Mann und Frau – auch das scheint mir hier deutlich zu werden – nicht zur bloßen Reproduktion geschaffen, da hätte er auch andere Mittel und Wege gefunden. Die Sehnsucht nach dem ewig Weiblichen ist nicht purer Sex, hat nicht purer Sex zu sein, auch wenn viele Männer es so sehen und denken. Diese Sehnsucht ist die nach innerer Vollkommenheit, Vollständigkeit, Ausgewogenheit, die immer und immer als das bloß Sexuelle mißverstanden aber nie auf das Ganzheitliche, auf das Sein bezogen wird.

Ein Mann, der von einer Frau verlassen wurde, fühlt sich oft, meist lebensuntauglich, weil das Weibliche in seinem Leben fehlt, das äußerlich Weibliche, denn zum innerlich Weiblichen scheint er nicht vorgedrungen. Damit will ich keineswegs die Tragik gescheiterter Beziehungen abwerten oder verharmlosend sagen: »Kenntest und hättest und stündest du zu deinen weiblichen Anteilen, bräuchtest du keine Frau oder empfändest du jetzt nicht so.«

Die Tragik liegt in der Ahnung, daß es mehr als nur die Frau ist, die aus seinem Leben gegangen ist, daß der Mangel, der Verlust noch größer ist. Und hier haben wir einzusetzen. Hier müssen wir Bewußtsein schaffen, Sensibilität, Empathie.

Ein Mann ist erst dann ein Mann, wenn er im Innern die ihm fehlende Rippe wiederhergestellt hat. Wäre es Gott um die Äußerlichkeit gegangen, dann hätte er die Frau/Eva aus einem gut sichtbaren Körperteil Adams geschaffen, und nicht aus seiner Rippe.

»Darum wird der Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden zu einem Fleisch.«(Gen 2,24) Die Einfleischwerdung, die Henosis, ist mehr als heiraten und/oder gemeinsamer Sex. Die Einfleischwerdung ist ein Sinnbild für die Wiederherstellung des Urzustandes des Mannes und der Frau. Es ist ein Werden und darin liegt das Geheimnis.

Niemand ist aus sich selbst heraus perfekt. Niemand kann aus sich selbst heraus in dieser Schöpfung leben und sie treuhänderisch bewahren. Wir sind aneinander gewiesen und damit aufeinander angewiesen.

Deshalb schuf Gott den Menschen als Mann und Frau.

Amen.


Predigt am Sonntag Jubilate 2001

5. Mai 2001 – Sonntag Jubilate

Evangelische Silas-Gemeinde zu Berlin-Schöneberg

Text: 1. Mose 1, 1-4a, 26-31.a, 2, 1-4a (Reihe V)