Paulus hat seinen Brief an die Philipper aus dem Gefängnis heraus geschrieben. Zu den Menschen in der Gemeinde von Philippi hat er eine besondere Beziehung gehabt. Sie war die erste christliche Gemeinde auf europäischem Boden.
Ich betone es gerne noch einmal: Philippi war die erste europäische Stadt mit einer christlichen Gemeinde. Ich glaube, dass uns das manchmal gar nicht mehr so bewusst ist, dass die christliche Prägung Europas und der westlichen Welt ihren wenn auch am Mittelmeer, so doch im Nahen Osten gehabt hat.
Er war in Philippi nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen worden. Er war nicht der Mann, bei dem man hätte sagen können: Fantastisch, genau auf Dich haben wir gewartet! Ganz im Gegenteil. Paulus mit seiner Predigt vom einen Gott war eine Bedrohung der bestehenden religiösen Machtverhältnisse und sprach bestimmte Kreise in der Gesellschaft an, die man nicht unbedingt mobilisieren wollte. Menschen, deren Selbstwertgefühl man nicht unbedingt gestärkt wissen wollte, die nicht an gesellschaftlicher Relevanz gewinnen sollten: Sklaven. Wir können aufgrund der Namen, die Paulus im Zusammenhang mit Philippi nennt, darauf schließen, dass es sich in der Regel um Sklaven handelte.
Paulus und damit auch die Lehre von Christus wurden nicht mit offenen Armen empfangen. Paulus war daher auch nicht lange in der Stadt, da er nicht nur in seiner Missionstätigkeit behindert worden ist, sondern auch misshandelt worden ist.
Paulus ist trotz allem nicht müde geworden, seinen glauben in die Welt zu tragen und seinen wichtigen Anteil zur Entstehung der Weltreligion Christentum beizutragen. Wenn es einem Menschen zu danken ist, dass es heute in aller Welt Christen gibt, so ist es Paulus, der unermüdlich bis an die eigenen Grenzen gehend, viele geographische Grenzen überschritten und hinter sich gelassen hat.
Paulus kennt also sehr gut die Bedingungen in Philippi und kann sich an den fünf Fingern seiner Hand abzählen, welchen Anfeindungen seine Glaubensgeschwister ausgeliefert sind.
Und in diese Situation hinein, schreibt er ihnen die folgenden Worte:
Philipper 4, 4-7
4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! 5 Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! 6 Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! 7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Wenn ich heute, am vierten Advent diesen Text höre, bekommt er natürlich eine ganz besondere Note: Die Freude auf die bevorstehende Ankunft des Herrn. Aber diesen Gedanken möchte ich an dieser Stelle nicht weiter verfolgen. Auch weil der Paulus den Text nach dem Tode Christi geschrieben hat und er mit der Nähe des Herrn die Wiederkunft Jesu meint.
Mich beschäftigt eine andere Frage, wenn ich diesen Text lese. Paulus lädt uns ja ein, sich um nichts zu sorgen. Also, wann habe ich das letzte Mal von meinen Sorgen gelassen?
Eine schöne Frage. Wann haben Sie das letzte Mal von Ihren Sorgen gelassen?
Wenn ich so eine Weile darüber nachdenke, merke ich, wie mich immer wieder meine Sorgen begleiten. Wie jeder andere Mensch, bin auch ich nicht sorgenfrei. Die meiste Zeit nehme ich meine Sorgen nicht wahr, weil ich einfach gut funktioniere. Aber manchmal kommen die Sorgen nach oben und wollen einem die Freude an etwas anderem vermiesen. Ja, die Sorgen melden sich meist in der Nähe der Freude und wollen einem dem Blick auf die Freude und die damit verbundene Kraft vermiesen.
Aber da sagt Paulus schlicht: Der Herr ist nahe. Ja, der Herr ist Nahe und damit komme ich doch wieder auf Weihnachten. Weihnachten macht für mich immer wieder erlebbar, wie nahe der Herr mir und uns ist, und wie sehr er mich emotional berührt. Und dann spüre ich plötzlich so eine leichte Beschämung: Verdammt, manchmal hast Du ihm doch zu wenig vertraut und nicht wirklich mit ihm und seiner Nähe gerechnet. Und dennoch hat er dich nicht fallen lassen. Und da gibt es immer wieder die eine oder andere Situation, wo plötzlich ein Lichtlein aufgeht, wo man erst Dunkelheit gesehen hat.
Dafür kann ich ihm dann nie genug danken.
Aber ich kann seine Nähe auch noch an anderer Stelle spüren, nämlich heute. Ja, heute hier in wenigen Minuten beim Abendmahl. Das ist mir erst dieser Tage wieder bewusst geworden durch ein kleines Büchlein mit dem Titel „Die Botschaft des Paulus“ aus der Feder von Benedikt XVI. Hier schreibt er über unseren Predigttext: Durch das Wort und die Sakramente – also auch das Abendmahl – ist uns der Herr in unserem ganzen Leben nahe. Und dann lädt er wie Paulus ein:
„Bitten wir ihn, dass wir im Innersten unseres Seins immer mehr von dieser Nähe berührt werden können, damit die Freude entstehe – jene Freude, die entsteht, wenn Jesus wirklich nahe ist.“ (S. 183)
Lasst uns gleich beim Abendmahl diese Nähe und Freude erleben.
Amen.
Gottesdienst am Sonnabend vor dem 4. Advent
19. Dezember 2009
Silas-Kirche zu Berlin-Schöneberg
Predigttext: Philipper 4, 4-7
Perikopenreihe: II