Pfr. Martin Dubberke

Denn ihr wisst nicht die Stunde

1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. 3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. 4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. 5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst. 10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. 11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.

Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.

Ich bin ehrlich: Ich habe nie etwas mit dem Text über die törichten Jungfrauen anfangen können. Das ist so ein Text, der einem in schöner Regelmäßigkeit immer wieder begegnet. Es sind immer die gleichen Tage, die gleichen Anlässe. Es ist immer die Zeit zum Ende des Kirchenjahres, wenn es um die letzten Dinge geht. Wenn es um die Frage nach verpassten Chancen geht. Wenn die trübe Jahreszeit beginnt und sich manchmal Watte auf die Seele legt. Der Tag, der kaum begonnen auch schon wieder zur Nacht geworden ist. Man sitzt bei künstlichem Licht, vielleicht vor einer Kerze und sinniert so vor sich hin, wenn man in Ruhe gelassen wird. Und plötzlich, so ganz unmerklich geht die Geschwindigkeit, mit der das Leben so mit einem und an einem vorbei rauscht, auf Schritttempo. An dem Punkt angekommen, wird einem plötzlich bewusst, wie sehr das Leben doch rast. Es vergeht nicht einfach, sondern es rennt und beeilt sich. Da drängt sich dann beim Blick aus dem Fenster die Frage auf, was bleibt eigentlich? Was ist, wenn ich morgen tot umfalle oder vom Auto überfahren werde?

Gott, ich habe schon seit vier Wochen nicht mehr meine Eltern angerufen. Und mit meinem besten Freund war ich auch schon lange nicht mehr auf einen Rotwein weg…

Wie geht’s dem eigentlich? Um die Eltern anzurufen, ist es schon zu spät. Die schlafen jetzt.

Das Leben mit seinen täglichen Aufgaben nimmt einen schon ganz schön gefangen und die Zeit, die einem am Ende eines Tages bleibt, reicht manchmal nur noch dazu, sich vor dem Fernseher abzuschalten. Es reicht aber nicht um mit sich selbst zur Ruhe zu kommen und sich zu wappnen.

Die eigenen Vorräte werden angeknapst und in Zeiten der Hochbelastung brennt man auf Dauerflamme um alles zu schaffen, alles auszuhalten. Man sorgt nicht mehr für sich, sondern sorgt nur noch dafür, dass alles andere klappt. Und dann passiert etwas: Man brennt aus. Erst unmerklich und dann merklich. Burnout. Ausgebrannt. Einem guten Bekannten von uns ist das passiert. Er hat es noch rechtzeitig gemerkt, und sich sofort in Behandlung begeben.

Sagte ich nicht noch eben, dass ich den Text von den klugen und den törichten Jungfrauen nicht mag? Ich glaube, dass sich mir der Text gerade neu erschließt.

Wenn ich kein Öl habe, und die Lampe ausgebrannt ist, sitze ich im Dunkeln. So wie die törichten Jungfrauen. Und andere müssen mir sagen, wo es lang geht. Ich bin dann nicht mehr Handelnder, sondern Behandelter. Dann muß ich mir den Vorwurf gefallen lassen, nicht bei Zeiten an die Zukunft gedacht zu haben, sondern von der Vertagung gelebt zu haben. Heute hat es noch gereicht und für morgen wird es auch noch reichen und dann sehen wir weiter. Nein, so geht es nicht.

Da sind keine Eventualitäten berücksichtigt. So wie bei den Jungfrauen. Die waren vom langen Weg erschöpft und sind einfach eingeschlafen, ohne die Lampen zu löschen. Und als sie aufwachten, waren die Lampen leer, – ausgebrannt. Was für ein schönes Bild, um zu verdeutlichen, was es heißt, etwas verschlafen zu haben. Die einen haben nun Lampenöl und die anderen nicht. Und die anderen bekommen auch nichts.

Das hat auf den ersten Blick wenig mit Nächstenliebe zu tun. Auf den zweiten Blick, wenn man in sich die Regung „Sind die gemein!“ überwunden hat, merkt man, wie klug die klugen Jungfrauen wirklich sind. Sie lassen sich nicht emotional überwältigen, sondern denken anders an die Gemeinschaft. Wenn wir das Öl jetzt teilen, stehen wir in der Hälfte der Zeit im Dunkeln und das kann dann für alle gefährlich werden. Das Risiko wird also geteilt.

Ich könnte natürlich auch noch einmal anders an die Bewertung der klugen Jungfrauen rangehen und sagen: Die Klugen sind die eigentlich Törichten, weil Sie nicht an die Torheit der anderen gedacht haben und nicht mehr Öl mitgenommen haben.

Nun ist das ganze aber ein Gleichnis. „Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen…“ „Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Sprich: Zum einen muss ich für das Himmelreich gerüstet sein und zum anderen weiß ich nicht, wann es soweit ist und deshalb muss ich mich jeder Zeit bereit halten.

Soweit so gut. Das kann ich noch alles nachvollziehen. Aber nun wird es schwierig. Wofür steht der Ölvorrat, den ich mit mir rumschleppen muss. Woran kann ich erkennen, dass ich zu den klugen oder zu den törichten Jungfrauen gehöre? Ich glaube, hier liegt der eigentliche Hund in der Geschichte begraben. Ich glaube, das ist der Grund weshalb ich dieses Gleichnis nicht wirklich mag. Es ist nicht wirklich zu fassen, was mit dem Öl gemeint ist.

Wenn ich mir noch einmal so den Text anschaue, bleibt ein weiterer Satz hängen: „Als nun der Bräutigam lange ausblieb…“ So unscheinbar dieser Satz auch ist, so theologisch brisant ist er. Denn er weist auf ein zentrales Problem der frühen Christen hin. Die ersten Christen gingen nämlich davon aus, dass Jesus noch zu ihren Lebzeiten wiederkehren würde, aber das entpuppte sich als Trugschluss. Er kam nicht und damit kamen die ersten Christen mehr und mehr in eine Erklärungsnot. Sie mussten mit der sogenannten Parousieverzögerung umgehen. Parousie heißt Anwesenheit. Also die Verzögerung der Anwesenheit Jesu Christi. Das trug eine vollkommen neue Herausforderung an die Christen heran. Es reichte nicht, sich mal kurzfristig für das Christentum entflammt zu haben, sondern man musste dauerhaft dafür brennen. Christ zu sein, bedeutete nicht mehr Kurzstrecke, sondern Langstrecke. Das war kein kurzes Feuerwerk, sondern sollte ein Dauerbrenner werden. Und das erfordert viele Energien.

Um am Ende, am Jüngsten Tag, wenn der Bräutigam, Wenn Jesus dann endlich wieder kommt, wird es wohl darum gehen, wer wirklich gebrannt hat, und wer nur eine Wunderkerze gewesen ist. Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.

Ich muss jeden Moment damit rechnen und ich muss daher jeden Moment darauf vorbereitet sein, dass es passieren kann, dass Jesus wieder kommt. Und da ist es wie mit dem ganz normalen, schnöden Leben: Es kann jeden Moment vorbei sein. Sprich, ich muss mein Leben in Verantwortung so planen, dass ich auf diesen Fall vorbereitet bin. So, wie ich eine Lebensversicherung abschließe, die im Falle meines ungeplanten Ablebens meine Frau und meine Kinder absichert. So sollte ich mein Leben als Christ gestalten, dass ich nicht mal als Christ pausiere, weil mir gerade nicht so danach ist, sondern, dass ich als Christ immer und alles vor dem Hintergrund plane und lebe, dass ich nicht die Stunde weiß. Und so glaube ich, dass die eigentliche Herausforderung an mich als Christ ist, wie eine kluge Jungfrau zu sein.

Amen!

 

Samstag, 21. November 2009 01:51

21. November 2009 | Ewigkeitssonntag

Predigt über Matthäus 25, 1-13 – die törichten Jungfrauen.

Die Predigt wurde im Rahmen der Predigtreihe

„Wozu bin ich berufen?“ gehalten