Als ich gestern die Kirchenzeitung las, sah ich bei den Todesanzeigen, dass zwei Menschen dabei waren, die ich lange gekannt habe, lange nicht gesehen hatte, die meinen Lebensweg gekreuzt und zum Teil über einen längeren Teil des Weges begleitet haben. Und dann hat man sich irgendwie aus den Augen verloren. Der eine von Ihnen starb mit 81 Jahren und der andere mit 51 Jahren. Beide starben sie am 7. Februar.
Die Losung an diesem Tag lautete:
Als Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. 1. Mose 28,17
Beide haben nun diese Pforte durchschritten. Und ich gebe zu, dass es mich traurig macht.
Mit einem von beiden habe ich lange zusammengearbeitet, bin sein Nachfolger im Amt gewesen und mit dem anderen habe ich zusammen gelernt.
Von dem Jüngeren wusste ich, dass er sich auf seinen Tod vorbereitet. Und dennoch, wenn es dann so schwarz auf weiß vor einem steht, ist es doch etwas anderes. Wieder ist ein früherer Kommilitone gestorben.
Warum erzähle ich Ihnen das? Weil das ein Moment ist, an dem ich selbst merke, dass nichts in meinem Leben selbstverständlich ist. Dass ich heute hier sitze und mit Ihnen geistlich in den Tag gehe ist nichts Selbstverständliches, dass die Kinder gesund sind, ist nichts Selbstverständliches, dass der Mensch, mit dem man sein Leben in Liebe teilt gesund ist, ist auch nicht selbstverständlich, dass ich einem Job habe, der mir Spaß macht, ist auch nicht selbstverständlich und auch Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich gerne und vertrauensvoll zusammenarbeite sind nicht selbstverständlich.
So, wie die Tage vor dem Aschermittwoch tolldreist, kraftvoll, übermütig und lustvoll waren, so beginnt mit dem Aschermittwoch so etwas wie eine Auszeit.
Und das ist gut so. Wir können innehalten, Bilanz ziehen und ausprobieren, auf Dinge zu verzichten, die uns zur Gewohnheit geworden sind. Dazu gehören auch die Dinge, die uns zur schlechten Gewohnheit geworden sind – und dazu zähle ich Ausnahmsweise nicht das Rauchen, obwohl ich es klasse fände, wenn endlich mal der Aschenbecher unter meinem Bürofenster verschwinden würde 😉
Nein, dazu zähle ich ganz andere Dinge, nämlich mal ein bisschen weniger Egoismus zu wagen. Eben nicht ich zuerst, sondern Du zuerst. Manchmal merken wir das ja gar nicht, wie egoistisch oder treffender: ichzentriert sind.
Das Ich im Wir und das Wir im Ich, das muss beides ausgeglichen sein. Wo zu viel Ich im Spiel ist, ist kein Wir möglich. Und wo zu viel Wir im Spiel ist, bleibt das Ich auf der Strecke.
Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Ab Aschermittwoch ist die Zeit gekommen, sich das eigene Verhältnis zu Gott anzuschauen und auch mal zu fragen, ob er zufrieden mit einem ist, ob die fromme Performance stimmt.
Der Aschermittwoch lädt mich ein, mich in meinem Verhältnis zu Gott, zu mir und meinen Nächsten zu hinterfragen.
Haben wir eben noch mit Weihnachten die Ankunft Christi in der Welt gefeiert, bereiten wir uns ab heute auf seinen Tod vor.
Da ist er wieder, der Tod. Der Tod eines anderen Menschen konfrontiert einen auch immer mit der eigenen Möglichkeit des Sterbens, der eigenen Vergänglichkeit. Gerade hatten wir noch Zukunft und schon sind wir Vergangenheit. Das Leben fährt schnell dahin, als flögen wir davon. So dichtet es der Psalmist im 90. Psalm.
Aschermittwoch und die Passionszeit, sind wunderbar dazu geeignet – egal, ob ich nun an Gott glaube oder nicht – ein wenig Tempo aus meinem Leben zu nehmen und diese Zeit als Auszeit für meine Seele anzunehmen.
Gut, wer an Gott glaubt, hat es ein wenig leichter an dieser Stelle, weil er ja Gott hat, mit dem er ins Gespräch kommen kann, um sein Leben, seine aktuelle Situation zu reflektieren. Und weil so ein Leben so vielschichtig ist, und wir in so viele Dinge verstrickt sind, sind diese sieben Wochen ein Geschenk an uns. Und so sollten wir diese Zeit auch annehmen und nutzen. Und das ist eindeutig mehr, als nur sieben Wochen auf Fleisch, Fernsehen, Alkohol, Süßes oder Sex zu verzichten.
Passionszeit ist Bußzeit und Bußzeit ist die Zeit, zu erkennen, wo man in die Irre geht und den Kurs wieder korrigieren muss.
In den sieben Wochen haben wir Zeit, all das zu erkennen und umzukehren, uns von Falschem und Falschheit zu trennen und den neuen Wegen zu vertrauen, sie einzuüben, sie in Fleisch und Blut übergehen zu lassen.
Und genau dazu, hat uns Jesus mit seinem blutigen und schmerzhaften Tod befreit. Er hat uns einen neuen Anfang geschenkt. Und das sollten wir nutzen. Sein Tod hat deutlich gemacht, dass ein neuer Anfang nicht immer ein Fest ist, sondern auch mit Schmerzen verbunden ist. Denn Altes loszulassen, kann weh tun. Neu anzufangen, macht einen stark und verletzbar zugleich, weil das Neue erst wachsen muss wie das Vertrauen. Mit Ostern, hat Gott mit Jesus für uns alles auf Anfang gestellt.
Ich glaube, das ist ein guter Moment, um mit dem Predigttext zu schließen, der für den gestrigen Aschermittwoch vorgesehen war. Er steht im zweiten Brief an die Korinther im siebten Kapitel, die Verse 8 bis 10:
Denn wenn ich euch auch durch den Brief traurig gemacht habe, reut es mich nicht. Und wenn es mich reute – ich sehe ja, dass jener Brief euch wohl eine Weile betrübt hat –, so freue ich mich jetzt, doch nicht darüber, dass ihr betrübt worden seid, sondern darüber, dass ihr betrübt worden seid zur Umkehr. Denn ihr seid betrübt worden nach Gottes Willen, sodass ihr von uns keinen Schaden erlitten habt. Denn die Traurigkeit nach Gottes Willen wirkt zur Seligkeit eine Umkehr, die niemanden reut; die Traurigkeit der Welt aber wirkt den Tod.
Amen.
Wochenandacht im LAFIM am 15. Februar 2018 – also einen Tag nach Aschermittwoch
erhältlich bei: Amazon, Hugendubel,
Thalia, ebook.de, buch.de,
buecher.de, Weltbild, Osiander