Pfr. Martin Dubberke

Passionsimpuls zum Sonntag Invocavit

Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören (Psalm 91, 15)

Mit Invocavit liegt der erste Sonntag der Passionszeit vor uns. Seit Aschermittwoch haben wir uns im Laufe der ersten vier Tage vielleicht schon ein wenig daran gewöhnt, auf etwas zu verzichten, was uns lieb und vielleicht auch teuer ist. Vielleicht hat der eine oder andere von uns schon verzweifelt vor dem Süßwaren- oder Zigarettenregal gestanden und dort eine ganz persönliche Grenzerfahrung gemacht. Schaffe ich es, die Grenze, die ich mir für sieben Wochen gesetzt habe, einzuhalten oder nicht?Invocavit steht für diese Grenze und diese Grenzerfahrung. Mit Invocavit ist endgültig die Grenze zur Epiphaniaszeit – also der nachweihnachtlichen Zeit – gezogen. Was heißt nun aber Invocavit? Und was ist das für eine Sprache? Es ist Latein: Invocavit me, et ego exaudiam eum. So lautet die lateinische Fassung des Verses, der dem Sonntag den Namen gegeben hat: Er ruft mich an, und ich will ihn erhören.

Das ist eine Aufforderung und zugleich Mut machende Zusage. Gleichzeitig wird an dieser Stelle noch etwas ganz Anderes deutlich: Gott ist ein zurückhaltender Gott, der meine Grenze respektiert. Wenn ich nichts sage, dann tut er auch nichts. Verrückt, oder?

Genau an dieser Stelle passt das Motto der diesjährigen Fastenaktion von „Sieben Wochen ohne“ ganz fantastisch: Zeig Dich! Und das Ganze dann auch noch mit einem provozierenden Ausrufezeichen. Dieses „Zeig Dich!“ verstehe ich in zweifacher Weise. Zum einen erinnert es mich an Hiob, der in seinem Aschenhaufen saß und Gott ziemlich heftig an- und hinterfragt hat. Dieses „Zeig Dich!“ kann also auch heißen: „Zeig Dich, Gott!“

Zum anderen ist es aber auch die Aufforderung an mich selbst: „Zeig Dich! Sieben Wochen ohne Kneifen.“ Auch das erinnert mich wieder an Hiob in seinem Aschenhaufen, der sich Gott gezeigt hat, aber auch seinen Freunden und seiner Familie. Und wer, wenn nicht Hiob, befand sich in einer Grenzsituation, wo er an und über seine Grenzen gekommen ist. Diese Grenzerfahrung hat dafür gesorgt, dass Hiob alt und lebenssatt gestorben ist.

Tja, und seit Aschermittwoch sitzen wir gewissermaßen im Aschenhaufen und schauen uns unser Leben und im besten Fall auch unser Verhältnis zu Gott an. Die Asche steht für Buße und Umkehr, also Erkennen und Kurskorrektur. Wir haben die Möglichkeit, in dieser Zeit die Grenze zu erkennen, an die wir in unserem Leben geraten sind. Und damit haben wir auch die Möglichkeit, unser Verhalten zu erkennen, das uns an diese Grenze gebracht hat. Das wäre dann also die Not aus dem Psalm 91. Und was dann zu tun ist, wissen wir ja jetzt: Gott anzurufen, ihm uns in unserer Grenzerfahrung, unserer Not zu zeigen. Und dann wird er sich auch uns zeigen, weil er uns erhört.

Invocavit – Er ruft mich an. Ich rufe ihn an, wenn ich an meine Grenze komme.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Wochenende und Zeit, sich Gott zu zeigen

Ihr

Pfr. Martin Dubberke

 

PS: Sie haben gerade den ersten Teil meiner neuen Textserie für die Passionszeit gelesen. Jeden Freitag finden Sie hier bis Ostern einen neuen Passionsimpuls. Schreiben Sie mir ruhig eine kleine Mail, welches Thema Sie in der Passionszeit interessieren würde. Mal sehen, vielleicht ergibt sich daraus ja mein nächster Passionsimpuls…

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buecher.de, WeltbildOsiander