Pfr. Martin Dubberke

Ohne Gott ist alles nichts

Herr, du kennst all mein Begehren,
und mein Seufzen ist dir nicht verborgen
Psalm 38, 10

Ach ja, das klingt mal wieder so, als müsste ich einfach nur ein wenig Gott gegenüber seufzen und dann wäre alles wieder gut. Er weiß ja, was ich brauche und wird es dann richten. Ach ja, wenn es mal so einfach wäre. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich klingt dieser Vers nach einem Menschen, der schon alles durch hat, der alles versucht hat, sein Problem irgendwie alleine zu lösen, der schon viele Stationen und Anlaufstellen durch hat und nun sagt: „Ach, naja, irgendwie gibt es ja wohl noch diesen Gott, vielleicht hilft das ja…“ und dann klagt er all sein Leid. Das ist nicht schlimm oder verwerflich, wenn jemand in so einer Situation seinen Weg zu Gott findet. Manchmal muss man in seinem Leben in bestimmte Situationen geraten, die das Leben neu ausrichten, neu justieren, weil man merkt, dass man an eine Grenze geraten ist, wo es so ohne weiteres nicht weiter geht.

Und genau diese Situation haben wir im Psalm 38, der einer der sieben Bußpsalmen ist. Nehmen Sie sich ruhig mal die Zeit und lesen den Psalm 38. Dem Mann geht es wirklich richtig dreckig. Der Mann hat offene, stinkende Wunden, ist impotent, schreit vor Schmerzen und ist einsam, weil sich alle von ihm abgewandt haben. Dem Mann geht es nicht nur körperlich schlecht, sondern auch seelisch. Er geht im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Zahnfleisch. Er ist am Ende seine Kräfte angelangt. Als er zu Gott sagt:

Herr, Du kennst all mein Begehren,
Und mein Seufzen ist dir nicht verborgen.

Da  spricht einer, der über lange Zeit seinen Kontakt zu Gott verloren hat. Er hat geglaubt, dass er sein Leben ganz alleine, fern von allen guten Ratschlägen und Empfehlungen Gottes leben kann. Dreimal nimmt er das Wort Sünde in den Mund:

…und ist nichts Heiles an meinen Gebeinen wegen meiner Sünde.
Denn meine Sünden gehen über mein Haupt;
wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden.
…Ich bekenne meine Missetat
Und sorge mich wegen meiner Sünde.

Damit stellt der Beter sein Ergehen, seinen Zustand, sein Leiden in einen Zusammenhang mit seinem Gott abgewandten Leben. Die Folgen dieses Lebens werde mit Leiden, Schmerzen, Krankheit beschrieben. Gott peinigt den Beter mit Pfeilen. Ich sehe das als ein Bild. Unser Gott, der der Vater von Jesus Christus ist, schickt keine Krankheiten. Und so verstehe ich auch diese furchtbaren Leiden des Mannes nicht als eine von Gott gegebene Krankheit.  Nein, Krankheiten sind keine Strafe Gottes. Gleichwohl gibt es aber Krankheiten, für die der Mensch mit seinem Verhalten verantwortlich ist, weil er vergisst, dass Gott ihm seinen Leib nur geliehen hat.

Es ist daher für mich vollkommen egal, ob der Beter jetzt Aussatz hat, von Pfeilen geschunden ist oder was auch immer. Ich verstehe das als ein starkes Bild des Leidens an den Konsequenzen seines Handelns, das geschehen ist, ohne mit Gott im Kontakt zu bleiben, weil er in seiner menschlichen Weisheit glaubte, nicht auf Gott angewiesen zu sein, dass die Weite seiner Liebe ihn zu sehr in seine Grenzen gewiesen habe. Freiheit sollte so sein, wie er, der Beter es meinte und was ist geschehen? Genau das Gegenteil. Im Vollbesitz seines Egoismus hat er sich ins Aus manövriert.  Seine Freunde haben sich von ihm abgewandt. Er muss also zu einem ganz schönen Stinkstiebel geworden sein, zu einem Menschen ohne jedes soziale Gefühl. Da steht er nun und fühlt sich im wahrsten Sinne des Wortes beschissen.

Und genau in dieser Situation erkennt er das einzig Richtige. Er sucht wieder den Kontakt zu Gott, um wieder zurück in ein lebenswertes Leben zu kommen. Und das ist mit einer zentralen Erkenntnis verbunden: „Ich bekenne meine Missetat.“

Wie sagte meine Vater immer: „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.“

Der Beter macht deutlich: „Gott, ich habe verstanden. Ich habe verstanden, was ich falsch gemacht habe und ich werde es in Zukunft anders machen. Doch dazu brauche ich deine Hilfe.“

Ich denke, und das ist meine Erkenntnis, die ich aus diesem Psalm ziehe, darum, sich selbst immer wieder in seinem Leben auf den Prüfstand zu stellen, ob man mit seinem Leben noch auf dem rechten Weg Gottes ist, oder ob man abgewichen ist. Dazu gehört es auch, zu schauen, wenn etwas nicht geklappt hat, wenn es zwischen mir und anderen Menschen nicht so richtig rund läuft, ob es nicht eher auch etwas mit mir zu tun hat. Wonach rieche ich? Woran leide ich? Wo habe ich die Empfehlungen Gottes nicht im Blick und vor allem warum?

Es geht aus meiner Sicht auch nicht um das, was wir so gerne Sünde nennen, sondern um die Verantwortung, um die Übernahme von Verantwortung für mein Handeln. Und da ist ein Satz wie z.B.: „Tja, die Verantwortung dafür trägt der andere“, schlicht und ergreifend verantwortungslos.

Ach ja, das ist schon nicht immer so ganz einfach mit uns Menschen, im Miteinander mit der Familie, den Freunden, Kollegen oder gar mit den Schwestern und Brüdern in der Gemeinde und zuweilen ist es auch nicht so einfach im Miteinander mit Gott. Aber, und das ist meine ganz feste Glaubensüberzeugung: Man braucht nicht immer eine Grenzsituation, um mit Gott reden zu können. Ich denke, wenn man sich täglich mit Gott auf eine Tasse Kaffee verabredet und sich mit ihm darüber austauscht, was einen bewegt, wo man das Gefühl hat, an einer Stelle nicht weiterzukommen, wo man dankbar ist oder, wo man mal sagen möchte, dass man Mist gebaut hat. Die Tasse Kaffee mit Gott ist das tägliche Gespräch, das tägliche Gebet mit Gott.

Ich wünsche Ihnen nicht nur einen schönen Oktober, sondern auch viele gute Gespräche mit Gott.
Ihr
Pfr. Martin Dubberke

Monatswort für den Spener-Boten der Königin-Luise-Silas-Gemeinde über den Monatsspruch aus Psalm 38,10 für den Oktober 2018