Pfr. Martin Dubberke

In wohliger Erinnerung

Paulus, o Paulus, warum nur musst Du so verquaste Sätze schreiben? Das versteht doch kein Mensch.

Ich kann einfach nicht verstehen, warum Paulus so erfolgreich gewesen ist. Wenn ich mir vorstelle, dass er eventuell auch in der gesprochenen Sprache so verdreht und verdrechselt war, verstehe ich es erst recht nicht. Das würde ja bedeuten, dass alle Menschen damals nur gedrechselt gesprochen haben und sich deshalb auch gut verstanden haben.

Ich weiß ja nicht wie es Ihnen geht, wenn Sie so einen Paulus-Text hören. Hören Sie wirklich zu? Verstehen Sie, was da vorgelesen wird? Können Sie sich einen Satz daraus merken oder nacherzählen, was vorgelesen wurde? Seien Sie ehrlich!!!

Also ich bin ehrlich: Ich stöhne jedes Mal, wenn ich über Paulus predigen soll und in diesem Jahr komme ich aus dem Stöhnen gar nicht raus, weil nur über Paulus gepredigt wird.

Aber ich verrate Ihnen was: Mir ist dieses Mal ein Gedanke hängen geblieben. Das neue Leben. Das alte Leben ist mit Christus am Kreuz gestorben. Eigentlich doch ganz einfach. Jetzt geht es nur noch um eine Frage: Was bedeutet das für uns?

Aber auch das ist ganz einfach. Die Sünde ist am Kreuz gestorben. Und was wollen wir mit so einer Leiche. Die Sünde ist nur noch eine Leiche, die verwest. Wollen wir so eine stinkende Leiche mit uns durchs Leben schleppen? Nein, nicht wirklich, oder?

Was nicht mehr ist, dem muss ich auch nicht mehr dienen. Stattdessen lebe ich jetzt mit Jesus. Also, die Richtlinie meines Lebens oder das Leitbild meines Lebens ist Jesus. Und Jesus wieder lässt sich auf einen ganz kurzen Nenner bringen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Das ist die ganze Botschaft. Also alles, was hinter dem Paulus-Text steckt, ist diese eine kleine, aber befreiende Botschaft: Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst.

Paulus begründet nur, warum das so ist und warum wir keine andere Wahl haben, als das zu leben. Weil das andere, die Sünde, die uns lähmt, niederdrückt, das Leben schwer macht, gestorben ist.

Jetzt werden Sie sagen: „Ja, der Dubberke hat gut reden, der olle Idealist. Der greift doch bestimmt auch mal auf die Sünde zurück. Die Sünde ist gestorben und was passiert da um uns herum? All die Kriege, Gemeinheiten, Bosheiten…“

Ja, das stimmt. Sie haben Recht. Natürlich diene ich von Zeit zu Zeit auch mal der Sünde, weiche vom rechten Pfad ab. Aber spannend ist doch da die Frage, warum ich es tue: Weil ich in der Situation bequem gewesen bin. Sünde entsteht aus lausiger Bequemlichkeit heraus, weil ich glaube, dass ich eine Sache so einfacher regeln kann. Also bin ich mal ein wenig gemein und liebe den Nächsten und mich mal ein bisschen weniger. Aber dafür hasse ich mich danach umso mehr.

Und warum tue ich das? Weil ich für einen Moment vergessen habe, ja vergessen wollte, dass ich in Christus lebe. Es war reine Berechnung, sich aus strategischen Gründen an der Sünde zu orientieren und nicht an Christus. Es war der einfachere Weg und mit und in Jesus Christus zu leben, ist nicht immer der einfachere Weg.

Und genau das, ist unsere zentrale Schwachstelle: Unsere Bequemlichkeit. Das ist der Moment, wo wir romantische Gefühle für die verstorbene Sünde entwickeln.

Und genau aus dieser Bequemlichkeit, z.B. um uns nicht erklären zu müssen, leben wir auch gerne unseren Glauben auch nicht so nach außen, sondern lassen ihn im privaten. Auch das ist der bequeme Weg.

Wir haben im Evangelium gehört, was unser Auftrag, unser Job ist:

„Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Mit unserer eigenen Taufe haben wir den Auftrag erhalten, den Jesus seinen Jüngern vor zweitausend Jahren gegeben hat. Wir haben diesen Auftrag zu leben. Leben wir ihn nicht, dann schwelgen wir in wohliger Erinnerung an die Sünde und dürfen uns nicht wundern, dass die Welt um uns herum so ist wie sie ist.

Und was das angeht, hat Paulus gewaltiges geleistet. Er hat dafür gekämpft und am Ende auch sein eigenes Leben dafür eingesetzt. Soweit müssen wir heute nicht mehr gehen. Paulus hat Gemeinden gegründet. Eine nach der anderen. Hätte er das nicht getan, dann würde ich hier heute nicht stehen, dann würden Sie heute nicht hier sitzen. Aber wer wird nach uns hier stehen und sitzen? Es geht heute weniger darum Gemeinden zu gründen, sondern sie am Leben zu halten, sie mit Menschen zu füllen.

Also, je mehr von uns den Auftrag aktiv annehmen, desto schneller machen wir die Erinnerung an die verstorbene Sünde vergessen. Desto mehr Menschen sammeln wir um uns, die mit uns gemeinsam die Erinnerung an die olle Leiche auslöschen und aktiv für ein Leben in und mit Christus werben, weil sie öffentlich danach leben.

Amen.

10. Juli 2010 | Predigt am 6. Sonntag nach Trinitatis über Römer 6, 3-8 |