Pfr. Martin Dubberke
Aschermittwoch 2025 | Bild: Martin Dubberke©

Zeit der Umkehr

Liebe Geschwister, Aschermittwoch ist der Auftakt zur Passionszeit. Das ist die Zeit, in der man sich Asche aufs Haupt streut und sich dessen bewusst wird, dass man ein Sünder oder eine Sünderin ist. Es ist nicht die Zeit, mit dem Finger auf andere zu zeigen, auch wenn das in diesen Tagen besonders leichtfällt. Und natürlich haben wir alle sofort Namen im Kopf, auf die wir selbst auch zeigen oder andere zeigen. Ich denke hier an den US-Präsident Donald Trump, den Enkel von bayerischen Wirtschaftsflüchtlingen, der durch seine politischen Entscheidungen nun in der Ukraine zum Mittäter geworden ist. Die Opfer in der Ukraine werden nun auch seine Opfer sein. Ich denke an den Präsidenten Russlands, der sich über uns wahrscheinlich totlacht. Natürlich denke ich an Friedrich Merz, vor dem nun eine Herkulesaufgabe liegt, der nach einem Wahlkampf nun in einen anderen Modus wechseln muss und jenseits von Ideologie pragmatisch handeln muss, was ihm von anderen als Wählerbetrug vorgeworfen wird. Drei Namen, drei Menschen, auf die gerade viele Finger zeigen. Natürlich könnte ich um des Proporzes Willen und der Ausgeglichenheit noch weitere Namen nennen, aber dann verlieren wir uns, auch weil es mir garnicht um irgendeine politische Richtung geht. All diese Namen stehen für Menschen, die wir gewählt haben, mit denen wir unsere Ängste, Hoffnungen und auch unsere Wut verbinden. Wir sind ein Teil dieses Systems. Als Souverän tragen wir die Verantwortung für das, was in unserem Land und in der Welt geschieht. Seine Stimme abzugeben, bedeutet, einen Auftrag zu erteilen, der in eine bestimmte Richtung gehen soll.

Wenn ich mir aber das Wahlergebnis anschaue, sind wir im Grunde genommen richtungslos. Da lässt sich keine eindeutige Richtung mehr ablesen. Wenn sich keine eindeutige Richtung mehr ablesen lässt, sind wir eigentlich orientierungslos. Wir brauchen aber eine Richtung, um vorwärtszukommen. Der Aschermittwoch gibt uns diese Richtung vor. Am Aschermittwoch steht auf dem Wegweiser „Umkehr“.

Und damit bin ich beim Predigttext aus dem Propheten Joel angekommen:

Aufruf zur Buße

12 Doch auch jetzt noch, spricht der HERR, kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen! 13 Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und kehrt um zu dem HERRN, eurem Gott! Denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und es reut ihn bald die Strafe. 14 Wer weiß, ob er nicht umkehrt und es ihn reut und er Segen zurücklässt, sodass ihr opfern könnt Speisopfer und Trankopfer dem HERRN, eurem Gott. 15 Blast die Posaune zu Zion, sagt ein heiliges Fasten an, ruft einen Feiertag aus! 16 Versammelt das Volk, heiligt die Gemeinde, sammelt die Ältesten, bringt zusammen die Kinder und die Säuglinge! Der Bräutigam gehe aus seiner Kammer und die Braut aus ihrem Gemach! 17 Lasst die Priester, des HERRN Diener, weinen zwischen Vorhalle und Altar und sagen: HERR, schone dein Volk und lass dein Erbteil nicht zuschanden werden, dass Völker über sie herrschen! Warum willst du unter den Völkern sagen lassen: Wo ist nun ihr Gott?

Gottes Gnadenzusage

18 Da eiferte der HERR um sein Land und verschonte sein Volk. 19 Und der HERR antwortete und sprach zu seinem Volk: Siehe, ich will euch Getreide, Wein und Öl die Fülle schicken, dass ihr genug daran haben sollt, und will euch nicht mehr unter den Völkern zuschanden werden lassen.

Joel 2,12-19

Das ist ein kraftvoller Aufruf zur Umkehr und Buße. Der Prophet Joel erinnert uns daran, dass Gott gnädig und barmherzig ist und uns zur Umkehr einlädt.

In unserer heutigen Welt sehen wir viele Herausforderungen und Krisen, sei es der Krieg in der Ukraine oder politische Spannungen weltweit. Es gibt also genug Gründe umzukehren, sich der Gebote Gottes zu besinnen. Die Gebote sind doch keine Verbote, sondern Versprechen für das gelingende Leben miteinander.

Ganz ehrlich? Ich bin ja schon echt gläubig, ja vielleicht sogar fromm, aber manchmal brauche ich wirklich viel Glauben. Und so geht es mir gerade in dieser Zeit und besonders in diesen Tagen, wo alle aufgescheucht sind und vielleicht auch endlich mal aus dem Schlaf der vermeintlichen Sicherheit aufgewacht sind.

Ich muss gerade an den alten UFA-Film „Tanz auf dem Vulkan“ mit Gustaf Gründgens denken. Der Film wurde im November 1938 uraufgeführt. In diesem Film – ein Jahr vor Beginn des 2. Weltkriegs – ging es um einen Umsturz, eine Revolution. Ein Film, bei dem man sich heute noch wundert, wie der durch die Zensur durchgekommen ist.

Berühmt wurde der Film vor allem durch ein Lied aus der Feder von Theo Mackeben, das später auch Udo Lindenberg interpretiert hat. Im Film singt es Gustaf Gründgens:

Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da …

Wenn der Morgen endlich graut
Durch die dunst’gen Scheiben,
Und die Männer ohne Braut
Beieinander bleiben,
Schmieden sie im Flüsterton
Aus Gesprächen Bomben;
Rebellion, Rebellion
in den Katakomben!

Nebenbei gesagt, der Refrain:

Rebellion, Rebellion
in den Katakomben!

durfte damals nicht auf Schallplatte veröffentlicht werden. Ich denke, dass wir heute wieder einen Tanz auf dem Vulkan machen. Wir tanzen seit Jahren auf dem Vulkan, ohne die damit verbundene Gefahr wahrhaben zu wollen. Wir haben die Augen vor der Realität verschlossen. Allen Warnungen zum Trotz haben wir weitergemacht wie zuvor und haben auf Sicherheiten vertraut, die schon lange keine Sicherheiten mehr waren. Aber man hoffte immer, dass es nicht so schlimm werden könne. Aber es kam schlimmer. Mit Trump und Trompeten sind wir nun hoffentlich erwacht. Und hoffentlich ist es nicht zu spät.

Aber was hat das nun mit unserem Predigttext zu tun? Joel ist ein Prophet, der vor knapp 3000 Jahren gelebt hat. Seine Botschaft ist geprägt von der Warnung vor Gottes Gericht und dem Aufruf zur Umkehr. Joel lebte in einer Zeit, in der das Volk Israel mit vielen Herausforderungen konfrontiert war, darunter Naturkatastrophen wie eine verheerende Heuschreckenplage, die als Zeichen für Gottes bevorstehendes Gericht gesehen wurde.

Der Auftrag Joels war es, das Volk zur Umkehr zu rufen. In unserem Predigttext spricht er von der Notwendigkeit, zu Gott zurückzukehren. Diese Passage ist ein absolut leidenschaftlicher Appell, der das Volk ermutigen soll, ihre Herzen zu zerreißen und nicht nur ihre Kleider – ein Zeichen für echte Reue und innere Veränderung. Joel betont, dass Gott gnädig und barmherzig ist und bereit ist, das Gericht abzuwenden, wenn das Volk umkehrt. Er powert gewissermaßen das Volk. Er versucht ihm Kraft und Mut zu geben. Es ist Zeit, jetzt umzukehren und Gott im täglichen Leben wieder die Rolle zu geben, die ihm gebührt. Joel will, dass ein Ruck durchs Volk geht und sie zur Umkehr aufbrechen und wieder die Werte entdecken und leben, die verbinden, für Frieden und Liebe unter den Menschen sorgen.

Der Kontext des Predigttextes ist eine Zeit der Krise und des drohenden Gerichts. Es hatte ein furchtbare Heuschreckenplage gegeben, sie als Vorbote eines größeren Gerichts gesehen wurde, das nur durch Umkehr und Buße abgewendet werden kann. Auf heutige Verhältnisse bezogen, können wir das, was wir gerade in unserer Welt erleben als eine solche Heuschreckenplage interpretieren, die uns deutlich machen soll, wie sehr wir alle miteinander in die falsche Richtung laufen.

Diese Situationen rufen uns dazu auf, unsere eigenen Verfehlungen zu erkennen und uns zu fragen, wie wir als Christen handeln können. Die Umkehr beginnt im Herzen. Joel fordert uns auf, unsere Herzen zu zerreißen und nicht nur unsere Kleider. Es geht um eine echte innere Veränderung, die sich in unserem Handeln widerspiegelt.

Für uns in Deutschland und Europa bedeutet dies, dass wir unsere politischen Entscheidungen und unser gesellschaftliches Handeln auf christliche Werte gründen sollten. Werte wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Frieden sollten unser Handeln leiten.

Joel nutzt also diese Gelegenheit, um das Volk daran zu erinnern, dass Gott bereit ist, zu vergeben und zu segnen, wenn sie sich ihm von ganzem Herzen zuwenden. An dieser Bereitschaft Gottes hat sich bis zum heutigen Tage nichts, aber auch rein gar nichts geändert.

Trotz allen Wahnsinns und aller Vogelwildheit – wie Gottfried von Segnitz immer so schön sagt – gebe ich nicht die Hoffnung auf, dass Gottes Zusage gilt, dass er bei mir, bei uns wohnen will. Das macht mir in all der Ohnmacht, die ich spüre, Mut und Hoffnung, dass die Rebellion der Guten und des Guten gelingen mag.

Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da
Die Nacht ist da, daß was gescheh‘.
Ein Schiff ist nicht nur für den Hafen da,
Es muß hinaus, hinaus auf hohe See!

Es ist Zeit, dass etwas geschieht. Und so wie ein Schiff nicht für den Hafen da ist, so ist auch unser Glaube nicht fürs Wohnzimmer bestimmt, sondern er muss hinaus, hinaus auf hohe See, in die Stürme des Lebens und dieser Welt. Unser Glauben kann die Wende bringen. Unser Glaube ist die Rebellion wider die widrigen Verhältnisse, der Aufstand, die Empörung. Der Schlaf ist beendet. Lasst uns alle Türen und Fenster und vor allem Herzen öffnen, damit der HERR bei uns wohnen kann.

Lasst uns an diesem Aschermittwoch innehalten und uns fragen: Wo müssen auch wir selbst umkehren? Wie können wir in unserem persönlichen Leben und in unserer Gesellschaft Gottes Liebe und Gerechtigkeit sichtbar machen? Möge dieser Tag ein Neuanfang sein, an dem wir uns Gott zuwenden und uns von ihm leiten lassen.

Ich habe dieser Tage eine Dokumentation gesehen. Da tritt Franz Müntefering am Ende eine wenig glücklichen Parteitag noch einmal ans Redenerpult und sagt: „Fraktion gut. Partei gut. Glückauf!“

Ich sag’s anders: Glaube gut! Gott gut! Kehrt um! Gottes Segen! Amen.

Pfr. Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke

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