Liebe Geschwister, am 13. April 2024, eine Woche, bevor Uli ihren Unfall hatte, in dessen Folge dann ihre Leukämie diagnostiziert wurde, schrieb sie, ohne es zu ahnen, unter der Überschrift „Die göttliche Undo-Taste“ ihr letztes ANgeDACHT für die Gemeindewoche. Sie begann damals mit einem Zitat von Meister Eckhart:
„Ach, wäre es nur anders gekommen, so wäre es besser.“ Oder: „Wäre es nicht so gekommen, so wäre es vielleicht besser gekommen.“ Solange du so denkst, wirst du niemals Frieden gewinnen!
Sie schreibt dann:
Praktisch ist das: Wenn ich mich beim Arbeiten am PC verschrieben oder sonst einen Fehler gemacht habe: Ein Klick auf die „undo“-Taste – schon ist der vorherige Zustand wieder hergestellt hat und ich kann von Neuem beginnen. Im Leben geht das leider nicht, das ist „Zeichnen ohne Radiergummi“, wie Michelangelo einmal formuliert hat. Die Zeit zurückdrehen, Fehler und Verletzungen ungeschehen machen, den paradiesischen Urzustand mit einem Klick wieder herstellen, das funktioniert nicht.
Heute, vier Tage, nachdem Uli von uns gegangen ist, glaube ich, dass viele unter uns denken: „Ach, wäre es nur anders gekommen, so wäre es besser.“ Aber, das Leben ist wie „Zeichnen ohne Radiergummi“.
Uli schließt dann ihr ANgeDACHT mit folgenden Worten:
Gottes Liebe und seine Versöhnungskraft sind am Ende stärker. Das richtet mich auf. So kann ich mich versöhnen mit eigenen Unzulänglichkeiten und gelassen mit Fehlern anderer umgehen. So lebe ich versöhnt und kann meinen Frieden machen – trotz allem, was nervt an unserer unperfekten Welt.
Als, Uli und ich wenige Tage vor Ihrem Tod noch einmal miteinander gesprochen haben und sie sich von mir verabschiedet hat, sagte sie fast das gleiche: „Ich habe ein gutes Leben gehabt und den schönsten Beruf, den man sich vorstellen kann. Ich kann gut loslassen.“
Ihre letzten Worte zu mir waren: „Lieber Martin, ich melde mich noch einmal bei dir, wenn mir die Zeit bleibt.“ Diese Zeit ist ihr leider nicht geblieben.
Ich glaube, wenn wir uns heute den Predigttext anschauen, werden wir es kaum anders können als mit der Erinnerung an Uli.
Das hat auch etwas mit der Situation zu tun, in die hinein der Hebräerbrief geschrieben wurde. Es war eine Zeit, in der viele jüdische Christinnen und Christen unter Druck standen, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren. Sie waren mit Verfolgung und Schwierigkeiten konfrontiert, und es bestand die Gefahr, dass sie ihren Glauben an Jesus Christus aufgeben könnten. Der Verfasser des Hebräerbriefs, dessen genaue Identität uns heute unbekannt ist, wollte diese Christinnen und Christen ermutigen und stärken, indem er ihnen die Überlegenheit Jesu als Hohepriester und die Wichtigkeit des Festhaltens an ihrem Glauben nahelegte.
Wir erinnern uns alle, an den WhatsApp-Status von Uli, mit dem sie uns über die ganzen Monate immer auf dem Laufenden gehalten hat und darüber Zeugnis abgelegt hat, wie wichtig es ist, auch in einer solchen beschissenen, das eigene Leben bedrohenden Situation nicht aufzugeben, sondern noch mehr an Gott festzuhalten und ihm noch mehr zu vertrauen als je zuvor, sich ganz und gar in seine Hände zu geben.
Ich denke, das ist jetzt ein guter Moment, den Predigttext vorzulesen:
Christus der große Hohepriester
14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. 15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. 16 Darum lasst uns freimütig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit.
Hebräer 4,14-16
Jesus wird hier als der große Hohepriester beschrieben, der die Himmel durchschritten hat und der fähig ist, mit unseren Schwächen mitzufühlen. Das bedeutet: Jesus weiß um unsere Stärken und Schwächen als Menschen. Er selbst ist doch wahrer Mensch und wahrer Gott. Er selbst hat, wie jeder andere Mensch keine Lust gehabt, schon so früh und vor allem so gewaltsam zu sterben. Wir erinnern uns daran, wie er mit Gott, seinem Vater, im Garten Gethsemane gerungen hat:
Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!
Matthäus 26,39
Jesus Christus selbst hat auch Angst vor dem Tod gehabt. Auch er hat Angst vor Bedrängnis und Schmerzen gehabt. Er war ganz Mensch wie wir es auch noch heute sind. Er kennt unsere Lust zu leben, weil auch er gerne gelebt hat, weil auch er gerne mit seinen Jüngern, mit seiner Gemeinde unterwegs gewesen ist, weil er die Gemeinschaft, das Leben, die Liebe, die Auseinandersetzungen mit Menschen geliebt hat. Aber er war auch tief verwurzelt in der Beziehung zu seinem Vater, und konnte sich seinem Willen anvertrauen.
Mit diesen Versen sollen wir als Gläubige ermutigt werden, freimütig zum Thron der Gnade zu kommen, um Barmherzigkeit und Hilfe zu empfangen. Der Autor des Hebräerbriefes wollte damals und auch heute seinen Leserinnen und Lesern zeigen, dass Jesus nicht nur Gott ist, sondern auch Mensch war und unsere Herausforderungen besser versteht als jeder andere.
Diese Worte wollen uns Gläubigen Mut machen, in unserem Glauben standhaft zu bleiben und sich auf die Hilfe und das Mitgefühl Jesu zu verlassen.
Uli ist das allem Anschein gelungen. Als sie in unserem letzten Gespräch sagte, dass sie gut loslassen könne, wurde deutlich, dass sie den Willen Gottes angenommen hatte.
Für uns und unser Leben in dieser wilden Zeit, mit unseren eigenen Krankheiten, mit unseren eigenen Ängsten, mit all den Trumps und Putins, dieser Ungewissheit, wo unser Leben, unser Land und unsere Welt hinsteuern, stellt sich jeden Tag auf Neue die Frage: Wie kann ich diese Ermutigung in meinem eigenen Leben handhaben und mich auf Jesus als meinen Hohepriester verlassen? Wie kann es mir gelingen in schwierigen Zeiten freimütig zum Thron der Gnade zu treten?
Lasst uns darüber auf dem Weg nach Hause, beim Mittagessen oder mit unseren Liebsten oder Freunden darüber nachdenken oder einfach miteinander als Geschwister ins Gespräch kommen. Die Antwort auf diese Frage muss jeder Mensch für sich selbst finden. Jesus macht es uns mit seinem Gebet im Garten Gethsemane vor:
Jesus fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!
Matthäus 26,39
Jesus macht es uns vor. Lasst uns die Einladung annehmen, die Gott an diesem Sonntag, am Sonntag Invokavit mit Psalm 91,15 an uns alle ausspricht:
Invocavit me, et ego exaudiam eum.
Er ruft mich an, und ich will ihm antworten.Psalm 91,15
Lasst uns Gott anrufen, zu ihm beten, und er wird uns antworten. Und wie Jesus dürfen wir diese Antwort annehmen und darin ganz Gott vertrauen. Er hört unsere Gebete und steht uns in Zeiten der Not und auch der Trauer bei.
Darum lasst uns jetzt auch miteinander beten:
Himmlischer Vater,
wir kommen heute zu Dir mit Trauer in unseren Herzen, weil wir um Uli trauern. Sie hat die Schönheit Deiner Schöpfung in den Bergen, besonders in der Zugspitze, gefunden und darin Deine Größe und Herrlichkeit erkannt.
Wir danken Dir für ihr Leben, für die Liebe und den Dienst, den sie in unserer, in Deiner Gemeinde geleistet hat. Möge ihr Glaube und ihre Hingabe ein bleibendes Erbe in unseren Herzen sein.
Herr, wir bitten Dich, dass Du ihre Seele in Deine ewigen Arme aufnimmst und ihr Frieden schenkst. Tröste Ihren Ehemann Karl und ihren Vater und schenke ihnen die Gewissheit, dass Uli in Deiner Liebe geborgen ist.
Hilf uns, in dieser Zeit der Trauer Deine Gegenwart zu spüren und die Hoffnung auf die Auferstehung und das ewige Leben zu bewahren.
Amen.
Pfr. Martin Dubberke
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