Pfr. Martin Dubberke
Das gute Teil erwählt | Bild: Martin Dubberke©

Das gute Teil erwählt

Liebe Geschwister, es gibt so Geschichten, die mag man und es gibt Geschichten, die mag man nicht. Das sind Geschichten, die in einem Gefühle, Gedanken auslösen, die einen für eine Geschichte einnehmen oder eher nicht. Bei mir sind das „Hans im Glück“ und „Maria und Marta“.

Bei „Hans im Glück“ geht das bis in meine Kindheit zurück. Meine Mutter hat uns, wenn’s in Bett ging, immer ein Märchen der Gebrüder Grimm vorgelesen. Das war großartig. Aber als sie „Hans im Glück“ vorlas, erfasste mich irgendwie eine Panik und ich fing an zu heulen. Ich konnte nicht verstehen, warum Hans immer eines nach dem anderen eingetauscht hat und am Ende eigentlich mit nichts dastand, irgendwie alles verloren hatte. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es meiner Mutter einfach nicht gelingen wollte, mich zu trösten, weil mich dieses Märchen so fertig gemacht hat.  Und ich gebe es zu: Ich habe bis zum heutigen Tage um „Hans im Glück“ immer einen Bogen gemacht.

Und ähnlich ging es mir, als ich im Religionsunterricht zum ersten Mal die Geschichte von „Maria und Marta“ gehört habe. Diese Geschichte ging mir damals so richtig gegen den Strich. Ich hatte damals nicht so richtig Sympathien für Marta, die Maria bei Jesus anschwärzte.

Bei uns zu Hause mussten wir immer alle ran, wenn Besuch kam. Jeder hatte mindestens eine Aufgabe und bei uns Kindern war es immer das Aufräumen unserer Zimmer, auch wenn der Besuch gar nicht in unsere Zimmer kam. Aber es musste ordentlich sein und wenn der Besuch dann kam, standen wir alle in der Diele, wenn es klingelte und mussten als Kinder artig unseren Diener oder meine Schwester einen Knicks machen.

Ich gebe ja zu, dass ich eher Sympathien für Maria hatte, weil sie einfach das machte, was ich auch am liebsten machte und auch noch bis heute mache: Mit dem Gast zusammenzusitzen und ganz bei ihm zu sein und mich mit ihm zu unterhalten und alles andere um mich herum zu vergessen.

Gleichzeitig ging es mir mit der Geschichte aber auch immer so, dass mich Marta an meinen Bruder erinnerte, der ganz gerne ankam und petzte und meinte, dass ich mein Zimmer noch nicht richtig aufgeräumt hätte, oder, oder…Marta war für mich immer die Petze, die Unsympatische in der Geschichte. Vielleicht war es genau das, was mir den Zugang zu dieser Geschichte mein Leben lang erschwert hat.

Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass ich in den vergangenen vierzig Jahren, seitdem ich das erste Mal in meinem Leben gepredigt habe, auch nur ein einziges Mal an einem Sonntag dran war, als Maria und Marta auf dem Predigtplan standen. Es ist also heute gewissermaßen eine Premiere. Heute muss ich mich nun dieser Geschichte stellen, die mit zu den großartigsten Geschichte in den Evangelien zählt. Und hier ist nun die Geschichte von Maria und Marta:

Maria und Marta

38 Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. 39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. 40 Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! 41 Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. 42 Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

Lukas 10,38-42

Das Verrückte an der Geschichte ist doch, dass nicht Maria Jesus eingeladen hat, sondern Marta. Und Marta wollte für ihren besonderen Gast natürlich das Beste. Sie wollte, dass er sich bei ihr wohlfühlt. Schließlich wusste sie ja, wen sie da zu sich eingeladen hatte. Und dann steht sie da in der Küche und schuftet, bringt immer neue Sachen an und sorgt dafür, dass sich Jesus wohlfühlt und ihre Schwester Maria scheint das wenig zu kümmern, denn sie ist ganz bei Jesus und die beiden reden und reden miteinander und verstehen sich gut.

Ehrlicherweise ist ja das Verhalten von Maria auf den ersten Blick nicht so richtig prickelnd. Ihre Schwester bringt einen Promi nach Hause und während sie die ganze Zeit mit Jesus zusammenhockt, hat Marta so gar nichts von ihm. Eigentlich ist das ein ziemlich unfaires Verhalten von Maria und irgendwie ist Martas Einwand sehr gut nachvollziehbar.

Und wie geht es mir damit? Natürlich habe ich große Sympathien für Maria. Maria hat sich, das ist meine Meinung, für das Eigentliche entschieden. Sie setzte sich zu den Füßen von Jesus und hörte dem zu, was er sagte. Sie konzentrierte sich damit auf das Wesentliche, nämlich die Botschaft Jesu.

Auch wenn die Antwort Jesu Marta gegenüber im ersten Moment etwas schroff wirken mag, ist sie dennoch wertschätzend. Jesus sieht, was Marta alles getan hat, damit er sich bei ihr wohlfühlen kann, aber es scheint, dass sie sich in diesem Tun verloren hat.

Ich glaube, dass das viele von uns auch schon solche oder so ähnliche Situationen in ihrem Leben erlebt haben. Wir machen und machen und machen und verlieren den Blick für das Wesentliche. Wir denken manchmal, dass wir noch das und dann noch das machen müssen, damit wir uns dann endlich auf das Wesentliche konzentrieren können und dann merken wir mit einem Male, dass uns die Zeit für das Wesentliche fehlt. Wir sind manchmal vielleicht sogar geradezu zwanghaft darin. Das berühmteste Beispiel ist dabei vielleicht die Vorstellung, erst arbeiten zu können, wenn der Schreibtisch aufgeräumt ist.

Maria hat sofort erkannt, dass das die Gelegenheit ihres Lebens ist, als Jesus bei ihnen im Haus war und diese Gelegenheit wollte sie in vollem Umfang nutzen.

Ich glaube, dass wir in unserem Leben immer wieder Vorwände finden, die uns daran hindern uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, weil wir immer glauben, dass wir bestimmte Voraussetzungen dafür erfüllen müssen.

So scheint es auch heute noch zu sein und auch in unseren Gemeinden. Wir verlieren uns in vielen Aufgaben, die uns gestellt werden, in Verwaltungsaufgaben, in Bauaufgaben, Finanzfragen, strategischen Erwägungen, statt einfach zu tun, einfach da zu sein. Mich hat das sehr beeindruckt, als ich die neue Folge zur Kirchenausstattung geschrieben habe und dabei selbst etwas gelernt habe, nämlich, dass es in der frühen Christenheit keinen Altar gegeben hat, sondern im Mittelpunkt das Zusammenkommen der Gemeinde stand, das Erlebnis von Gemeinschaft und das Hören und Erleben des Wortes, das dann das eigene Leben bewegen, prägen und ändern sollte und so in der Welt da draußen wirken sollte.

Und so geht es uns heute mit Vielem. Und unsere Gesellschaft ist davon geprägt, sich mehr um das Drumherum zu kümmern als sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich denke hier nur an das, was bei uns im Land seit den Wahlen am vergangenen Sonntag geschieht. Das Ergebnis sagt viel über die Situation in unserem Land aus und die Gefühle der Menschen. Und dann geht es auf dem Weg in Koalitionsverhandlungen wieder einmal um Nickligkeiten statt um staatspolitische Verantwortung. Man hat immer wieder das Gefühl, dass es nicht um das Land und die Menschen geht, sondern um die eigene Macht.

Oder denken wir nur an das, was am Freitag im Oval Office des Weißen Hauses vor laufenden Kameras geschehen ist. Das vollkommene Gegenteil von Gastfreundlichkeit und man fragt sich, was in den Köpfen des amerikanischen Präsidenten und seines Vizes vorgegangen ist. Da wird der Präsident eines Landes, das vor drei Jahren von einer Großmacht überfallen worden ist, vor aller Öffentlichkeit von zwei Männern brüskiert und vorgeführt, die nicht wissen, was Krieg ist und was Krieg bedeutet. Hier wird mit dem Feuer gespielt und alles riskiert.

Und was hat das jetzt alles mit Maria und Marta zu tun? Ich glaube nicht, dass Lukas an eine solche Situation wie die im Oval Office gedacht hat, als es ihm wichtig war, diese Geschichte aus dem Leben Jesu der Nachwelt zu erhalten.

Wenn ich mir aber noch einmal die Geschichte anschaue, bleibt mein Augenmerk auf der Antwort Jesu hängen:

42 Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

„Eins aber ist not.“ Hier spricht Jesus über die Prioritäten im Leben und die Wichtigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es geht darum, dass wir in unserem Leben Prioritäten setzen müssen. Und damit verbunden ist natürlich auch die Frage, nach welchen Kriterien, mit welcher Motivation wir die Prioritäten in unserem Leben oder in unserer Gemeinde setzen.

Marta war damit beschäftigt, Jesus und seine Jünger zu bewirten, was prinzipiell eine gute Sache ist. Doch Maria hatte sich entschieden, zu Jesu Füßen zu sitzen und auf sein Wort zu hören. Jesus macht deutlich, dass dies das „eine“, das „Not“ ist – die Beziehung zu ihm und das Hören auf sein Wort.

Und genau darum geht es nach wie vor. Wenn wir heute die Geschichte von Maria und Marta lesen, stellt uns Jesus noch immer die Frage nach unseren Prioritäten und nach unserer Beziehung zu ihm. Welche Beziehung haben wir zu ihm?

Würden wir alle eine gute Beziehung zu Jesus haben, müssten wir uns heute viele Fragen nicht stellen. Unsere Kirchen wären rappelvoll. Unsere Welt würde friedlicher aussehen.

Lasst mich ein einfaches Beispiel nehmen. Stellt Euch vor, ihr geht in eine Gastwirtschaft und Ihr seid von der Küche total begeistert. Dann erzählt ihr es weiter und dann gehen Menschen, die ihr kennt, auch in diese Gastwirtschaft. Und wenn die begeistert sind, empfehlen sie es wieder anderen Menschen und bedanken sich bei Euch für den tollen Tipp. Und schließlich brummt am Ende die Bude und man muss sich einen Tisch reservieren.

Mit unserem Glauben ist es nicht anders. Wenn wir von unserem Glauben begeistert sind, erzählen wir es weiter und am Ende brummt die Bude, sprich: Ist die Kirche voll und die Menschen reden, denken, handeln anders, weil sie eine Beziehung zu Jesus Christus aufgebaut haben und diese Beziehung nach innen und nach außen leben. Und diese Beziehung lässt uns Prioritäten setzen.

Der Satz Jesu „Eins aber ist not“ erinnert uns daran, dass inmitten unserer alltäglichen Aufgaben und Sorgen die Beziehung zu Jesus an erster Stelle stehen sollte. Es geht darum, sich Zeit zu nehmen, um in seiner Gegenwart zu sein und von ihm zu lernen und am Ende das Gelernte zu leben und mit den Menschen und der Welt zu teilen. Das ist, was not ist, was notwendig ist. Das würde viel Not wenden. Amen.

Pfr. Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke

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