Pfr. Martin Dubberke

Was treibt uns?

Johannes und Jesus treffen aufeinander. Liebe Geschwister, das ist das Treffen zweier Giganten. Einer, der getauft hat und zur Umkehr gepredigt hat und einer, der getauft wurde, selbst jedoch nie getauft hat, aber die Umkehr in Worten und Taten vorgelebt hat.

Anders als alle anderen, die an diesem Tag am Jordan in Massen auf ihre Taufe warten, empfängt Jesus seine Taufe nicht zur Vergebung der Sünden, sondern wird in dieser Taufe mit dem Geist Gottes begabt und aller Öffentlichkeit gegenüber als Sohn Gottes ausgerufen.

Es waren Menschenmassen vor Ort, so dass sich hier am Jordan viele umkehrwillige Menschen aufhielten. Gott macht an dieser Stelle schon sehr deutlich, dass er eine Ahnung hat, wie erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit aussieht, sich nämlich genau zu überlegen, wo er seine Zielgruppe findet und vor allem, wo er die richtigen Testimonials, Zeugen und Multiplikatoren findet, die seiner Botschaft gegenüber offener sind als alle anderen, weil sie ihrer bedürfen.

Wenn wir mal am Heiligen Abend beginnend der Spur seiner Botschaft folgen, werden wir erkennen, dass sich mit der ausgesprochenen Botschaft durch die jeweilige Zielgruppe auch eine unausgesprochene Botschaft verbindet:

Mit den Hirten der Heiligen Nacht spricht Gott die unterste soziale Schicht der Gesellschaft an und macht damit deutlich, dass durch die Geburt Jesu Christi alle gesellschaftlichen Hierarchien aufgelöst sind. Der Geringste ist dem Höchsten gleich und der Höchste dem Geringsten. Im Ansehen Gottes geht es nicht um den Stand, sondern um den einzelnen Menschen. Der König in der Krippe steht dafür.

Mit Epiphanias werden wir an die drei Weisen erinnert, die aus dem Morgenland dem Stern bis nach Bethlehem gefolgt sind. Sie stehen nicht nur dafür, dass die Botschaft den Menschen in Bewegung setzt, sondern auch dafür, dass die Botschaft nicht regional begrenzt ist, sondern Grenzen überschreitet und damit an alle Menschen in dieser Welt gerichtet ist. Sprich: Die Botschaft ist global.

Das bedeutet nach dem Ende der Klassentrennung auch das Ende der Völkertrennung. Es hängt also alles global zusammen und damit auch die Verantwortung. Es wird deutlich, welch revolutionärer Schwung hinter all dem steht. Halleluja! Im wahrsten Sinne des Wortes.

Und heute nun, am 1. Sonntag nach Epiphanias, werden wir wieder Zeugen der Botschaft, die mit der Taufe Jesu Christi verbunden ist. All das, was wir über die Hirten und die drei Weisen erfahren haben, ist, dass wir umdenken müssen, dass wir Althergebrachtes, alte Vorstellungen und Ansichten in Frage stellen können, dürfen, müssen und umkehren – und dafür brauchen wir schon zweitausend Jahre. Da kann man mal sehen, welch schwierigen Prozess Jesus da damals ausgelöst hat.

Um noch einmal die Dimension der Zeugen der Taufe Jesu deutlich werden zu lassen, zitiere ich Matthäus, Kapitel 3, die Verse 5 und 6:

Da ging zu ihm hinaus Jerusalem und das ganze Judäa und das ganze Land am Jordan.

Das waren zigtausende von Menschen, die Johannes da Tag für Tag taufte. Und das für mich Erstaunliche daran ist, dass Johannes diese Menschen erreicht und bewegt hat. Sie alle hatten durch Johannes die Notwendigkeit der Umkehr begriffen, dass sie das Alte abwaschen müssen, um neu anzufangen.

Und noch etwas finde ich an dieser Stelle interessant: Johannes ist nicht zu den Menschen gegangen, sondern die Menschen kamen zu ihm, weil sie entweder die Relevanz für ihr Leben erkannt hatten oder vielleicht auch gedacht haben: „Naja, schaden kann es auch nicht.“

Nebenbei gesagt, wir hatten erst vor wenigen Wochen – am Dritten Advent – zum letzten Mal eine Begegnung mit Johannes dem Täufer. Da befanden wir uns mitten in der Fasten- und Bußzeit des Advents.

Mit Epiphanias ist die Zeit nun vorbei. Und so hält uns der 1. Sonntag nach Epiphanias noch einmal deutlich vor Augen, dass Umkehr nicht etwas Punktuelles ist, sondern dauerhaft, ja, lebenslänglich ist, eine lebenslange Übung und Haltung. Und das ist nun – wen wundert‘s – eine tägliche neue Herausforderung, die mit täglich neuen Versuchungen verbunden ist.

Wer einmal in seinem Leben eine Diät gemacht hat, weiß, wie sich Versuchungen anfühlen und auch wie es sich anfühlt, wenn man ihnen erlegen ist, aber derjenige weiß auch, wie sich das Gefühl von Stärke anfühlt, wenn man der Versuchung widerstanden hat.

Und damit stellt sich nun die Frage nach dem, was uns umtreibt, der Versuchung zu widerstehen?

Vielleicht hilft uns hier das biblische Motto, das über diesem Sonntag steht:

Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.
Römer 8, 14

Es ist also der der Geist Gottes, der uns treibt. Wie aber kommt es dazu, dass einen der Geist Gottes treibt? Die geschieht in der Taufe. Hier werden wir mit dem Heiligen Geist begabt. Und das bedeutet eine ganz klare Richtungsansage für unser Leben.

Blicke ich nun noch einmal auf die ganzen umkehrwilligen Menschen am Jordan, stelle ich mir natürlich die Frage, was die denn damals alle an den Jordan zu diesem sensationellen Bußprediger Johannes getrieben hat? Die aktive Sehnsucht nach Veränderung?

Müssten dann nicht unsere Kirche überfüllt sein, wenn ich mir so anschaue, was in dieser Welt gerade so los ist? Das sieht doch ganz danach aus, als wenn alle Welt gerade fleißig am Untergang derselben arbeiten würde. Ich zähle hier stellvertretend nur drei Beispiele auf:

  • Ein von einem Staatspräsidenten in Auftrag gegebener Mord in einem fremden Land.
  • Ein Passagierflugzeug mit 176 unschuldigen Menschen an Bord, das abgeschossen wird.
  • Die seit Monaten sich durch Australien fressenden Feuer, in deren Flammen schon Millionen von Tieren umgekommen sind.

Ich könnte die Liste mit Hilfe nur einer einzigen Tageszeitung schier endlos fortsetzen.

Und dennoch sind unsere Kirchen nicht voller als sonst. Woran liegt es? – Ich glaube, weil die Menschen es nicht mit ihrem eigenen Leben in Verbindung bringen und keinen Zusammenhang mit ihrem eigenen Handeln herstellen können oder wollen.

Ich möchte Ihnen dazu ein kleines Beispiel erzählen, das ich am Freitag an der Kasse bei Lidl erlebt habe: Eine Frau stellt nach dem Bezahlen fest, dass sie zwar zwei Packungen Tiefkühl-Flammkuchen erworben hat, aber nicht von der gleichen Marke. Nun gibt sie den mit der nicht gewollten Marke zurück und die Kassiererin weist sehr freundlich darauf hin, dass das Produkt nun weggeworfen werden müsse, da die Kühlkette unterbrochen worden ist, und fragt, ob sie es wirklich nicht nehmen wolle. – Wie hätten Sie sich in der Situation entschieden? – Die Kundin bleibt nahezu unfreundlich bei ihrer Entscheidung. Einmal ein Lebensmittel vergeudet. Ich setze das jetzt ganz bewusst nicht in ein Verhältnis zu den Tonnen an Lebensmitteln, die tagtäglich an anderer Stelle vernichtet werden.

Während sich diese Kundin vielleicht am gleichen Abend noch über eine Fernsehreportage über die Vergeudung von Lebensmitteln aufregen wird, wird sie wohl gleichzeitig keine Verbindung zu ihrem eigenen Handeln herstellen.

Und so geht es uns in vielen Bereichen. Wir lesen über die Katastrophen und Missstände in der Zeitung, schütteln den Kopf, regen uns aus und sehen keine Verbindung zu uns selbst, keinen Zusammenhang. Und genau das macht deutlich, wie notwendig Umkehr ist, wie sie Johannes gepredigt hat.

Und damit geraten noch einmal die Massen der Umkehrwilligen am Jordan in den Blick. Sie wollten Veränderung, darum war Johannes auch den Mächtigen ein Dorn im Auge und wurde inhaftiert, also weggesperrt, wie auch heute noch Menschen weggesperrt werden, die die Wahrheit ans Licht bringen und darüber berichten. Der Plattform de.statistica.com zu folge waren 2019 250 Journalistinnen und Journalisten verhaftet.

Also, die Menschenmassen am Jordan wollten Veränderung, fast so wie die Fridays-for-future-Demonstranten und Demonstrantinnen. Die Menschen am Jordan hatten erkannt, dass sie selbst umkehren müssen. Und genau darin liegt die Macht der Veränderung. Sehnsucht nach Veränderung heißt mit allem Sehnen nach Veränderung zu suchen.

Diese Menschenmassen machten nun aber noch eine ganz besondere Erfahrung und allein das ist der Grund, weshalb wir heute noch darüber sprechen: An diesem Tage überkam Jesus Christus vor aller Augen der Heilige Geist in Gestalt einer Taube und zugleich hat Gott Jesus vor aller Welt als seinen Sohn ausgerufen, der mit seinem Leben, mit seinem Handeln und seinem Predigen deutlich gemacht hat, dass die Gestalt und das Leben auf dieser Welt durch uns selbst geprägt wird und wie wir mit dem Wort Gottes umgehen.

Also, was treibt uns? – Wir sind in der Taufe zu Kindern und Erben Gottes erklärt und mit dem Heiligen Geist begabt worden. Die Taufe macht nun aber deutlich, dass wir in der Nachfolge Jesus Christi leben und dieses in der Art unseres Lebens und Handelns zum Ausdruck bringen.

In der Nachfolge Jesu Christi zu leben, heißt ihm zu folgen. Und wer ihm folgt, der lebt die Umkehr.

Was das bedeutet, haben wir vorhin in der Epistel aus dem Brief an die Römer gehört:

1 Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
Römer 8, 1-3

In diesem Sinne sage ich: Amen. Und das heißt: So soll es sein.

Amen.


Pfr. Martin Dubberke, Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias 2020 über Matthäus 3, 13-17
Perikopenreihe II, in der Christuskirche Garmisch und der Johanneskirche Partenkirchen