Pfr. Martin Dubberke
Advent 2025 | Bild: Martin Dubberke & KI

Wach auf und folge dem Stern – Liebe als Wegweiser zum Advent

Liebe Geschwister, lasst uns heute mal mit einem kleinen Abendspaziergang beginnen. Stellt Euch vor, es ist früher Abend hier bei uns in Garmisch-Partenkirchen, die Bergsilhouetten zeichnen sich dunkel gegen den Himmel ab, über uns die ersten Sterne. Manche Menschen sind Lichtverschmutzung gewohnt, andere wiederum kennen den klaren Winterhimmel über den Bergen. Wenn wir nachher die Ausstellung in unserem Gemeindehaus „Nun sehet den Stern“ eröffnen, wird es nicht um eine astrologische oder astronomische Ausstellung gehen, sondern um den Stern, der auch ein Symbol unseres Glaubens ist. Es wird um den Stern gehen, der etwas in uns anstößt: Sehnsucht, Orientierung, vielleicht auch die Frage: Wo ist mein Platz, mein Weg in dieser unruhigen Zeit?

Der 1. Advent ist wie der Moment, in dem jemand leise das Licht anmacht, während wir noch halb im Schlaf sind. Paulus würde sagen: Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. Zeit, aufzustehen. Zeit, dem Stern zu folgen. Zeit, sich auf den Weg zu machen – nicht einfach nur Richtung Weihnachten, sondern Richtung Christus, dem Friedefürsten.

Paulus und seine Zeit – mitten in der Dunkelheit

Paulus schreibt seinen Brief nach Rom in ein Weltreich, das nach außen stark wirkt: militärische Macht, klare Ordnung, beeindruckende Straßen, beeindruckende Städte. Aber unter der Oberfläche: Gewalt, Ungerechtigkeit, soziale Spaltung, Angst vor Willkür und Krieg. Die ersten Christinnen und Christen leben dort als kleine Minderheit, ohne großen Einfluss, ohne Sicherheiten. Und genau in diese Situation hinein schreibt Paulus von Liebe, von anbrechendem Tag, von Waffen des Lichts.

Und an dieser Stelle können wir etwas absolut spannendes feststellen: Paulus fordert die Gemeinde nicht zuerst auf, politisch lauter zu werden oder alles Mögliche zu verändern, sondern: Liebt einander! Bleibt niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt. Er nennt die großen Gebote – nicht ehebrechen, nicht töten, nicht stehlen, nicht begehren – und bündelt sie in einem Satz: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Das ist seine Antwort in einer dunklen Zeit.

Unsere Zeit: Deutschland, Bayern, Garmisch-Partenkirchen

Wenn wir auf unsere Zeit schauen, ist manches erschreckend vertraut, was uns mit der Zeit von Paulus verbindet: Krieg in Europa, weitere Kriege und Konflikte weltweit, terroristische Gewalt, Millionen Menschen auf der Flucht. Die Zerbrechlichkeit unseres Friedens hier in Deutschland und damit auch hier in unserem Bayern wird deutlicher spürbar: gestiegene Preise, Unsicherheit, Polarisierung in den sozialen Medien, wachsende Aggression im Alltag, auch hier vor Ort. Viele erleben Ohnmacht. Manche ziehen sich innerlich zurück. Andere werden zynisch. Wieder andere werden laut und hart.

Genau hier hinein klingt dieser Text wie ein Weckruf. Paulus sagt: „Ihr wisst, dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf.“ Aufstehen vom Schlaf – das heißt heute: Nicht wegdämmern in den eigenen Filterblasen. Nicht wegdämmern in Gleichgültigkeit: „Ich kann ja eh nichts ändern.“ Nicht wegdämmern in Angst oder Dauerempörung. Sondern: wahrnehmen, was ist – aber sich nicht von der Dunkelheit bestimmen lassen, sondern vom Licht, das kommt.

Der Stern als Bild für Gottes Weg – und unsere Ausstellung

„Nun sehet den Stern“ – dieser Titel unserer Ausstellung ist im Grunde schon eine kleine Predigt. Ein Stern ist kein Flutlicht, das alles gnadenlos ausleuchtet. Ein Stern ist eher ein leises Licht, das Orientierung gibt. Die Weisen aus dem Morgenland haben sich damals auf den Weg gemacht, ohne Navi, nur mit diesem Stern. Sie wussten nicht jedes Detail, aber sie wussten: Wir sind gerufen, aufzubrechen.

Wenn wir nachher diese Ausstellung eröffnen, dann ist das mehr als ein nettes Kultur-Event. Es ist eine Einladung: Schau hin. Nimm wahr, wo in deinem Leben, in unserer Gemeinde, in dem Ort, in den wir leben, etwas von Gottes Licht aufblitzt. Vielleicht in einem warmen Blick. Oder bei einem Besuch bei jemandem, der allein ist. In einer Geste der Versöhnung mitten im Streit. In einer Familie, die es trotz aller Belastung schafft, zusammenzuhalten. Dieser Stern der Gotteshuld, von dem Jochen Klepper singt, wandert nicht irgendwo weit weg – er wandert mit uns.

Werke der Finsternis – ganz konkret

Paulus ist erstaunlich konkret: Er spricht in Römer 13 von den „Werken der Finsternis“. Darunter fällt alles, was Menschen zerstört: Gewalt, Ausgrenzung, Missbrauch von Macht, Neid, Hass, aber auch die leiseren Formen: Geringschätzung, kalte Worte, Ignorieren dessen, was andere verletzt. Werke der Finsternis – das sind auch Strukturen, in denen Menschen auf der Strecke bleiben, in denen Schwache keine Stimme haben.

Was bedeutet das für uns heute, hier, ganz praktisch, fassbar?

  • Wenn im Netz Menschen niedergemacht werden, weil sie anders denken, glauben oder leben – das sind Werke der Finsternis.
  • Wenn jemand in der Klasse oder im Betrieb gemobbt wird, und alle schauen weg – das ist Finsternis.
  • Wenn wir uns angewöhnen, über „die da oben“, „die Flüchtlinge“, „die Bayern“, „die Berliner“, „die Alten“, „die Jungen“ pauschal zu reden – dann verstärken wir die Spaltung, statt Brücken zu bauen.

Auf dem Weg zum Stern heißt „Werke der Finsternis ablegen“: Ich schaue nicht länger nur auf die Dunkelheit draußen, sondern auch auf die Schatten in mir. Wo trage ich dazu bei, dass es kälter wird? Wo lebe ich aus Angst, aus Machtinstinkt, aus Bequemlichkeit? Und dann: Ich gebe es Christus hin und lasse mir ein neues Herz schenken.

Die Waffen des Lichts – erstaunliche Ausrüstung

Und dann führt Paulus eine ganz besondere Waffengattung ein. Keine Drohnen, Raketen, Panzer, Cyberwaffen, Kampfflugzeuge, die Milliarden über Milliarden kosten, und lange Entwicklungs- und Produktionszeiten haben. Paulus sagt einfach, schlicht und ergreifend:

„So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“

Das klingt erst einmal widersprüchlich: Waffen – und Licht. In unserer kriegsgeschüttelten Zeit löst das Wort „Waffen“ wie schon gesagt sofort Bilder von Panzern, Drohnen, Raketen aus. Paulus aber dreht das Bild um: Es gibt eine Art von Kampf, der nicht zerstört, sondern heilt. Waffen des Lichts sind Haltungen und Taten, mit denen Gottes Liebe in dieser Welt sichtbar wird.

Was könnten denn solche „Waffen des Lichts“ heute sein?  Z.B.:

  • Ein klares Nein zu rassistischen, antisemitischen oder menschenverachtenden Sprüchen – auch wenn es unbequem ist.
  • Ein bewusstes Ja zur Nächstenliebe: zuhören statt abwerten; nachfragen statt vorschnell urteilen; den ersten Schritt zur Versöhnung gehen, auch wenn der andere „eigentlich“ dran wäre.
  • Praktische Hilfe: Zeit zu schenken, Kraft zu teilen, zu teilen von Geld und Möglichkeiten – etwas, das ich hier in Garmisch-Partenkirchen Woche für Woche erleben darf, wenn ich mir die Spenden für die Tafel anschaue.
  • Und natürlich auch das Gebet – nicht als Flucht, sondern als bewusste Verbindung mit Gott mitten in der Dunkelheit. Jochen Klepper, der das wunderbare Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen“ – wir werden es heute noch miteinander singen – geschrieben hat, wusste, was Nacht ist – politisch, existenziell, persönlich. Und trotzdem dichtet er von einem Stern, der mit allen wandert.

Der Stern der Gotteshuld – Jochen Klepper und Römer 13

Klepper setzt seinem Lied Römer 13,11–12 voran:

„Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.“

Er schreibt dieses Lied 1937, mitten in der Diktatur, als das Dunkel in Deutschland immer dichter wird. Er weiß: Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Er redet das Dunkel weder klein, noch weg.

Und doch:

„Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.“

Das ist Römer 13 in poetischer Sprache: Die Nacht ist real, aber sie hat nicht das letzte Wort. Der anbrechende Tag, von dem Paulus spricht, ist nicht irgendeine vage Hoffnung, sondern Jesus Christus selbst – Gottes Angesicht, Gottes Rettung. Der Stern der Gotteshuld ist wie ein sichtbares Zeichen dafür: Gott geht mit in der Dunkelheit, und sein Licht ist stärker.

Liebe als Wegweiser im Advent – für Konfis, Eltern und „Stammgäste“

Was heißt das nun konkret für uns heute, am 1. Advent, für Konfis, Eltern, Großeltern, für Menschen, die von Zeit zu Zeit in den Gottesdienst kommen, und die, die fast jeden Sonntag hier sind?

Paulus sagt:

„Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt.“

Das bedeutet: Du musst nicht perfekt sein. Du musst nicht alles im Griff haben. Du musst nicht die Welt retten. Aber eines bleibst du schuldig – jeden Tag neu: Liebe. Die Art von Liebe, die dem Nächsten nichts Böses tut, sondern sein Bestes sucht. Manchmal ganz unspektakulär. Manchmal sehr mutig.

Für Euch Konfis kann das z.B. heißen:

  • Ich mache bei einer blöden Aktion nicht mit, auch wenn alle lachen.
  • Ich schreibe meinem Klassenkameraden oder meiner Klassenkameradin, die gerade gemobbt wird, eine ermutigende Nachricht.
  • Ich spreche zu Hause aus, wenn mich etwas verletzt – ohne zurückzuschlagen.

Für Euch Eltern und alle anderen Erwachsenen kann das bedeuten:

  • Ich reduziere nicht Menschen auf ihr Etikett – „Flüchtling“, „Coronaleugner“, „konservativ“, „woke“ – sondern sehe die Person dahinter.
  • Ich engagiere mich, wo ich bin: im Verein, in der Schule, in der Gemeinde – als jemand, der Licht hineinträgt.
  • Ich ringe im Gebet um Frieden – in meiner Familie, in dieser Gemeinde, in dieser Welt – und lasse mir sagen: Du bist nicht machtlos, wenn du liebst.

Dem Stern folgen – auf ziemlich direktem Weg zu Jesus

Der Stern in der Ausstellung, der Stern in Kleppers Lied, der Stern von Bethlehem ist immer ein und derselbe Stern. Er führt immer in ein und dieselbe Richtung: zur Krippe. Dort liegt der, den Paulus das „Heil“ nennt – die Rettung, die näher ist als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Auf dem Weg zur Krippe wird sichtbar, was es heißt, Waffen des Lichts anzulegen: Gott selbst macht sich verletzlich, wird Kind, gibt seine Macht nicht ab, aber zeigt sie anders – als Liebe, die sich hingibt.

Wenn wir heute beginnen, „dem Stern zu folgen“, dann heißt das: Wir gehen bewusst mit auf einen Weg, der uns näher zu Jesus führt – in die Gottesdienste der Adventszeit, in die Begegnungen im Gemeindehaus, vielleicht auch verteilt über die Woche durch Zeiten der Stille, durch ein Adventsritual zu Hause. Und wir lassen uns fragen: Wo kann ich in diesen kommenden Wochen ein kleines Licht anzünden? Ein Telefonat, das ich längst schuldig geblieben bin. Eine Entschuldigung, die fällig ist. Eine Spende, die weh tut und gerade deshalb gut ist. Eine Stunde Zeit für jemanden, der sie dringend braucht. Das sind Schritte im Sternenlicht.

Ausblick: Beglänzt von seinem Lichte

„Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.“

Das heißt nicht: Es wird keine Nächte mehr geben. Auch Klepper sagt: Noch manche Nacht wird fallen. Aber: Die Nacht hat nicht mehr das letzte Wort über Dich, über Euch, über uns. Das Dunkel definiert uns nicht mehr. Unser aller Leben steht unter einem anderen Licht.

Wenn wir heute den 1. Advent feiern, die Ausstellung eröffnen, dann ist das wie ein gemeinsamer Start: Wir gehen los, vielleicht unsicher, vielleicht müde, vielleicht skeptisch – aber wir gehen los, dem Stern nach. Und während wir gehen, hören wir Paulus: Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. Legt ab, was dunkel ist. Zieht an, was Licht ist. Und wir hören Klepper:

„Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.“

Ich wünsche Euch und uns eine gesegnete Adventszeit, in der wir den Mut finden, uns von Gott retten zu lassen.

Amen.

Pfr. Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke

Predigt am Ersten Advent 2025 – am 30. November 2025 in der Johanneskirche zu Partenkirchen, Perikopenreihe II mit einer Predigt über Römer 13,8-12

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