Pfr. Martin Dubberke

Vom Fischnetz

47 Wiederum gleicht das Himmelreich einem Netz, das ins Meer geworfen ist und Fische aller Art fängt.  48 Wenn es aber voll ist, ziehen sie es heraus an das Ufer, setzen sich und lesen die guten in Gefäße zusammen, aber die schlechten werfen sie weg.  49 So wird es auch am Ende der Welt gehen: Die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden  50 und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein.  51 Habt ihr das alles verstanden? Sie antworteten: Ja.  52 Da sprach er: Darum gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt. (Matthäus 13, 47-52)

Geht ein Mann mit seinem Mikrofon auf den Tauentzien, postiert sich vor dem Haupteingang zum KaDeWe und stellt den Menschen, die in das Einkaufsparadies strömen, die Frage: Wie stellen Sie sich das Himmelreich vor?Was glauben Sie, wird er da für Antworten einfangen? “Ach das Himmelreich, da denke ich immer an Schäfchenwolken, süße Engel und blauen Himmel.” Ein anderer antwortet: “Na, da treffe ich dann meine ganzen verstorbenen Freunde und Verwandten wieder.” Eine junge Frau fragt zurück: “Himmelreich, ist das nicht so ein Essen mit Pflaumen oder so? Schlesisches Himmelreich. Hat meine Oma immer gekocht.” Ein älterer Herr antwortet auf die Frage: “Ach, Jott, dit Himmelreich, jibt et ‘n sowat überhaupt?” Und ein Tourist aus Neapel sagt: Das Himmelreich ist das Paradies, von dem wir hier auf Erden nur träumen können. Keine Sorgen, keine Krankheiten. Tutto bene.”

So, und dann gehen wir heute in den Gottesdienst und erfahren, daß das Himmelreich wie ein Netz ist, das ins Meer geworfen worden ist. Das ist schon ein interessantes Bild. In meiner Phantasie stellt sich das Himmelreich immer als reines. pures Sein dar, was ja dann wohl mehr meine Wunschvorstellung sein muß. Denn das Himmelreich scheint ja wohl eher einer Sortierstation zu gleichen. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen heißt es bei Aschenbrödel.

D.h., daß das Himmelreich eine ordnende, auswählende Funktion hat. Nicht jeder kann rein. Aber jeder wird eingefangen. Ich stelle mir da so ein großes Zugnetz vor, das unten mit Bleigewichten beschert auf den Boden sinkt und gleichzeitig mit Kork an der Wasseroberfläche schwebt und so eine undurchlässige Wand bildet. Alles wird eingefangen. Egal welcher Herkunft, egal welchen Geschlechts. Ich fühle mich an das Gleichnis vom Sämann erinnert. Das Evangelium, die gute Botschaft geht ist an alle Menschen gerichtet, aber nicht jeder nimmt sie an. Und so leben Gut und Böse, Gläubige und Ungläubige nebeneinander in der Welt und sie auf Erden nicht voneinander getrennt werden können. Aber gleichzeitig jeder die Chance hat, das Gute zu erkennen und anzunehmen und zu leben.

Und natürlich wird es am Ende der Welt ein Heulen und Zähneklappern geben, wenn die Menschen erkennen, daß das, was die Prediger immer erzählt haben, nun wirklich eintritt und kein Humbug ist. Die Bösen werden im Feuer enden und die Guten werden übrig bleiben. Es gab bis zu diesem Tag, diesem Point of no return, diesem Moment ohne Umkehr immer und unablässig die Möglichkeit zur Umkehr durch Beichte und Buße.   Der Mensch muß nur sagen, was er getan hat, muß es aufrichtig bereuen und umkehren oder einkehren auf den Weg des Guten und Gottgefälligen. Er muß den Point of return erreichen bevor es zu spät ist.

Doch das kann er nur, wenn er einen Lotsen hat, der ihn auf den Weg führen kann. Wenn niemand Lotse oder ein Wegweiser des Herrn ist, gibt es für viele Menschen keine Chance zur Umkehr, weil Sie weitermachen wie bisher. Und ein Lotse wiederum kann nur ein guter Lotse sein, wenn er regelmäßig die neuesten Karten studiert und so immer auf dem aktuellen Stand ist.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wozu man den neuesten Stand braucht, um im Himmelreich ankommen zu können?

Und damit schließt sich jetzt in meiner Predigt der Kreis. Ich fing mit einer fiktiven Straßenumfrage an, um deutlich zu machen, daß die meisten Menschen alles mögliche mit dem Himmelreich in Verbindung bringen, nur nicht das, was es wirklich ist. Wenn Sie aber nicht wissen, was es ist und welche existenzielle Bedeutung es haben kann, dann haben diese Menschen keine Möglichkeit zur Umkehr und enden unweigerlich im Feuer. Und ich rede hier nicht von denen, die gar nichts glauben, sondern und gerade von denen, die die Umkehr immer auf den Tag des jüngsten Gerichts verschieben. Das ist so, wie mit dem Mann, dem der Arzt Jahr ein, Jahr aus predigt, daß er mehr für seine Gesundheit tun sollte, damit er nicht vor der Zeit stirbt. Doch aus der Bequemlichkeit heraus, ändert er nichts, weil er von einem Tag zum anderen lebt, aber keine langfristige Perspektive entwickelt. Der erste Herzinfarkt könnte dann die Sprache sein, die er endlich versteht. Und die Chance nutzt, sein Leben neu auszurichten.

Und hier stellt sich für mich – als Prediger, Theologe und damit Schriftgelehrtem die Frage, ob ich diese richtige Sprache finde, dieser Sprache mächtig bin, Menschen zur Umkehr bewegen zu können. Eine Sprache zu sprechen, die andere verstehen. Gelingt es mir aus dem Schatz meines Glaubens Neues und Altes hervorzuholen? Mit alten und neuen Gedanken und Bildern die Menschen zu erreichen? Mir wird an der Stelle deutlich, daß wir als Jesu Jünger, und das sind wir alle, die wir hier in diesem Raum versammelt sind, eine enorme Verantwortung tragen. und ich spüre sie in diesem Moment geradezu auf meinen Schultern lasten. Wir alle tragen diesen wundervollen Schatz, das Evangelium in unseren Herzen aus dem jeder von uns ganz viel für sich selbst schöpft. Aber Schätze haben auch eine furchtbare Nebenwirkung. Man möchte sie gerne anderen zeigen, um seine Freude an dem Schatz zu steigern, aber die meisten fürchten dann um ihren Schatz gebracht zu werden oder verlacht zu werden, weil andere den Schatz als billigen Talmi empfinden könnten. Diese falsch verstandene Innerlichkeit macht am Ende aber zum Verlierer, wenn wir nur an das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden denken oder die Sache mit dem Licht und dem Scheffel und dem Salz der Erde.

Buß- und Bettag bedeutet daher für mich nicht nur meine Fehlbarkeiten Revue passieren zu lassen, um aus Ihnen zu lernen, zu verstehen, warum ich gefehlt habe und umkehren zu können, sondern auch Gott darum zu bitten, nicht müde zu werden, meinen Schatz wo immer zu zeigen und nicht mit Ihm hinterm Berg zu halten. Das heißt für mich aber auch meinen Glauben als eine Selbstverständlichkeit zu leben, die es möglich werden läßt, neue Bilder und Gedanken zu finden und mich immer aufs Neue verständlich zu machen.

Da sprach er: Darum gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt. Glauben heißt aus der Erfahrung des Vergangenen Neues in der Gegenwart und Zukunft vorbildhaft zu leben und zu schaffen, den Schatz nicht zu verstecken, weil ich seine Wirkung bezweifeln könnte, sondern zum Wohle aller freigiebig unters Volk zu bringen. Amen.

Termin: Buss- und Bettag 2008

PREDIGTORT: Silas-Kirche

Datum: 19.11.2008

PREDIGTTEXT: Matthäus 13, 47-52

PERIKOPENREIHE: „Der kommende Gott“ – Predigtreihe zu den Gleichnissen Jesu