Pfr. Martin Dubberke
Offner Himmel in Salzburg | Bild: Martin Dubberke

Mit Zuspruch beistehen

Das sei ferne von uns, dass wir uns auflehnen gegen den Herrn und uns heute von ihm abwenden.
Josua 22,29

Wir wollen die Versammlung der Gemeinde nicht verlassen, wie es bei einigen üblich geworden ist, sondern einander mit Zuspruch beistehen.
Hebräer 10,25

Neulich hielt ich in einer der Kirchen unserer Gemeinde einen Gottesdienst mit nur einer einzigen Gottesdienstbesucherin. Wir waren also ein Mesner, eine Organistin, eine Gottesdienstbesucherin und ein Pfarrer. Wo zwei oder drei in seinem Namen zusammenkommen, da will Jesus mitten unter ihnen sein.

Das ist dann schon ein komisches Gefühl. Natürlich habe ich nicht den Gottesdienst gehalten, den ich eigentlich vorbereitet hatte, sondern bin gewissermaßen vom Programm abgewichen. Vielleicht sollten wir öfter mal vom Programm abweichen? Ich weiß es nicht.

Jedes Mal, wenn der Briefumschlag mit den neuen Kirchenaustritten kommt, frage ich mich bei jedem einzelnen, warum er ausgetreten sein könnte. Was hat er bei uns nicht gefunden? Werde ich jemals eine Antwort darauf finden? Sie alle bekommen von mir eine schöne Karte mit dem Bild meiner Johanneskirche, einen Segensspruch, den ich geschrieben habe und der Einladung zu einem Kaffee in einem unserer Cafés. Ich habe noch nie eine Antwort bekommen.

Manchmal komme ich mir vor, wie jemand, von dem man sich per SMS getrennt hat. Tschüss! Das war’s.

Naja, und Corona hat sein Übriges dazu getan. Zuerst haben sich die Menschen nicht mehr in den Gottesdienst getraut, weil sie sich nicht anstecken wollten und allmählich haben sie sich daran gewöhnt, dass es am Sonntag auch ohne Gottesdienst geht. Da kann ich mich umhören, wo ich will. Das geht allen Kolleginnen und Kollegen so – konfessionsübergreifend.

Manchmal stelle ich mir die Frage, ob sich die Menschen von Gott abwenden oder „nur“ von der Kirche. Es gibt ja auch die, die sagen: „Ich brauche keine Kirche, um an Gott zu glauben.“

Und dann gibt es all diejenigen, die ausgetreten sind, aber doch ihre Kinder taufen lassen wollen oder heiraten wollen oder am Ende kirchlich beerdigt werden möchten. All das habe ich schon oft genug in meinem Leben erlebt.

Es ist heute ja auch sehr leicht, sich von der Kirche, von der Gemeinschaft loszusagen, sich abzuwenden, sich in die Gemeinschaft der Konfessionslosen zu verabschieden. Es gibt ja glücklicherweise keine Sanktionen mehr, wenn jemand aus der Kirche austritt. Niemand zeigt mehr mit einem Finger auf diejenigen, die diesen Schritt gegangen sind. Und das ist auch gut so. Aber wer der großen Gemeinschaft der Ausgetretenen beitritt, erlebt darin keine Gemeinschaft.

Und vielleicht hat er auch zuvor bei uns in der Kirche schon keine Gemeinschaft mehr erlebt, keinen Zuspruch, keinen Beistand erhalten und damit den Bezug zur Relevanz in seinem eigenen Leben verloren.

Und manchmal – das ist auch mein Gefühl – haben die Menschen einfach auch Erwartungen, die man gar nicht erfüllen kann. Nicht, weil sie so hoch sind, sondern, weil sie gar nicht erst ausgesprochen werden. Ich erinnere mich hierbei an ein Gespräch, dass ich hatte, als ich noch ziemlich neu in meiner Gemeinde war. Da sagte mein Gegenüber zu mir: „Als es mir nicht gut ging, sind Sie nicht zu mir gekommen.“ – „Ich wusste aber gar nicht, dass es Ihnen nicht gut ging.“ – „Das hätten Sie aber wissen müssen.“ – „Nein. Der liebe Gott hat mich zwar mit vielen Gaben gesegnet, aber nicht mit dieser Gabe. Ich kann nicht ahnen oder wissen, dass es Ihnen schlecht geht, wenn Sie es mir nicht sagen. Sie erwarten doch auch nicht von Ihrer Ärztin, dass sie Sie anruft, weil sie die Eingebung hatte, es könnte Ihnen schlecht gehen. Wenn es Ihnen nicht gut geht, machen Sie doch einen Termin bei Ihrer Ärztin. Sie hätten sich doch jederzeit an mich wenden können und dann wäre ich für Sie da gewesen.“

Aber, mal Hand aufs Herz, eigentlich ist das schon immer so gewesen. Denken wir doch nur an die alten Israeliten, die aus Ägypten ausgezogen sind. Ich weiß, die spielen in dieser Woche immer wieder eine wichtige Rolle. Was haben die denn gemacht? Die haben gemurrt, haben sich von Gott abgewandt – wir würden heute sagen: „Sie sind aus der Kirche ausgetreten.“ Und sie haben das getan, weil sie von Gott enttäuscht waren, weil der einfach nicht das getan hat, was sie wollten und erwartet haben. Sie waren auch mit Mose nicht immer glücklich, weil der auch nicht das getan hat, was sie wollten. Naja, nicht jedes Mitglied der Gemeinde ist mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin glücklich, was zuweilen ja auch dazu führt, dass sich jemand von der Gemeinde abwendet und austritt. Also, alles nichts Neues.

Mose hat da manchen Spagat aushalten müssen. Und wir können von ihm lernen, in und mit Geduld all das auszuhalten und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Und aushalten können wir das, weil wir den Zuspruch Gottes haben und aus der Gemeinschaft der Glaubenden immer wieder neue Stärke erfahren, um miteinander mit seiner Hilfe diese Welt in seinem Sinne ein wenig besser werden zu lassen.

Pfarrer Martin Dubberke, Gedanken zu Losung & Lehrtext vom 16. Juni 2023

Pfarrer Martin Dubberke
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