Predigt über 1. Johannes 1,5-2,6 am 3. Sonntag nach Trinitatis
Sie haben gewählt und sind mal wieder enttäuscht?
Die Politiker, die Kandidaten, haben mal wieder das Blaue vom Himmel versprochen. Der eine sagt: „Wir sagen der Arbeitslosigkeit den Kampf an. Wir werden neue Arbeitsplätze für Deutschland schaffen!“ Der andere verspricht: „Wir werden dafür sorgen, dass die Renten angepasst werden und die Kaufkraft erhalten bleibt.“
Wieder eine andere Partei verspricht: „Wir sorgen für Sicherheit auf den Straßen. Niemand soll mehr Angst haben, wenn er auf die Straße geht!“ Oder: „Wir werden, wenn Sie uns wählen und endlich Regierungsverantwortung übernehmen für gerechte Löhne sorgen. Mit uns gibt es einen garantierten Mindestlohn!“ Oder: „Wir werden den Immobilienspekulanten und Miethaien das Handwerk legen. Wir werden bezahlbare Wohnungen schaffen!“
Tja, und dann glauben Sie vielleicht dem einen oder anderen Wahlversprechen, weil sie gerne eine Rentenerhöhung haben möchten, weil ihre Miete wieder gestiegen ist und die Heizungs- und Stromkosten ebenfalls teurer geworden sind. Außerdem müssen sie sich auch mal wieder die Zähne machen lassen, und, und, und…
Dann ist die Partei gewählt worden. Der Politiker ist im Amt. Es vergeht das erste Jahr. Es vergeht das zweite Jahr, das dritte und vierte und nichts ist geschehen. Aus der Reform ist ein Reförmchen geworden. Das Versprechen erwies sich als nicht haltbar. Das Versprechen wurde zwischen Kompromissen und Sachzwängen zerrieben. Als Wähler, der den anderen doch gewählt hatte, weil er versprochen hatte, das umzusetzen, was er versprochen hatte, sind wir enttäuscht. Wir wählen das nächste Mal einen anderen, der wieder keines seiner Versprechen hält und irgendwann gehen wir vielleicht nicht mehr zur Wahl, weil wir resigniert haben und sagen: Hat ja alles keinen Sinn.
Es gibt so viele Wahl- und Politikerversprechen, die wir in unserem Leben gehört haben und es gibt so viele Versprechen, die uns gelockt haben und auch noch locken werden. Es gibt so viele Wahlversprechen, die gebrochen worden sind und uns enttäuscht haben. Wir glauben doch keinem Politiker, wenn er den Mund aufmacht. Und dabei ist es vollkommen egal, ob er sozial, christlich, grün, links, liberal oder piratisch gestrickt ist. Wir sind enttäuscht, weil wir nicht das bekommen haben, was wir gewählt haben.
Wir geben ja auch jeden Sonntag ein Versprechen ab: „Ich glaube an Gott, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde…“
Mit diesem Versprechen – unserem Bekenntnis – bekennen wir uns zu dem, was Jesus uns gelehrt hat. Mit diesem Bekenntnis verpflichten wir uns unter anderem zu dem, was bei Matthäus 28:19-20 steht:
„Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Und, machen wir das? Seien wir doch mal ehrlich! Ich weiß doch selbst, wie lange ich mich versteckt habe, als ich mal ein Unternehmen geleitet habe, das nicht zur Kirche gehört hat, weil ich Angst hatte, dass meine Fachlichkeit in Frage gestellt werden könnte.
Das war immer ein Konflikt, den ich mit mir rumgetragen habe, bis ich in eine Situation kam, in der ich nur mit Hilfe einer biblischen Geschichte etwas erklären konnte. Seitdem habe ich nie mehr einen Hehl daraus gemacht, was ich bin und glaube.
Mein Glaube ist eine besondere Kraft, die ich habe und aus der heraus ich lebe und mich auch erklären kann. Und das besonders in einer Zeit, wo viele mit dem christlichen Glauben nichts mehr anfangen können, weil sie ihn gar nicht mehr kennen.
Es gibt aber noch ein anderes Versprechen, das ich mit meinem Glaubensbekenntnis abgegeben habe: „Liebe deinen nächsten wie dich selbst!“
Gott, ja wirklich, Gott, wie oft habe ich das schon gebrochen, weil ich ein fehlbarer Mensch bin. Fragen Sie mal meine Frau, wie oft es mir passiert, dass ich ungerecht oder auch egoistisch reagiere.
Was glauben Sie, wie es wohl dem lieben Gott mit meinen vielen gebrochenen Versprechen geht? Versprechen, die ich gebrochen habe, weil es mir gerade nicht in den Kram passte, weil ich egoistisch war, weil es bequemer oder ungefährlicher war, weil ich gerade schlampig und unkonzentriert war. Und was glauben Sie, wie es ihm geht, wenn ich dann plötzlich auf der Kanzel stehe und predige, ohne, dass ich mir dessen bewusst gewesen bin oder gar meine Verfehlungen bekannt habe…
Wie oft habe ich einfach versucht, mich in der Finsternis zu verstecken. Am Ende gelingt es mir dann doch nicht, weil es bei Gott keine Finsternis geben kann. Wo Gott ist, da ist auch Licht, so dass ihm nichts verborgen bleiben kann.
Es kann also nicht sein, dass wir einfach hier in die Kirche oder die Gemeinde kommen, das Wort Gottes hören, es die eine oder andere Stunde schön haben, und dann wieder nach Hause gehen. Wer von uns, von Ihnen, fragt sich denn nach dem Gottesdienst, wie er das Gehörte in seinem Leben fruchtbar machen kann. Was bringt es mir, hier zu sein und vor allem, was bringt es draußen, außerhalb der Kirchenmauern, wenn ich hier gewesen bin?
Bin ich nur deshalb ein besserer Mensch, weil ich heute im Gottesdienst gewesen bin? Reicht es aus, regelmäßig in den Gottesdienst zu gehen, um vor Gott und der Welt Bestand zu haben? Oder sind wir nichts viel anders als die Politiker, über die wir uns immer wieder ärgern?
Dann lassen Sie uns mal sehen, was wir heute aus dem Predigttext lernen können:
1. Johannes 1:5 – 2:6
Und das ist die Verkündigung, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen, daß Gott Licht ist und in ihm ist keine Finsternis. 6 So wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. 7 So wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. 8 So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. 9 So wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend. 10 So wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
1 Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf daß ihr nicht sündiget. Und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist. 2 Und derselbe ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren sondern auch für die der ganzen Welt. 3 Und an dem merken wir, daß wir ihn kennen, so wir seine Gebote halten. 4 Wer da sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit. 5 Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, daß wir in ihm sind. 6 Wer da sagt, daß er in ihm bleibt, der soll auch wandeln, gleichwie er gewandelt hat.
„Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis.“ Es gibt in Gott nichts Verborgenes. Gott hat keine dunklen und geheimen Seiten. Gott ist Licht und in seinem Licht wird deutlich, was andere gerne verbergen möchten. Die Nächstenliebe ist so ein Scheinwerfer Gottes. Schauen Sie mal, was passiert, wenn Sie einem Menschen, der sie nervt, den sie am liebsten einen Kopf kürzer machen wollen, in Nächstenliebe begegnen.
Sie wollen wissen, was in diesem Fall Nächstenliebe bedeutet? In einer solchen Situation könnten wir zum Beispiel mal ganz einfach uns selbst fragen, was die Ursache wäre, wenn ich nerven würde. Nächstenliebe bedeutet in diesem Fall, sich dem anderen zuzuwenden – auch wenn es verdammt schwer fällt. Das bedeutet, sich in ihn hineinzuversetzen. Das bedeutet auch, zu fragen, was ich selbst dazu beigetragen haben könnte, dass er mich jetzt nervt. Manchmal sind Menschen ja nur deshalb unfreundlich, weil jemand anderes zu ihnen unfreundlich gewesen sind, oder er Kopfschmerzen hat oder einfach etwas passiert ist, was nichts mit uns zu tun hat. Nächstenliebe bedeutet die Herausforderung, etwas nicht persönlich zu nehmen. Wenn uns das gelingt, dann sind wir auf dem Weg, der aus der Finsternis herausführt. Wenn uns das gelingt, dann sind wir auch auf dem Weg in die Gemeinschaft.
Und dann kommt noch ein anderer Aspekt, mit dem wir wieder auf den Boden der Tatsachen, also in die Realität zurückgeholt werden. Der Autor des Johannesbriefes sagt, dass uns das Blut Jesu nicht automatisch von allen Sünden gereinigt hat, sondern wir nach wie vor zur Sünde fähig sind und als Vorraussetzung zur Reinigung, uns auch zu unserer Sünde, zu unseren Verfehlungen und gebrochenen Versprechen bekennen müssen. Wir müssen sie aussprechen, benennen und dazu stehen. Eine Verfehlung zu bekennen, heißt nicht zu sagen: „Der andere ist daran schuld, dass ich so gehandelt habe. Wenn der das nicht getan hätte, hätte ich da auch nicht getan.“ Schuld zu bekennen, heißt nicht, Schuld zu verschieben. Niemand kann sagen: Ich habe nicht gesündigt. Schon allein das ist eine Lüge und damit eine Sünde. Der Mensch ist fehlbar. Das ist so in ihn eingebaut.
Es handelt sich also hierbei keineswegs um einen Automatismus. Jesu Blut ist nicht gleichzusetzen mit einem vollautomatischen Super-Porentief-Reinwaschgang.
Und der Autor des Johannesbriefes schreibt dann noch etwas sehr Tröstliches: „Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf daß ihr nicht sündiget. Und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist.“
Der Autor weiß, dass der Mensch es sich noch so sehr vornehmen kann, nicht zu sündigen und am Ende ist er dann doch Mensch genug, um fehlbar zu sein. Und wenn das passiert, dann haben wir in Jesus einen Fürsprecher bei Gott unserem Vater, der wie ein großer Bruder ein gutes Wort für uns einlegt.
Wenn ich mich zu Jesus Christus, Gott, dem Vater und dem Heiligen Geist bekenne, dann akzeptiere ich auch die damit verbundenen Gebote. Diese Gebote markieren meine Grenzen und die Grenzen meines Gegenübers. Sie sind Richtschnur meines Handelns. Sie geben mir Orientierung. Sie zeigen mir, was richtig und was falsch ist. Sie zeigen mir, wo die Sünde beginnt und ich die Gemeinschaft mit den anderen und mit Gott verlasse.
Die Gebote sind eine tägliche Herausforderung an mich. Die Gebote fragen mich auch, warum mir etwas anderes vielleicht wichtiger sein könnte. Ich lerne mich durch die Gebote auch in der Tiefe meiner Bedürfnisse und Ängste kennen. Kenne ich aber meine Bedürfnisse und Ängste, kann ich leichter die Gebote Gottes halten, weil sie mich von meinen Ängsten befreien.
Und dann wird das Wirklichkeit, was der Autor des Johannesbriefes schreibt: „Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, daß wir in ihm sind. Wer da sagt, daß er in ihm bleibt, der soll auch wandeln, gleichwie er gewandelt hat.“
Wer sagt: Ich bin ein Christ, der soll auch so leben, wie Jesus gelebt hat. Jesus war authentisch. Was er geglaubt hat, hat er auch gelebt. Was er gelehrt hat, hat er auch gelebt. Es gab da keine Diskrepanz zwischen Lehre und Leben. Von Jesus haben wir gelernt, den Dingen auf den Grund zu gehen, nichts so zu nehmen, wie es sich zuerst darstellt. Wenn die Pharisäer gekommen sind und gesagt haben, dass man am Sabbat keine Ähren raufen darf, hat sich Jesus nicht einfach von ihrer Autorität einschüchtern lassen, sondern geantwortet, dass der Sabbat nicht um Gottes, sondern um des Menschen willen da ist. Wie Jesus zu leben, heißt also auch, sich nicht von vermeintlichen Autoritäten einschüchtern zu lassen, sondern selbstbewusst zu hinterfragen, warum etwas so ist, wie es ist und dann festzustellen, was der eigentliche Sinn und die eigentliche Absicht ist, die damit verbunden ist. Unser Ziel ist es, den Widerspruch zwischen Bekenntnis und Leben aufzulösen. Mein Leben ist mein Bekenntnis.