Liebe Geschwister, ich stelle mir manchmal die Frage, wie oft ich vielleicht schon in meinem Leben Jesus gegenübergestanden haben könnte, ohne es gemerkt zu haben.
Maria Magdalena ging es im ersten Moment nicht anders. Nur als er sie beim Namen nennt, erkennt sie ihn.
Die Geschichte von Maria Magdalena ist für mich eine Geschichte mit einer Erfahrung und einem Auftrag. Maria macht eine ganz besondere Erfahrung: Sie begegnet als erste dem auferstandenen Jesus Christus. Etwas, das kaum zu glauben ist, und doch in dem Moment die gleiche Selbstverständlichkeit hat, wie die vielen anderen Wunder, die Jesus Christus gewirkt hat, aber nun ist er selbst das Wunder, das das Wunder des Glaubens in uns geschehen lässt. In dem Moment als Jesus Maria bei ihrem Namen ruft, erkennt sie ihn und sie steht dem Auferstandenen gegenüber. Aus Trauer wird von einem Moment zum anderen Hochfreude. Wie ist das denn, wenn mit einem Mal alle Trauer und Verzweiflung von uns abfällt? – Wir fühlen uns energetisch aufgeladen, stark, zuversichtlich, großartig, unglaublich gut und vor allem erleichtert. Du spürst mit einem Male die über alles beglückende Wirkung des Glaubens, die noch viel beeindruckender ist, als die Flugzeuge, die wir im Bauch haben, wenn wir uns verlieben. Wir fühlen uns einfach nur stark.
Als uns vor vier- oder fünfundfünfzig Jahren mein Religionslehrer diese Geschichte erzählte, stand er nicht nur in der langen Ahnenreihe derer, die den einst von Maria Magdalena übernommenen Auftrag von Jesu Auferstehung zu erzählen, weitergeführt hat. Auch er hatte einmal in seinem Leben gewissermaßen diesen Staffelstab übernommen, um ihn weiterzugeben. Ein Staffelstab, der seit zweitausend Jahren ununterbrochen von Millionen von Menschen weitergegeben worden ist. Und das nur, weil eine einzige Frau, das getan hat, worum sie Jesus Christus gebeten hatte. Sie erzählte von dem, was sie erlebt hatte.
Aber es ist nicht nur die Erinnerung, an diese Erzählung von damals, sondern es ist auch die Erinnerung an die Bilder, die ich damals hatte, als ich gewissermaßen wie Maria, plötzlich erfuhr, dass Jesus auferstanden war.
Die ganzen Wochen zuvor hatte uns unser Religionslehrer – Ihr wisst schon, der Herr Pelzer mit dem grauen Anzug und den exakten Bügelfalten – vom Leben und Wirken Jesu erzählt. Und wir hingen mit unseren Ohren an seinem Mund, weil er so spannend erzählen konnte. Wir litten mit dem Verrat durch Judas. Wir litten um unseren Helden Jesus, als er gefoltert und gekreuzigt wurde. Und wir trauerten, als er mit einem Male tot war. Für uns war damals jede Geschichte, die Herr Pelzer von Jesus erzählte eine Erstbegegnung und keine Wiederholung. Wir wussten nie, wie die Geschichte weitergehen würde. Und dann starb mit einem Male unser Held. Was sollten nun für Geschichten und Abenteuer noch kommen. Und dann kam diese Geschichte von der Auferstehung. Ich weiß noch wie heute, wie mich das damals begeistert und erleichtert hat. Halleluja, die Geschichte ging weiter. Der ist echt von den Toten auferstanden. Und ich hatte das irrige Bild vor Augen, dass mir Jesus jederzeit, wenn ich mit meiner Oma auf den Friedhof ging, hinter einer Hecke begegnen konnte. Ja, es gab damals und auch noch heute ein Grab auf diesem alten Friedhof, wo nun auch schon seit zehn Jahren mein Vater ruht, auf dem Jesus lebensgroß steht. Und irgendwie dachte ich damals immer: Ja, so muss Jesus aussehen und ich werde ihn irgendwann mal auf einem Friedhof treffen.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals wieder in meinem Leben so unmittelbar dieses Wunder der Auferstehung erlebt zu haben, wie damals, als ich zum ersten Mal dieses im wahrsten Sinne des Wortes überraschende Happy End gehört habe, das ein fröhlicher Beginn ist. Jedes weitere Ostern wurde zu einer Erinnerung an dieses erste Erleben. Aber ich gebe zu, dass mir das in diesem Jahr besonders nahe geht. Vielleicht liegt es daran, dass auch mich es Kraft kostet, dass wir Tag für Tag erleben, wie sehr diese Welt sich mittlerweile von Ostern entfernt hat und wir als Welt, als einzelne Menschen bedürftig geworden sind, bedürftig nach Trost und Zuversicht, nach Zuspruch und Hoffnung, nach gesehen werden in unserer Trauer und beim Namen genannt zu werden.
Aber ich vergaß noch etwas. Ich sagte ja, dass die Geschichte von Maria Magdalena die Geschichte einer tiefen Glaubenserfahrung gewesen ist, aber auch die Geschichte eines Auftrags, mit der wir alle hier in einer Linie mit Maria Magdalena stehen. Denn von der Auferstehung wissen, heißt auch, von der Auferstehung zu erzählen. Ich habe damals gewissermaßen den Staffelstab des Erzählens von meinem Religionslehrer übernommen. Und den ersten, denen ich es damals erzählt habe, waren meine Eltern. Aber die kannten die Geschichte schon.
Doch dieses Urerlebnis hat dazu geführt, dass ich heute hier vor Euch stehe und nun meinerseits von der Auferstehung Jesu Christi erzähle.
Der Auferstandene begegnet uns im Erzählen.
Was passiert, wenn Ihr Euch an Eure erste Begegnung mit dem Auferstandenen erinnert? Was habt Ihr damals gefühlt, als Ihr zum ersten Mal von der Auferstehung Jesu Christi gehört habt?
Naja, und wenn Ihr das erst heute erlebt habt, dann behaltet dieses gute Gefühl bei Euch im Herzen und erzählt es weiter. Denn diese Kraft, neu anfangen zu dürfen, neu und frei zu sein, weil sich jemand, weil sich Jesus Christus hat umbringen lassen, damit der Blick auf Gott wieder frei werden möge, verändert uns und lässt uns anders mit den Problemen dieser Zeit, die uns an den Rand des Wahnsinns und der Verzweiflung treiben, umgehen. Wir werden frei. Nein! Wir sind frei und das schon seit zweitausend Jahren, weil uns Jesus Christus befreit hat. Und vor dieser Freiheit haben auch die Pharisäer unserer Zeit Angst, und zwar eine solche Angst, dass sie den Menschen diese Freiheit nehmen wollen. Und das Verrückte ist, dass wir das auch noch zulassen.
Wir sollen erzählen! Wir sollen erzählen, dass Jesus Christus auferstanden ist. Wir sollen von diesem größten Wunder erzählen, weil wir mit jedem Erzählen daran erinnern, dass das Gute durch Jesus Christus in dieser Welt nicht totzukriegen ist. Es steht auf und auf und immer wieder auf.
Mit jedem Erzählen sprechen wir einander Mut zu. Mit jedem Erzählen erinnern wir einander, dass es keinen Grund gibt, sie wie die Jünger nach der Kreuzigung Jesu zu verstecken. Mit jedem Erzählen erinnern wir an das Handeln Jesu Christi, der offen die Heuchelei der Führer kritisiert hat, der die Gottes Gnade und Liebe über die strikte Einhaltung von Gesetzen stellte, was die Position der Mächtigen gefährdete.
Unser Erzählen lässt Jesus Christus wieder in seiner Popularität wachsen. Je mehr wir erzählen, desto mehr Menschen werden sich seine Lehren zu Herzen nehmen und diese mit Leben erfüllen. Damit werden wir vielleicht nicht im ersten Anlauf die Machtpositionen von Despoten im Westen wie im Osten gefährden, aber wenn wir anfangen, untereinander liebevoller miteinander umzugehen, mehr Rücksicht auf den anderen zu nehmen, ihn wertzuschätzen, verändert das mehr, als wir jetzt vielleicht glauben wollen. Es wird am Ende nämlich alles verändern.
Ja, wir leben seit Jahren in einer schwierigen Phase nach der anderen, eigentlich in einer Dauerkrise. Ich muss die jetzt gar nicht alle beim Namen nennen, weil wir wissen, worum es geht.
Von Maria Magdalenas Geschichte, ihrem Erleben des leeren Grabes, ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen und dem Auftrag davon zu erzählen, geht ein lebendiger Ruf an uns alle, hier drinnen und da draußen, in diesen schwierigen Zeiten nicht zu resignieren, sondern in der Gewissheit Trost zu finden, dass jemand uns wirklich kennt und uns eine neue Perspektive anbieten kann. Und dieser Perspektive ist der auferstandene Jesus Christus. Diese Perspektive macht den Osteraufruf zu einem zutiefst persönlichen Erlebnis – jedem von uns wird so signalisiert, dass in unserer dunkelsten Stunde das Licht unerwartet leuchten kann.
Und genau das ist das, was uns die Geschichte von Maria Magdalena erzählt. Als Jesus nicht nur ermordet worden war, sondern auch aus seinem Grab verschwunden schien, als hätte es ihn nie gegeben, als Maria Magdalena zu glauben begann, alles sei verloren, wird sie plötzlich bei ihrem Namen angesprochen – ein Moment des Wiedererkennens und Erwachens, in dem alles neu zu beginnen scheint, der Moment, in dem sie nicht nur vom Auferstandenen gesehen wird, sondern selbst Jesus Christus als den Auferstandenen von Angesicht zu Angesicht, Auge in Auge sieht.
In diesem Augenblick wird deutlich, dass Ostern nicht nur ein Datum oder ein Ereignis ist, sondern ein innerer Prozess, in dem wir, genauso wie Maria Magdalena, den Übergang von Trauer und Verzweiflung zu Hoffnung und Lebensfreude erleben.
Ostern beginnt nicht nur mit der Auferstehung Jesu, sondern auch mit dem Mut, in unserem eigenen Leben neu anzufangen – auch wenn es schwerfällt.
Wir sind nicht machtlos. Ostern ist nicht nur ein Fest, sondern ein Aufruf. Ein Appell Gottes, aufzustehen, den Blick zu heben und zu erkennen, dass auch wir berufen sind, das Licht der Auferstehung Jesu Christi in die Welt zu tragen.
Und das Licht der Auferstehung ist, das Licht, dem wir nachfolgen, ist Jesus Christus, der selbst einmal gesagt hat:
Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Johannes 8,12
KERZENMEDITATION:
Halleluja!
Der Herr ist auferstanden!
Er ist wahrhaftig auferstanden!
Halleluja!
Lasst uns die Freude über Gott feiern!
Lasst unsere Herzen fröhlich sein in dem Herrn!
Halleluja & Amen.
Pfr. Martin Dubberke
Predigt am Ostersonntag 2025, 20. April 2025, in der Johanneskirche, Perikopenreihe I, Johannes 20,11-18
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