Pfr. Martin Dubberke
Karfreitag 2025 | Bild: Martin Dubberke©

Also hat Gott die Welt geliebt

Liebe Geschwister, wann immer wir uns dem Karfreitag annähern, nähern wir uns dem Ereignis aus der österlichen Perspektive an. Wir können kaum anders, weil wir Kinder der Auferstehung und des österlichen Lichts sind. Sonntag für Sonntag bekennen wir:

Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Können wir da noch nachempfinden oder überhaupt erfassen, was es bedeutet hat, dass Jesus gefoltert, verspottet und auf die brutalste Art und Weise ermordet wurde?

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir miteinander die Perspektive ändern. Und so mit einem Male bei unseren eigenen Ängsten ankommen, die wir heute auch haben.

Jesus Christus hat den Menschen um sich herum Hoffnung gegeben. Er hat ihnen Orientierung gegeben. Dieser Mann hat unbegreifliche Wunder gewirkt, gesellschaftliche Grenzen in Frage gestellt und auch die religiöse Betonfraktion in Unruhe versetzt.

Jesus war ein Hoffnungsträger. Eben noch, vor wenigen Tagen, haben wir symbolisch die Palmbuschen in die Johanneskirche hineingetragen, mit denen Jesus als der erhoffte König in Jerusalem begrüßt worden ist. Da rief man noch Hosianna. Da glaubten die Massen noch, dass dieser Mann sie befreien würde, dass er das ganze System sprengen würde und ein Leben beginnen würde, das von vielen Sorgen befreit wäre und ihr König werden würde, der ihnen die Freiheit im Denken, Leben, Glauben ermöglichen würde.

Doch nichts von dem geschah. Ein letztes gemeinsames Abendessen mit seinen Jüngern, von denen ihn dann einer an das System verriet. Und dann ging alles ganz schnell. Schneller als es die Jünger glauben und wahrhaben wollten. Kaum, dass man sich versah, schlug die Stimmung um und Jesus wurde verhaftet. Das Volk forderte nun seinen Tod und das Volk bekam, was es wollte: Seinen Tod.

Nun hing dieser Mann am Kreuz, festgenagelt, fixiert. Der Mann, der Tote auferweckt hatte, der Brot und Fische vermehrt hatte, der Wein aus Wasser gemacht hatte, der Stürme gestillt hatte, der mehr als einmal in seinem Leben gezeigt hat, was in seiner Macht steht, der hing nun an diesem Kreuz und die Soldaten verteilten seinen Besitz unter sich und losten um sein Gewand.

Im Tod war er nun das, was das Volk von ihm wollte und was Pilatus als Schild in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache an sein Kreuz genagelt hatte:

Der Juden König.

Ausgerechnet der Statthalter der Besatzer hatte Jesus Christus zum König gemacht und die Folterknechte ihn gekrönt und das Kreuz wurde ihm zum Thron.

Wem waren wir da vor zweitausend Jahres aufgesessen?  So ein Mann der Wunder kann nicht an einem Kreuz sterben!

Ohne, dass wir es vor zweitausend Jahren ahnen konnten, dass gerade an diesem Kreuz unsere Hoffnung, unsere Befreiung und Neuanfang geboren wurde, starb an jenem Karfreitag an diesem Kreuz all unsere Hoffnung. Aus! Vorbei! Schluss! Das war‘s. Finito. Vollkommene Enttäuschung, Niedergeschlagenheit, Depression, Angst. Die Jünger in Jerusalem hatten Angst als Nächste abgeholt und genauso qualvoll ermordet zu werden, so dass sie sich heimlich hinter verschlossenen Türen trafen. Die Geschichte der Emmausjünger, erzählt plastisch die Niedergeschlagenheit und auch Perspektivlosigkeit, derer, die ihr Leben auf Jesus gesetzt hatten.

Eigentlich alles so wie heute. Alles eine große Enttäuschung.

Und wenn wir jetzt, uns in diese Situation hineinspüren, wir können uns mit dem Blick auf das Kruzifix, das von unserer Decke herabhängt, genau in die Perspektive derer zurückversetzen, die am Berge Golgatha vor dem Kreuz standen und zu Jesus aufsahen, die sahen, wie er elendlich und qualvoll starb. Was passiert, wenn wir uns in diese Situation hineinspüren. Welchen Ängsten begegnen wir?

Wenn wir das zulassen, dann sind wir mit einem Male den Jüngern Jesu und den Menschen, die Jesus gefolgt sind, ganz nahe, weil ich glaube, dass wir heute ähnliches erleben, dass Gewissheiten, von denen wir glaubten, dass sie sicher sein, sich spürbar aufgelöst haben. Ich glaube, dass wir heute in einer Zeit leben, in der es uns nicht anders geht als den Emmaus-Jüngern. Wir sind verängstigt, verstört, verunsichert und pessimistisch geworden. Uns kostet die Welt um uns herum mit ihren Despoten, die aus ihren Reichen in unsere Länder, in unser kleines, privates Leben hineinregieren und den hilflosen, weil schier zur Ohnmacht verurteilten Politikern, und die Auflösung der Ordnung, die uns Sicherheit gegeben hat, mehr Kraft an Leib und Seele, als wir es manchmal gerne zugeben wollen. Die Szenarien, die sich um uns auftun, erschüttern unser Vertrauen in die Zukunft. So und nun sind wir dem Geschehen auf dem Golgatha mit einem Male ganz nah. Und wenn wir ganz ehrlich sind, ist das kaum auszuhalten.

Aber wir halten das aus. Wir halten das aus und geben die Hoffnung nicht auf, weil wir anders als die Menschen am Karfreitag vor rund zweitausend Jahren um Ostern und die Auferstehung Jesu wissen, weil wir wissen, dass das Böse nie das Gute besiegen kann, weil das Gute nicht totzukriegen ist. Und genau das, hat uns Jesus durch seine Auferstehung, die wir in drei Tagen als Fest der Freude und Ermutigung feiern werden, bewiesen. Mit der Auferstehung Jesu wird unser Pessimismus zu Grabe getragen und unser Optimismus, unser Lebensmut aus dem tiefsten Innern unseres Glaubens heraus erweckt. Noch spüren wir die Last, wenn wir gleich das Lied „Holz auf Jesu Schulter“ singen werden. Doch mit der sechsten spüren wir schon die ersten Anzeichen von Ostern:

Hart auf Deiner Schulter
lag das Kreuz, oh Herr,
ward zum Baum des Lebens,
ist von Früchten schwer.
Kyrie eleison, sieh wohin wir gehen.
Ruf uns aus den Toten,
lass uns auferstehn.

Amen.

Pfr. Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke

Predigt am Karfreitag in der Johanneskirche zu Partenkirchen am 18. April 2025, Perikopenreihe I, Johannes 19,16-30

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