Pfr. Martin Dubberke
Quasimodigeniti 2025 | Bild: Martin Dubberke©

Lebendige Hoffnung

Liebe Geschwister, was verbindet uns heute am Sonntag Quasimodogeniti mit dem Sonntag Quasimodogeniti am 8. April 1945 in Schönberg im Bayerischen Wald?

Vier Wochen vor Kriegsende wurden über Deutschland die letzten Luftangriffe geflogen. Am 9. April eroberte die Rote Armee Königsberg. Der Krieg lag in den letzten Zügen und eigentlich wussten alle, dass es nur noch eine Frage von Tagen sein würde, bis der Krieg endlich vorbei sein würde. Und dennoch ging von Seiten des NS-Regimes das Morden ungebremst weiter. Das Regime wollte nicht untergehen, ohne noch im letzten Moment seine Gegner aus dem Weg zu räumen, damit sie einem Deutschland nach dem Untergang der Nazi-Diktatur nicht mehr zur Verfügung stehen können.

Und so wurde am 5. April 1945 während der Mittagsbesprechung bei Adolf Hitler, besprochen, wer aus der Widerstandsprominenz – wie man in der Runde sagte – „erledigt“ werden solle. Zu diesen Menschen gehörte auch Dietrich Bonhoeffer.

Bonhoeffer war seit dem 3. April vom KZ Buchenwald aus mit einem Gefangenentransport unterwegs, als er am 6. April in dem kleinen Ort Schönberg im Bayerischen Wald ankam.

Zusammen mit anderen politischen Gefangenen wurde er dort in dem kleinen Schulhaus untergebracht, hinter dem sich heute die kleine Dietrich Bonhoeffer-Kirche befindet. Eine kleine Gedenktafel erinnert daran, dass Dietrich Bonhoeffer von dort aus am 8. April abgeholt wurde, um am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet zu werden. Auf dieser Tafel wird Dietrich Bonhoeffer als Blutzeuge Jesu Christi bezeichnet.

Die Marktgemeinde Schönberg ist bis heute stark von diesen drei Tagen geprägt. Ich kenne den Ort ganz gut, weil ich dort einmal Kurprediger gewesen bin und erst vor zwei Wochen wieder dort gewesen bin, um einen Vortrag über Dietrich Bonhoeffer zu halten.

In dieser Schule, in der Dietrich Bonhoeffer untergebracht war, hielt er an jenem Sonntag Quasimodogeniti seine letzte Andacht. Er tat dies, weil ihn seine Mithäftlinge darum gebeten hatten, eine Morgenandacht zu halten. Er tat dies aber nicht sofort, sondern erst, nachdem auch der atheistische russische Mitgefangene Kokorin sich dieser Bitte angeschlossen hatte. Bonhoeffer sprach die Texte, die für den Sonntag Quasimodogeniti vorgesehen sind und legte die Losung des Tages aus Jesaja 53,5 zusammen mit dem Lehrtext aus dem 1. Petrus 1,3 aus:

»Durch seine Wunden sind wir geheilt«
Jesaja 53,5

»Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.«
1. Petrus 1,3

Es ist nicht überliefert, was Dietrich Bonhoeffer gesagt hat, aber als kurz nach dieser Andacht Bonhoeffer abgeholt wird, um in Flossenbürg ermordet zu werden, gibt er seinem Mitgefangenen Payne Best, einem britischen Nachrichtenoffizier eine Nachricht für seinen Freund Bishop Bell mit auf den Weg:

„Bitte überbringen Sie diese Nachricht von mir an den Bischof von Chichester, sagen Sie ihm, für mich ist dies das Ende, aber auch der Anfang – mit ihm glaube ich an den Grundsatz unserer universalen christlichen Brüderlichkeit, der über allem Hass zwischen den Völkern steht, und dass unser Sieg gewiss ist …“

Dietrich Bonhoeffer hält angesichts seiner bevorstehenden Ermordung fest an seinem Glauben und dem Vertrauen auf den endgültigen Sieg des Reiches Gottes auf Erden über allen Unfrieden und Hass zwischen den Völkern.

Ihr erinnert Euch an meine Eingangsfrage? – Was verbindet uns heute am Sonntag Quasimodogeniti mit dem Sonntag Quasimodogeniti am 8. April 1945 in Schönberg im Bayerischen Wald?

Dieses Vertrauen und diese Hoffnung sind das, was uns mit jenem Sonntag im April 1945 verbinden darf. Natürlich ist die Situation heute eine vollkommen andere als im April 1945. In Deutschland tobt kein Krieg. Niemand muss gerade Angst haben, dass morgen sein Haus nicht mehr steht, dass er morgen Opfer eines Raketenangriffs wird. Wir leben nicht in einer Diktatur, sondern in einer Demokratie mit all ihren Stärken und aktuell auch spürbaren Schwächen. Es muss niemand fürchten, wegen eines regierungskritischen Satzes abgeholt und inhaftiert zu werden.

Und dennoch leben wir in großer Sorge, weil wir nicht wissen, was aus dem Krieg in der Ukraine wird. Wir wissen nicht, was Putin noch so alles plant. Wir wissen es nicht, aber wir fürchten es. Wir wissen nicht, wie sich Trump verhalten wird. Aber wir fürchten es. Wir wissen nicht, ob wir demnächst eine neue Regierung haben werden und wenn, ob sie in der Realität der Menschen in unserem Land ankommen wird und Wege finden und gehen wird, die uns wieder das Gefühl von Sicherheit geben.

Wir leben in einer Zeit, in der es schwierig geworden ist, sich zu orientieren, weil wir weniger denn je wissen, was morgen in den Zeitungen stehen wird, was morgen auf uns zukommen wird.

Und dennoch. Gestern, als Papst Franziskus beigesetzt wurde, gaben sich am Ende des Gottesdienstes die Staatenlenker, egal ob sich mochte oder nicht, die Hand zum Friedensgruß. Ein Symbol, mit dem auch eine Hoffnung verbunden ist. Es ging ein Bild um die Welt, auf dem Trump und Selenskyj im Vatikan auf zwei Stühlen gegenübersitzen und miteinander reden. Hat der Tod des Pontifex, der Brückenbauers, vielleicht doch eine Brücke zwischen beiden gebaut.

Wie sehr Dietrich Bonhoeffer in seinem Leben auf Gott gebaut und vertraut hat, bringen viele Texte aus seiner Feder zum Ausdruck und in besonderem Maße auch sein „Von guten Mächten“, aber es sind vor allem die Worte, die er für seinen Freund Bishop Bell, mit auf den Weg gegeben hat:

…mit ihm glaube ich an den Grundsatz unserer universalen christlichen Brüderlichkeit, der über allem Hass zwischen den Völkern steht, und dass unser Sieg gewiss ist…

In den Tagen, in denen das System noch immer den Endsieg propagiert, glaubt Bonhoeffer an einen ganz anderen Sieg, nämlich an einen Sieg, in dem es keine Verlierer, sondern nur Gewinner gibt, den Sieg der Christlichen Brüderlichkeit, der das Ende des Hasses zwischen den Völkern besiegelt. Wäre es nicht schön gewesen, wenn dieser Friedensgruß gestern auf dem Petersplatz genau diese Wirkung gehabt hätte?

Woraus ziehen wir in diesen Zeiten unsere Kraft, unsere Hoffnung, unser Vertrauen in eine Zukunft? Was gibt uns die Kraft, unseren Anteil daran zu haben, unseren Anteil daran zu leisten?

Wir leben, so wie es der Autor des Petrusbriefes schreibt, in einer Zeit der Bewährung, in der wir uns mancherlei Anfechtung stellen müssen. Diese Anfechtungen fordern unseren Glauben. Diese Anfechtungen, die uns Kraft kosten, dürfen unseren Glaubensmut kräftigen.

6 Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, 7 auf dass euer Glaube bewährt und viel kostbarer befunden werde als vergängliches Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus.

Wir dürfen in dieser Zeit die Kostbarkeit des Glaubens wiederentdecken. Die Beziehung zu Gott ist die einzig verlässliche Beziehung, die wir Menschen haben können und am Ende auch die Beziehung zwischen uns Menschen verlässlich werden lässt. Die Beziehung zu Gott stellt uns miteinander in eine Verbindlichkeit. In die Verbindlichkeit der Liebe, zu der uns Jesus Christus selbst befreit hat.

Auch wenn wir uns jetzt vielleicht schwach fühlen, so sind wir doch nicht hilflos. Der Beter im Psalm 116 hat für uns heute genau die richtigen Worte gefunden:

4 Aber ich rief an den Namen des HERRN:
Ach, HERR, errette mich!
5 Der HERR ist gnädig und gerecht,
und unser Gott ist barmherzig.
6 Der HERR behütet die Unmündigen;
wenn ich schwach bin, so hilft er mir.
7 Sei nun wieder zufrieden, meine Seele;
denn der HERR tut dir Gutes.

Lasst uns unseren Blick auf dieses Gute richten und daraus unsere Kraft ziehen. Wir leben in der Osterzeit und die Osterzeit hält uns immer und immer wieder vor Augen, dass das Gute, das wir durch und mit Jesus Christus haben, nicht totzukriegen ist, sondern immer wieder und immer wieder aufersteht, um uns zu sagen, dass das Gute immer das Böse besiegen wird. Lasst uns aus der gleichen Kraft und Zuversicht heraus leben, aus der auch Dietrich Bonhoeffer heraus gelebt hat und uns ermutigend mit seinem Gedicht auf unseren Weg durch dieses Leben mitgegeben hat:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Amen.

Pfr. Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke

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