Liebe Geschwister, in diesem Kirchenjahr kommen wir auf insgesamt einundzwanzig Trinitatissonntage. Und Ihr kennt ja meine launische Anmerkung dazu: Es gibt nur deshalb so viele Trinitatissonntage, weil es nicht so ganz einfach ist, die Trinität wirklich zu verstehen.
In diesem Kirchenjahr habe ich den Eindruck, dass es auch den ein oder anderen Dreischritt gibt, der uns den Dreieinigen Gott aus verschiedenen Perspektiven erkennen und erfahren lässt. Ich weiß ja nicht, was Ralf am vergangenen Sonntag, also dem Sonntag Trinitatis, in seiner Predigt hervorgehoben hat. Bei mir war es der Dreischritt von Gnade – Liebe – Gemeinschaft. Und heute kommt ein weiterer Dreischritt hinzu, nämlich der von Liebe – Buße – Bekenntnis. Ich bin also neugierig, welche weiteren Dreischritte ich im Laufe der nächsten neunzehn Trinitatissonntage noch entdecken werde.
Aber wir komme ich heute auf diesen Dreischritt?
Ja, ich gebe es zu, das ist mir mit einem kleinen Trick gelungen. Heute, am 1. Sonntag nach Trinitatis ist das bestimmende Thema die Liebe. Wir haben es in der Epistel für diesen Sonntag gehört, in der die Worte Liebe und lieben insgesamt dreizehnmal vorkommen:
19 Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. 20 Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht. 21 Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.
1. Johannes 4,19-21
Die Art wie wir lieben, definiert nicht nur unser je eigenes Verhältnis zu unserem Nächsten, sondern damit auch in erster Linie unser Verhältnis zu Gott. Wie schnell man hier in die Irre gehen kann, haben wir vor wenigen Wochen erfahren, als der US-Amerikanische Vizepräsident J.D. Vance in einem Interview sagte:
„Es gibt ein christliches Konzept, das besagt, dass man seine Familie liebt, dann seinen Nächsten, dann seine Gemeinschaft, dann seine Mitbürger, und dann erst den Rest der Welt.“
Der heutige Papst Leo XV. – damals noch Kardinal – twitterte dazu folgende Antwort:
„JD Vance liegt falsch: Jesus fordert uns nicht auf, unsere Liebe zu anderen zu bewerten.“
Und genau das ist es, was uns in der Epistel für den 1. Sonntag nach Trinitatis vor Augen gehalten wird. Die Christliche Liebe unterscheidet nicht zwischen nah, näher, am nächsten. Es gibt nur den Nächsten und in meinem Verhältnis zu ihm spiegelt sich auch mein Verhältnis zu Gott wider.
Und wenn wir uns das anschauen, werden wir feststellen, dass die Liebe zum Nächsten die größte Herausforderung ist, vor die uns Gott gestellt hat. Christliche Liebe ist keine romantische Liebe, sondern eine stete Herausforderung an mich selbst, eine Herausforderung, an der wir immer und auch immer wieder scheitern können und auch scheitern. Auch ich.
Und wenn wir uns einmal unsere Welt anschauen, dann werden wir lauter Momente und Situationen sehen und erkennen, die deutliches Zeichen dafür sind, dass das mit diese Liebe weltweit schwierig ist und gerade so ganz und gar nicht zu funktionieren scheint. Ich muss das jetzt nicht im Detail vertiefen, weil wir alle wissen, was damit gemeint ist. Würde es mehr christliche Liebe zwischen den Menschen geben, sähe diese Welt anders. Würde es mehr christliche Liebe zwischen den Menschen geben, müssten wir uns nicht tagtäglich mit dem Thema Krieg auseinandersetzen, müssten wir uns nicht um unsere Umwelt sorgen, könnten wir all unsere Energien in eine gelingende Zukunft investieren. Man stelle sich nur mal für einen Moment vor, was dann möglich wäre.
Aber, und das ist ja das Großartige an unserem Glauben, es gibt auch an dieser Stelle gewissermaßen eine Ausfahrt. Man muss nicht auf dieser Straße bleiben, die zwangsläufig in den Abgrund führt. Und hier komme ich jetzt gewissermaßen zum Johannis-Tag, den wir am Dienstag haben werden.
Im Matthäus-Evangelium haben wir gehört, wie diese Ausfahrt heißt:
8 Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße!
11 Ich taufe euch mit Wasser zur Buße;
Matthäus 3,8+11 (Johanni)
Es ist die Buße. Die Buße ist die Umkehr. Und damit bin ich auch schon beim Gedenktag der Confessio Augustana angekommen, der am 25. Juni ist.
Hier heißt es im Artikel 12: Von der Buße:
Von der Buße wird gelehrt, daß diejenigen, die nach der Taufe gesündigt haben, jederzeit, wenn sie Buße tun, Vergebung der Sünden erlangen und ihnen die Absolution von der Kirche nicht verweigert werden soll. Nun ist wahre, rechte Buße eigentlich nichts anderes als Reue und Leid oder das Erschrecken über die Sünde und doch zugleich der Glaube an das Evangelium und die Absolution, nämlich daß die Sünde vergeben und durch Christus Gnade erworben ist. Dieser Glaube tröstet wiederum das Herz und macht es zufrieden. Danach soll auch die Besserung folgen und daß man von Sünden lasse; denn dies sollen die Früchte der Buße sein – wie Johannes sagt: „Tut rechtschaffene Frucht der Buße“ ( Mt 3, 8).
Und Achtung! Es gibt hier ein Wort, das absolut entscheidend ist und auch schnell überlesen werden kann. Dieses kleine Wort ist „jederzeit“. Ich kann jederzeit die Vergebung meiner Sünden erlangen. Die einzige Voraussetzung ist die Buße, die Reue, das Leid, das Erschrecken über die von mir begangene Sünde und zugleich der Glaube an das Evangelium und die Absolution.
Dazu gehört aber auch der Mut, das Wort Sünde in den Mund zu nehmen. Das Wort Sünde in den Mund zu nehmen ist der erste Schritt zur Verantwortungsübernahme für mein Handeln und damit auch eine Grundvoraussetzung für die Reue. Denn in dem Moment, in dem ich das tue, gebe ich zu, dass mein Handeln ein sündiges Handeln war. Neigen wir doch dazu, Verantwortung abzuschieben, sie auf andere zu verschieben. Das prominenteste Beispiel ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Glaubt man dem russischen Präsidenten, ist die Ukraine schuld an dem Krieg, der ja kein Krieg, sondern lediglich eine militärische Operation sein soll. Das nennt man heute „Blaming“ – was nichts anderes ist als das wunderbare alte Wort „Schuldzuweisung“ – ich begehe eine Sünde, aber jemand anders ist daran schuld, also habe ich nichts zu bereuen und muss auch selbst nicht umkehren, weil ja der andere Schuld ist. Hierbei handelt es sich um das sogenannte „Victim Blaming“. Sprich: dem Opfer wird die Verantwortung zugeschoben. Gemeint ist eine Umkehr des Täter-Opfer-Verhältnisses. Das Opfer ist schuld für das an ihm begangene Unrecht, nicht der oder die Täter.
Und genau dieses System der Schuldzuweisung oder Täter-Opfer-Umkehr durchbricht die Nächstenliebe. Und das, was wir am Beispiel Russlands erleben, ist aber etwas, was im Grunde genommen so ziemlich jeder von uns tagtäglich macht: Schuld von sich zu weisen und andere für die eigene Situation, das eigene Handeln oder Nichthandeln verantwortlich zu machen.
Wir merken, wie sehr die beiden Schritte Liebe und Buße miteinander aufs Engste verbunden sind. Die Liebe ist der erstrebte Normalzustand. Die gelebte Nächstenliebe ist der Garant für den Frieden. Die gelebte Nächstenliebe ist Ausdruck der Liebe, mit der uns Gott begegnet. Die gelebte Nächstenliebe ist unsere Antwort auf die Liebe Gottes. Und genau in dem Moment, in dem wir erleben, dass wir jemand anderem die Schuld, die Verantwortung für unser Handeln zuschieben wollen, ist der Moment, in dem wir uns unserer Schuld bewusst werden dürfen und können, in dem wir die Ausfahrt Richtung Buße und Umkehr ansteuern sollten.
Liebe und Buße sind aber erst zwei Schritte. Fehlt noch der Dritte. Und damit komme ich auf den Predigttext für den Gedenktag der Confessio Augustana zurück. Hier sind für mich die beiden letzten Verse entscheidend:
32 Wer nun mich bekennt vor den Menschen, zu dem will ich mich auch bekennen vor meinem Vater im Himmel.
33 Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem Vater im Himmel.
Matthäus 10,32-33
Es geht um das Bekennen, das öffentliche Bekennen. Diese Verse räumen ein für alle Male den Gedanken, die Idee vom Glauben als Privatangelegenheit vom Tisch. Das öffentliche Bekenntnis ist von eminenter Bedeutung. Es macht uns erkennbar. Es macht erkennbar, warum wir so handeln wie wir handeln. Es macht uns ansprechbar.
Nur ein klitzekleines Beispiel. Ihr wisst ja, dass ich ziemlich regelmäßig das Collarhemd trage. Damit macht ich ja öffentlich erkennbar, dass ich das bin, was ich bin. Und damit mache ich auch ein öffentliches Sprich-mich-an-Angebot. Als ich in dieser Woche mit unserem Kurprediger wieder aus unserem Gemeindehaus ins Pfarrhaus zurückging, sprach mich eine wildfremde Frau an, die ich noch nie gesehen hatte und bat mich auf offener Straße, sie zu segnen. Zu erleben, was in dem Moment geschah, als ich Ihr meine Hände auflegte und den Segen sprach, ist kaum zu beschreiben.
Glaube wirkt. Und in solchen Momenten ist das mit aller Wucht spürbar. Gut, nun habe ich es als Pfarrer etwas leichter mit der Erkennbarkeit. Aber jeder von Euch hat die Möglichkeit, sich mit seinem Glauben erkennbar werden zu lassen. Den Glauben zu bekennen, heißt, ihn nicht nur vor Gott, sondern in aller Öffentlichkeit zu bekennen damit deutlich zu machen, wofür ich stehe. An dieser Stelle möchte ich noch einmal an den Tagesspruch für den Gedenktag der Confessio Augustana erinnern:
Ich rede von deinen Zeugnissen vor Königen und schäme mich nicht.
Psalm 119,46 (CA)
Lasst uns über den Glauben reden, öffentlich reden. Und dafür gibt es einige Möglichkeiten. Ich weiß, dass sich nicht alle von Euch in den sozialen Medien bewegen, aber ich weiß, dass einige von Euch immer wieder mal Leserbriefe schreiben. Was wäre denn, wenn Ihr Eure Position mal von Eurem Glauben er erklären würdet? Das würde deutlich machen, dass Glaube eine Wirkung beim Menschen hat, die auch eine gesellschaftliche Dimension durch das eigene Denken und Handeln entfaltet.
Oder, an all diejenigen, die sich in den Sozialen Medien bewegen. Müssen es immer Katzen- oder Hundebilder sein, die gepostet werden? Muss es die hundertdreizehnte Pizza oder der dreiundvierzigste Schweinebraten sein, der da gepostet wird? Man kann doch auch mal einen Bibelvers posten, der einen bewegt und zum Nachdenken gebracht hat. Man kann doch auch mal die Kirche posten, in der man zum Gottesdienst gegangen ist und schreiben, wie gut es einem getan hat, in den Gottesdienst zu gehen, dass die Predigt und das gemeinsame Beten einem Mut und Kraft gegeben hat. Also, wenn wir posten, wo es den besten Schweinebraten und das leckerste Eis gibt, warum dann nicht mal sowas posten und sich damit öffentlich bekennen? Glaube ist – und das macht der Psalm 119,46 wie gesagt deutlich – keine Privatangelegenheit, sondern etwas, das nach Öffentlichkeit sucht.
Das Bekenntnis ereignet sich im Reden und Handeln.
Und damit komme ich am Ende zu einem wichtigen Punkt, vom Glauben und den guten Werken, weil wir hier nämlich aufpassen müssen. Ich zitiere hier aus dem Artikel 20 der Confessio Augustana, der überschrieben ist mit „Vom Glauben und guten Werken“:
Weil nun die Lehre vom Glauben, die das Hauptstück im christlichen Wesen ist, lange Zeit – wie man bekennen muß – nicht betrieben worden ist, sondern überall allein die Lehre von den Werken gepredigt wurde, ist von den Unseren folgende Unterrichtung gegeben worden:
Erstlich, daß unsere Werke uns nicht mit Gott versöhnen und uns nicht Gnade erwerben können, sondern das geschieht allein durch den Glauben – wenn man nämlich glaubt, daß uns um Christi willen die Sünden vergeben werden, der allein der Mittler ist, um den Vater zu versöhnen. Wer nun meint, das durch Werke zu erreichen und dadurch Gnade zu verdienen, der verachtet Christus und sucht einen eigenen Weg zu Gott gegen das Evangelium.
Diese Lehre vom Glauben wird deutlich und klar bei Paulus vielerorts vertreten, besonders hier: „Aus Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben, und das nicht aus euch, sondern Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich niemand rühme“ (Eph 2,8)
Es wird deutlich, ist deutlich und bleibt auch deutlich, dass wir Gnade nicht durch Werke erlangen, sondern allein aus Glauben. Unser Handeln soll um Gottes Willen und zu seinem Lob geschehen.
In der Dreiheit von Liebe – Buße – Bekenntnis kommt das zum Ausdruck, was die Confessio Augustana wie folgt auf den Punkt bringt:
Der Glaube ergreift immer nur die Gnade und die Vergebung der Sünde; und weil durch den Glauben der Heilige Geist gegeben wird, darum wird auch das Herz befähigt, gute Werke zu tun.
Dazu kann ich nur noch Ja & Amen sagen.
Pfr. Martin Dubberke
Predigt am 1. Sonntag nach Trinitatis in Kombination mit Johannis und dem Gedenktag der Confessio Augustana in der Johanneskirche zu Partenkirchen am 22. Juni 2025, Perikopenreihe I, Matthäus 4,26-33
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