Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie. Markus 10,13-16
Solche Situationen, wie sie Markus hier beschrieben hat, kennt jeder von uns. Oder hat sie selbst erlebt.
Ich kann mich an eine Gemeinde erinnern, als meine Söhne noch deutlich kleiner waren, da fing man meine Frau und mich schon an der Kirchentür ab und bot uns den Mutter-Kind-Raum an. Gottesdienst durch die Glasscheibe.
Denn so ein Kind könnte ja im Gottesdienst einen Laut von sich geben und einen strengen Blick mit Tötungspotenzial dafür ernten.
Wir kennen solche Blicke. Und ich weiß noch sehr gut, wie das war, als meine Söhne – es sind Zwillinge – im Kindergartenalter waren, mir während des Gottesdienstes unter den Talar gekrochen sind oder sich unterm Altar versteckt haben. Dass das nicht immer ganz einfach war, muss ich jetzt nicht hervorheben und, dass ich manches Mal, wenn ein Gemeindeglied am Ausgang etwas gesagt hat, ich mit eben diesem Satz: „Wenn Ihr nicht seid wie Kinder“ geantwortet habe, haben Sie sich jetzt bestimmt auch schon gedacht.
Aber meine Jungs haben mit der Zeit etwas entwickelt, worüber ich sehr glücklich und auch sehr dankbar bin: Einen unverkrampften, fröhlichen Umgang mit dem, was Glaube und so ein Kirchengebäude ist. Meine Jungs haben, die Kirche, wie Kinder es so tun, ganz einfach auf ihre unverstellte Art und Weise erkundet. Sie waren und sind neugierig, haben Dinge in der Kirche entdeckt, die ich – obwohl ich da jetzt schon fast ein viertel Jahrhundert predige – nie gesehen oder wahrgenommen habe.
Ich habe diese Dinge erst durch die unverstellte, authentische Neugier meiner Söhne kennengelernt. So, wie mir meine Söhne mit Ihrer Perspektive, mit ihren Fragen, immer wieder neue Perspektiven eröffnen.
Kinder fragen und suchen nämlich geradeaus und nicht wie wir Erwachsenen um 23 intellektuelle Ecken und Windungen und „Wenns“ und „Aber“ und erkennen ohne Umwege das Wesentliche einer Sache.
Und deshalb gehört ihnen das Himmelreich, weil sie es mit Neugier, überrascht sein, Staunen und einem unnachahmlichen Leuchten in den Augen empfangen.
Und nun stellt sich die Frage: Wer lernt hier von wem in dieser Kita?
Ich glaube, dass das ganz einfach zu beantworten ist. Ich sage das jetzt mal als Vater und früherer Grundschullehrer. Von den Kindern kann ich immer wieder das Staunen lernen, das fröhliche Überrascht werden, das einfache und ehrliche Gefühl.
Und was ist als Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, als Lehrerinnen und Lehrer unsere Aufgabe?
Markus beschreibt es in einem wunderbaren Satz:
Und er – also Jesus – herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie. Markus 10,16
Da haben wir die Aspekte: Annahme, Liebe, Herzlichkeit und Bewahren.
Jesus nahm die Kinder so an, wie sie sind. Er stellte keine Bedingungen, sagte nicht: „Wenn Du so bist, wie ich es will, habe ich dich lieb.“
Jesus hat nie manipuliert.
Er nahm sie vorbehaltlos an. Das ist für Eltern, Erzieherinnen und Erzieher nicht immer ganz leicht, weil, wir sind ja schon ein wenig vom Leben verdorben. Jesus, unterstreicht aber mit seinem Handeln, wie wichtig es ist, so auf die Kinder und damit auf den Nächsten zuzugehen.
Er herzte sie.
Das bedeutet, dass er Ihnen liebevolle Zuneigung, menschliche Wärme und Geborgenheit schenkt.
Geborgenheit bedeutet Sicherheit und Zuverlässigkeit in der Beziehung. Auch das ist wichtig um auf gute Weise groß zu werden.
Und dann setzt Jesus noch einen oben drauf, indem er die Kinder segnete.
Der Segen steht für Schutz und Bewahrung. Denken wir nur an den aaronitischen Segen:
Der Herr behüte und bewahre Dich.
Der Herr lasse sein Antlitz leuchten über dir
und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht über dich
und gebe dir Frieden.
Es ist wichtig, das Kinder in geschützten Räumen und Verhältnissen aufwachsen können. Und genau das macht Jesus mit seinem Segen deutlich.
Mit seinem Verhalten macht Jesus aber noch etwas Anderes. Er zeigt uns, wie wichtig es ist, Position zu beziehen und genau das macht er, als er sieht, was seine Jünger da veranstalten. Er wird unwillig und sagt zu ihnen – und ich kann mir vorstellen, dass er dabei nicht so ganz freundlich geklungen haben könnte:
Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.
Markus 10,14
Jesus bezieht nicht nur Position, sondern macht sich auch zum Anwalt der Schwächsten, indem er sie zu Vorbildern macht, denen es nachzueifern gilt.
Wenn das kein Perspektivwechsel ist, dann weiß ich es auch nicht.
Also, lassen Sie mich festhalten: Diese wenigen Verse aus dem Markus-Evangelium beschreiben im Prinzip, was das Wesen einer evangelischen Kita wie dieser ausmacht:
- Annahme
- Liebe
- Herzlichkeit
- Behüten
- Geborgenheit
- aneinander wachsen
- voneinander lernen
- Position beziehen
- Anwalt oder Fürsprecher für die Rechte der Kinder sein
- den Schwächsten Raum zum Wachsen und Werden geben.
Ich glaube, dass das jetzt genau der richtige Moment ist, um die erste Strophe vom Lied: „Gut, dass wir einander haben“ zu singen. Und deshalb sage ich jetzt:
Amen. So sei es.
Andacht zur Eröffnung der LAFIM-Kita an der Technischen Hochschule Brandenburg, am 17. November 2017