Seit mittlerweile 22 Jahren ist der Buß- und Bettag kein gesetzlicher Feiertag mehr, also auch kein sogenannter Bett-Tag.
Und da mag man sich schon die Frage stellen: Warum schafft ein Land wie Deutschland den Buß- und Bettag als gesetzlichen Feiertag ab?
Weil Deutschland die Pflegeversicherung eingeführt hat und die damit verbunden Mehrkosten ausgeglichen werden sollten, indem die Arbeitnehmer einen Tag mehr arbeiten und damit die Mehrbelastung für die Arbeitgeber neutralisiert wurde.
Wir wissen heute, dass diese Rechnung nicht aufgegangen ist.
Und nun kann man sich die Frage stellen, warum man sich bei all den Feiertagen, die wir in Deutschland haben, ausgerechnet den Buß- und Bettag ausgesucht hat und nicht Ostermontag oder Pfingstmontag oder den zweiten Weihnachtsfeiertag – um nur drei Beispiele zu nennen. Ich glaube, es lag daran, weil man mit dem Buß- und Bettag am wenigsten anfangen kann.
Der Buß- und Bettag war schon immer ein Feiertag, der gewandert ist.
Ich will da jetzt gar nicht so sehr ins Detail gehen, aber 1878 – also vor 139 Jahren – und das ist noch gar nicht so lange her – konnten wir in 28 deutschen Ländern insgesamt 47 Bußtage an 24 unterschiedlichen Tagen zählen. Erst 1893 wurde der Buß- und Bettag in Preußen ein einheitlicher Feiertag am Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres. Und 1934 wurde der Buß- und Bettag im gesamten Deutschen Reich ein gesetzlicher Feiertag.
Bis 1989 hat der Buß- und Bettag dann eine ziemlich wechselvolle Geschichte. 1990 wird er dann wieder ein deutschlandweiter Feiertag, bis er 1995 – außer in Sachsen – wieder abgeschafft wird.
Was lässt sich daraus ableiten? – Haben wir Deutschen ein schwieriges Verhältnis mit dem Thema Buße und Beten?
Buße bedeutet ja sich selbst und vor Gott einzugestehen, was man falsch gemacht hat, wo man die Spielregeln Gottes gebrochen hat und vom Weg, den uns Gott nahe legt – aus welchen Gründen auch immer – abgewichen zu sein.
Buße bedeutet auch, zu erkennen, dass man Mist gebaut hat und vor allem auch warum man diesen Mist gebaut hat.
Wahre Buße bedeutet auch, nicht nur vor Gott sein Fehlverhalten einzugestehen, sondern demjenigen gegenüber, der Opfer meines Fehlverhalten gewesen ist.
Und glaubhafte Buße bedeutet dann auch schließlich die Kurskorrektur für das eigene Leben, sein Leben neu auszurichten.
Bedeutet, die Abschaffung des Buß- und Bettags als gesetzlicher Feiertag, dass wir in Deutschland etwa grundsätzlich auf dem richtigen Weg sind?
Bedeutet das, dass wir in Deutschland nicht mehr als gesamte Gesellschaft wenigstens einmal im Jahr darüber nachdenken wollen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind?
Die Entwicklungen in unserem Land machen ja deutlich, dass wir nicht so ganz auf dem richtigen Weg sind.
Oder bedeutet es, dass Buße- und Beten nur noch die rund 56% der Deutschen betreffen, die noch Mitglied einer Kirche sind? Dann werden damit aber auch alle anderen christlichen Feiertage in unserem Land in Frage gestellt.
So, nun habe ich genug Fragen gestellt. Wenden wir uns doch mal uns selbst zu. Wir müssen unser Nachdenken über Buße und Beten, unser Verhältnis zu Gott, nicht von Deutschland abhängig machen.
Vielleicht ist das jetzt ein guter Moment, sich dem Predigttext zu widmen. Er steht im Matthäus-Evangelium, Kapitel 12, die Verse 33 bis 37:
Vom Baum und seinen Früchten
Nehmt an, ein Baum ist gut, so wird auch seine Frucht gut sein; oder nehmt an, ein Baum ist faul, so wird auch seine Frucht faul sein. Denn an der Frucht erkennt man den Baum.
Ihr Otterngezücht, wie könnt ihr Gutes reden, die ihr böse seid? Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus seinem guten Schatz; und ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz.
Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie reden. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.
Naja, das kennen wir ja schon. Es gibt gute Menschen und es gibt böse Menschen. Es gibt Bäume, die gute Früchte bringen und es gibt Bäume, die schlechte Früchte bringen.
Das ist – weiß Gott – keine neue Erkenntnis. Aber – ganz großes Aber – warum bringen manche Bäume schlechte Früchte?
Genau, weil der Boden verseucht ist oder, weil der Boden keine ausreichenden Nährstoffe hat.
Und genauso ist es beim Menschen, wenn ihm nicht das mit auf den Weg seines Lebens gegeben wird, was ihm hilft ein guter Mensch zu sein, dann hat er keinen guten Schatz, auf den er zurückgreifen kann.
Ich finde, dass dieser kleine Text sehr schön deutlich macht, wie wichtig eine gute – und aus meiner Sicht – natürlich auch christliche Erziehung ist, die die entsprechenden Werte vermittelt, die den Schatz bilden, aus dem Gutes kommen kann.
Wir kommen nämlich nicht mit Ellenbogen, Egoismus und Ichbezogenheit weiter, sondern nur mit dem Ich im Wir.
Und dann kommt die aus meiner Sicht wichtigste Stelle des Predigttextes:
Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen
am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie reden.
Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden,
und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.
Es geht um Rechenschaft. Der Buß- und Bettag lädt mich dazu ein, Rechenschaft abzulegen. Und ein Rechenschaftsbericht lebt davon, dass er hinterfragt wird. Und dieses Hinterfragen findet im Gespräch mit Gott statt. Und dieses Gespräch kann nichts Anderes sein als das intensive Gebet.
Und da Gott schon alles von mir und über mich weiß, habe ich keine andere Wahl, als alles zuzugeben. Das ist doch sehr erleichternd. Zuweilen habe ich ja, haben wir, Schwierigkeiten, einem anderen Menschen gegenüber unser Fehlverhalten zuzugeben, es einzugestehen, weil es uns unangenehm, weil es uns peinlich ist.
Aber weil Gott, alles von uns weiß, hat sich das mit der Peinlichkeit schon mal erledigt. Also, können wir offen und ohne Umschweife vor Gott zugeben, was wir falsch gemacht haben oder sogar mit seiner Hilfe erkennen, dass wir etwas falsch gemacht haben.
Und wer sich dieses Gespräch mit Gott nicht alleine zutraut, der kann sich dazu auch eine Hilfe holen, wie z.B. eine Pfarrerin oder einen Pfarrer, der einem dabei hilft und zwischen demjenigen und Gott vermittelt.
Und wenn ich vor Gott und mit Gott erkannt habe, wo und warum ich seine Spielregeln gebrochen habe, kann ich auch auf den entsprechenden Menschen zugehen, und es ihm selbst sagen und um seine Vergebung bitten, wie ich auch Gott um seine Vergebung, seine Gnade gebeten habe. Und das Schöne daran ist, dass ich das jederzeit in meinem Leben machen kann. Da ist es egal, ob ich zwanzig oder – wie ich – dreiundfünfzig oder neunzig bin. Ich kann jeden Tag umkehren und mein Leben neue beginnen.
Buße bedeutet Einsicht, Erkennen, Verstehen, Umkehr und das glaubhafte Leben des Gebots:
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Und was glauben Sie, was sich dann alles ändern wird. Und stellen wir uns einfach mal vor, was passieren würde, wenn alle 82.457.000 Menschen in Deutschland genau das am Buß- und Bettag machen würden. Ich bin kein Sozialromantiker, aber ich glaube, dass sich da einiges ändern würde.
Und in diesem Sinne sage ich:
Amen! So soll es sein.
Predigt am Buß- und Bettag 2017 im Evangelischen Seniorenzentrum „Kurt Bohm“ in Ketzin, 22. November 2017