Pfr. Martin Dubberke
Impuls zu Losung und Lehrtext am Freitag 20230421 | Bild: Martin Dubberke

Gnade

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
2. Mose 20,16

Redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es hören.
Epheser 4,29

Wie einfach wäre es, bei diesen biblischen Ansagen sich ins Politische zu begeben. Aber genau diese Einladung möchte ich heute Morgen nicht annehmen, sondern uns selbst in den Blick nehmen. Und da mal Hand aufs Herz: Wer hat noch nicht falsch Zeugnis über jemanden geredet oder sich dazu verleiten lassen, falsch Zeugnis für bare Münze zu nehmen? Ja, auch das gehört dazu. Wenn ich falsch Zeugnis für bare Münze nehme, hat das nämlich auch etwas mit meiner Einstellung zu tun.

Ich kann ja, wenn ich mich z.B. über jemanden aufrege, dem Ganzen so eine ganz bestimmte Färbung geben, die mich selbst im guten Licht dastehen lässt und den anderen nicht mehr glänzen lässt. Das ist auch so eine Sache, die ich unter diesem Gebot verbuchen würde.

Warum Gebot? – Die Sache mit dem falschen Zeugnis ist das achte von zehn Geboten. Dieses Gebot folgt dem Gebot „Du sollst nicht stehlen“ und geht dem Gebot „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus“ voraus. Das ist doch interessant. Ich soll einem anderen Menschen nichts wegnehmen. Ich soll ihm nicht das Leben nehmen. Ich soll ihm nicht seine Ehefrau oder seinen Ehepartner stehlen. Ich soll ihm nichts von seinem Besitz nehmen. Ich soll ihm nicht sein Zuhause nehmen und sonst auch nichts von seinem Besitz. Ich soll ihm auch nicht die Mitarbeitenden abwerben. Wer beim zehnten Gebot genau hinschaut, wird auch das erkennen. Und ich soll ihm nicht seine Integrität, seine Persönlichkeit rauben, also kein falsches Zeugnis wider ihn sprechen.

Wer heute mit offenen Augen und klarem Verstand in manchen sozialen Medien unterwegs ist, kann zuweilen nicht aus dem Staunen herauskommen, wie unverhohlen hier falsch Zeugnis gegen manchen Menschen geschrieben wird oder wie mit Cybermobbing ganze Persönlichkeiten in ihrem Innersten so zerstört werden, dass manch einer schon seinen Ausweg nur noch im Suizid gesehen hat.

Falsches Zeugnis zerstört Ansehen, zerstört Leben. Und das geht heute mit all den medialen Möglichkeiten, den richtigen Hashtags atemberaubend schnell und vor allem bleibt das falsche Zeugnis im Netz erhalten, denn das Netz vergisst nichts.

Aber wir brauchen gar kein Netz, um falsch Zeugnis zu reden. Das kann genauso gut auch en passant, so ganz nebenbei geschehen. „Was ich dir noch erzählen wollte…“ – „Hast Du schon gehört?“ Wir wissen, wie solche Sätze anfangen und wie leicht wir dabei selbst, gleichsam unbeabsichtigt, solche Worte benutzen, insbesondere, wenn wir uns über jemanden ärgern und ihm dann nicht gerecht werden. Wir tun das meist auch deshalb, weil wir die direkte Auseinandersetzung mit dem anderen scheuen. Hier kommt natürlich dem Netz wieder eine ganz besondere Rolle zu, weil es einem so leicht macht, gegen jemand anders zu ätzen, weil es unter falschem Namen getan werden kann. Auch ich habe das schon einmal am eigenen Leibe erleben dürfen.

Wie wohltuend ist da der Vers aus dem Brief an die Epheser. „Redet, was gut ist…“ Ja, genau so soll es sein. Es ist im Grunde genommen genau das gleiche wie das achte Gebot, aber es ist aus einer vollkommen anderen Haltung und Perspektive heraus gesprochen. Ich soll gar nicht erst an das Schlechte, an das Falsche denken. Wenn ich sage, was gut ist, was konstruktiv ist und das, was notwendig ist – und das kann ja auch Kritik sein – soll ich es so tun, dass es denen, die es hören Gnade bringt, also guttut.

Das heißt nicht, dass ich jemanden in den Himmel loben soll, aber es geht um meine Haltung und damit meinen Umgang mit meinem Nächsten. Es ist eine grundsätzlich positive und zugewandte Haltung, zu der hier Paulus seine Epheser einlädt. Und genau das ist ein Perspektivwechsel, weil es um Achtung geht und damit auch um Aufmerksamkeit gegenüber meinem Nächsten. Wenn ich spreche was gut ist, was konstruktiv ist – also erbaut – was notwendig ist, also auch die Not wenden kann, dann wird es für den anderen und für andere gut sein und gut werden. Unser Reden lässt unsere Haltung erkennen. Und vor allem lässt unser Reden erkennen, ob wir Gutes oder Schlechtes im Schilde führen. Zu reden, was gut, was konstruktiv, was notwendig ist, wird die Welt zum Guten bringen. Und das ist Gnade.

Pfarrer Martin Dubberke, Gedanken zu Losung & Lehrtext vom 21. April 2023

Pfr. Martin Dubberke
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