Pfr. Martin Dubberke
Es geht um alles | Bild: Martin Dubberke

Da traten Engel herzu und dienten ihm

Liebe Geschwister, der heutige Sonntag Invocavit hat seinen Namen nach dem dem liturgischen Eröffnungsvers des Tages aus Psalm 91,15 Invocabit me, et ego exaudiam eum sprich: „Wenn er mich anruft, dann will ich ihn erhören.“

Aber der Vers geht noch weiter:

…ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.

Gott wird mich erhören, wenn ich ihn anrufe. Und wenn ich ihn anrufe, wird er in der Not nicht nru bei mir sein, sondern mit auch aus der Not herausreißen und mich wieder zu Ehren bringen. Genau darum wird es heute im Wesentlichen gehen: Das Anrufen Gottes insbesondere in den bedrängenden Zeiten der Versuchung.

Und wir leben in Zeiten der Versuchung, wo scheinbar einfache Lösungen für viele Probleme, die wir in unserer Welt, in unserer Gesellschaft haben, Hochkonjunktur haben.

Wir leben in der Passionszeit, der Zeit, in der wir wie Jesus einst in der Wüste, vierzig Tage Verzicht üben sollen, um uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren zu sollen, zu können. Bei uns Evangelischen gibt es da schon seit 1983 die jährliche Aktion „Sieben Wochen ohne“, die den Verzicht immer unter eine Überschrift stellt. Ich hätte viele Vorschläge für Sieben-Wochen-Ohne:

  • Sieben Wochen ohne Krieg
  • Sieben Wochen ohne politische Gefangene
  • Sieben Wochen ohne einen Gedanken an Flucht
  • Sieben Wochen ohne Rassismus
  • Sieben Wochen ohne Ampelstreit
  • Sieben Wochen ohne Rechts- oder Linksextremismus

Und ich glaube, ich könnte noch viele andere Vorschläge für sieben Wochen ohne machen. Das aktuelle Motto für „Sieben Wochen ohne“ passt in unsere Zeit:

„Komm rüber! Sieben Wochen ohne Alleingänge”

Es geht grundsätzlich immer um die gleiche Frage: Was ist wirklich wichtig?

Und mit dieser Frage nähere ich mich der Geschichte von den drei Versuchungen Jesu in der Wüste:

Jesus Christus verzichtet bei der Versuchung durch den Satan, darauf, aus Steinen Brot zu machen. Er verzichtet auf die Versuchung Gott zu versuchen. Und er verzichtet auf die Weltherrschaft.

Jedes der Angebote, die ihm der Satan unterbreitete, war toxisch, war vergiftet. Dass Jesus Brot vermehren konnte, wissen wir heute. Aber auf Anregung des Satans aus Steinen Brot zu machen, wäre ein vergiftetes Brot gewesen, weil er das Wunder im Auftrag Satans gewirkt hätte. Es geht also auch um die Frage, in welchem System ich handle, und in wessen Auftrag ich handle.

Jesus verzichtet darauf, von der Zinne der Burg zu springen und sich von den Engeln retten zu lassen. Aber welchen Grund hätte es gegeben, dem Satan etwas zu beweisen, was Jesus selbst und auch Satan gewusst haben, dass es geschehen würde?

Und schließlich verzichtet Jesus auf die Versuchung, vor dem Satan auf die Knie zu gehen, um die Weltherrschaft zu erringen, sich von der bösen Seite zur Macht verführen zu lassen und am Ende ein Vasall des Satans zu sein? Seine Seele an den Satan zu verkaufen und in allem von ihm abhängig zu sein, auf seine Laune und sein Wohlwollen angewiesen zu sein.

Wir wissen, wohin es führt, sich zur Macht durch das Böse verführen zu lassen. Wir sehen was geschieht, wenn die Mächtigen dieser Erde ein Bündnis mit dem Satan eingehen. Sie führen die Welt an den Abgrund. Sie gebrauchen ihre Macht, um Leid in die Welt hineinzutragen. So wie es der Mann im Kreml tut. Diese Macht ist menschen- und gottverachtend.

Jesus ging für vierzig Tage in die Wüste. Die Wüste ist ein Bild für die Auszeit, die Reduzierung auf das Allernotwendigste. Die Wüste ist ein Bild fürs Fasten, den Verzicht. Vierzig Tage keine Nachrichten. Vierzig Tage keine WhatsApps. Vierzig Tage kein Socialmedia. Vierzig Tage auf sich selbst angewiesen. Vierzig Tage ohne Buch. Vierzig Tage ohne Fernsehen oder Radio. Vierzig Tage ohne Internet. Vierzig Tage mit Gott und mir selbst allein. Das wird zu einer Grenzerfahrung.

Man sollte meinen, dass man in einer Situation für alles besonders empfänglich wird. Jesus nimmt dem Satan gegenüber aber eine klare Haltung ein:

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.

Nicht das mangelnde Brot ist Ursache für das Leid in der Welt, sondern das mangelnde Hören auf das Wort aus dem Munde Gottes schafft das Leid in dieser Welt. Das Wort Gottes ist das erste Lebensmittel, das wir haben. Denn das Wort Gottes ist das Mittel zum Leben. Ohne sein Wort ist kein Leben möglich. Und genau das vergessen wir immer und immer wieder in dieser Welt. Erst das Wort Gottes hat die Schöpfung möglich gemacht, der Moment, in dem Gott sprach:

Es werde Licht!
Mose 1,3

wurde Leben möglich. Und damit wird deutlich, dass das Wort Gottes die Ursache allen Lebens ist. Und genau deshalb sollte der Mensch auf jedes Wort achten, das aus dem Munde Gottes kommt. Das Wort Gottes gibt uns nicht nur Orientierung, sondern es lässt uns erst so richtig leben, weil wir uns von Gott getragen wissen dürfen.

Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.

So lautet das nächste Argument Jesu gegen den Satan. Jesus macht deutlich, dass ich Gott nicht durch mein Verhalten zu einer Handlung zwingen kann. Ich weiß, dass ich von Gott in meinem Leben getragen bin. Und Jesus wusste das noch mehr und besser als ich, also muss ich ihn nicht herausfordern, mir und anderen zu beweisen, dass er mich trägt. Und genau das macht Jesus dem Satan deutlich. Und so nimmt er dem Satan, dem Bösen zum zweiten Mal die Macht. Er sagt dem Satan mutig ins Gesicht: Ich muss es Dir nicht beweisen, dass es so ist. Ich muss es nur glauben, dass es so ist. Und das reicht! Basta!

Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.

Wenn ich dem Satan diene, ist die Welt verloren. Dann herrscht Krieg, der Kampf um Vorherrschaft, Unterdrückung, Egoismus. Der Satan kennt nicht das Doppelgebot der Liebe, das die Welt im Gleichgewicht halten soll, sondern er kennt nur die Eigenliebe, die die Welt in den Abgrund führt.

Diene ich aber Gott, hat der Satan keine Macht über mich. Und genau das ist der Moment, in dem Satan erkennt, dass er keine Macht über Jesus gewinnen kann. In diesem Moment treten die Engel an die Seite Jesu und dienen ihm. Der Satan muss sich in diesem Augenblick eingestehen, dass er verloren hat. Es ist ihm nicht gelungen, Macht über Jesus zu bekommen. Und Jesus hat dem Satan bewiesen, dass ihm die Engel dienen, wenn er der Versuchung durch den Satan widersteht.

Das, was Jesus gelungen ist, kann auch uns gelingen, wenn wir in und mit unserem Leben Gott allein vertrauen und unser Leben ganz und gar Gott anvertrauen. Wir als Christinnen und Christen müssen allen, die Menschen verachten, die versuchen aus Rassismus mit aller Macht Macht zu erringen, keine Chance haben. Wir als Christinnen und Christen dürfen allen, die unter dem Deckmäntelchen des sogenannten Christlichen Abendlands z.B. Remigration betreiben wollen, mit dem Wort Gottes widerstehen.

Wir müssen auch der Gefahr entgegenwirken, als Kirche, als Christinnen und Christen missbraucht oder vereinnahmt zu werden. Michael Schrom schreibt in der aktuellen Ausgabe von Publik Forum über Maximilian Krah, den EU Spitzenkandidaten der AfD:

Die »tradierte Ordnung«, um die das »echte konservative Denken« kreise, sei, so Krah, zweifellos christlich begründet und daher ohne das Christentum nicht oder nur mühsam aufrechtzuerhalten. Deshalb fragt er: »Was spricht dagegen, die Erhaltung und Wiederbelebung des Christentums politisch zu unterstützen?« Seine Antwort lautet nur eine Zeile später: »das Christentum selbst.« Es sei in einem »derartig desolaten Zustand, dass es als Partner ausscheidet«. Von den Kirchen sei außer Kritik nichts zu erwarten. Es sei aber »illusorisch, zu glauben, man könne christlich inspirierte Politik gegen das organisierte Christentum machen«. Doch davon, so Krah, dürfe man sich nicht entmutigen lassen. Schon gar nicht dürfe dieser – aus AfD-Sicht frustrierende – Befund zu einem inhaltlichen Atheismus führen. Im Gegenteil: Rechte Politik brauche eine spirituelle Verankerung. Zwar könne die Rechte »derzeit nicht christlich auftreten und argumentieren«. Sie sollte sich dies aber als »Mangel eingestehen«, als »Erschwernis« für ihr politisches Programm. Der Glaubensverlust des Westens sei eine Last, keine Tugend.

…Krah weiß natürlich, dass Religion wie kaum ein anderes Mittel dazu geeignet ist, Gruppenidentitäten zu stärken und Freund-Feind-Gegensätze zu strukturieren. Der religiös Andere ist derjenige, der die eigenen Werte, Überzeugungen und Lebensweisen am sichtbarsten infrage stellt und von dem man sich deswegen in seiner Existenz am stärksten bedroht fühlt. Insofern kann jede Religion zum idealen Brandverstärker für ethnisch grundierte Konflikte werden, vorausgesetzt, sie wird exklusivistisch ausgelegt oder zumindest als überlegen behauptet. Das ist sozialwissenschaftlich wie empirisch belegt.

(Michael Schrom, Völkische Mystik, in Publik-Forum, Ausgabe 03/2024)

Es gilt also mehr denn je, mit der Kraft des Wortes Gottes, jegliche Versuchung zu durchbrechen, ihr jede Kraft und Wirkmächtigkeit zu nehmen.

Jesus widersteht dreimal der Versuchung durch den Satan. Auch das soll uns etwas deutlich machen. Der Satan versucht es nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder. Und immer und immer wieder müssen wir dem entgegenwirken. Wir müssen dem Widerstand durch unseren festen Glauben Nachdruck leisten. Mit unserem Glauben tatkräftig den Satan in seine Schranken weisen, bis er aufgibt. Das ist unser Job, den wir heute und an jedem Tag zu leisten haben. Es geht um unsere Freiheit. Es geht um den Frieden.

Der Tod von Alexej Navalny macht nachdrücklich deutlich, was es heißt, der Versuchung zu widerstehen. Denn auch die Sicherheit ist eine Versuchung. Er ging, nachdem ihm in der Berliner Charité das Leben gerettet worden ist, wieder zurück nach Russland, wohlwissend, dass das für ihn das Ende der Freiheit und auch den Tod bedeuten könnte. Er sah um der Glaubwürdigkeit seines Anliegens keine andere Alternative.

In der Geschichte unserer Kirche und unseres Landes gibt es auch einen Menschen, der der Versuchung der Sicherheit widerstanden hat: Dietrich Bonhoeffer. Er reiste, als sich 1939 ein möglicher Krieg abzeichnete, nach New York.  Er hatte amerikanische Freunde darum gebeten, ihm eine Vortragsreise zu organisieren, weil er im Falle eines Krieges nicht den Führereid sprechen wollte, wenn er zur Waffe eingezogen würde. Er wäre in Sicherheit gewesen und geblieben, aber nach sechs Wochen trieb es ihn wieder zurück nach Deutschland. Das Losungswort aus Jesaja 28, 16 bestärkt ihn in seiner Haltung: „Wer glaubt, der flieht nicht.“ Seine Rückkehr nach Deutschland begründet er mit folgenden Worten:

„Ich bin jetzt überzeugt, daß mein Kommen nach Amerika ein Fehler war. Diese schwierige Epoche unserer nationalen Geschichte muß ich bei den Christenmenschen Deutschlands durchleben. Ich habe kein Recht, an der Wiederherstellung des christlichen Lebens in Deutschland nach dem Kriege mitzuwirken, wenn ich nicht die Prüfungen dieser Zeit mit meinem Volk teile.“

Dietrich Bonhoeffer, lllegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940, DBW 15, 210; Übersetzung: 644

Wir wissen, wie die Geschichte das Leben Dietrich Bonhoeffers beendet hat. Im bayerischen KZ Flossenbürg wurde er am 9. April 1945 – vor 79 Jahren auf persönlichen Befehl von Adolf Hitler ermordet. Seine letzte schriftliche Notiz lautete:

„Ich sterbe als stummer Zeuge Christi unter seinen Brüdern“,

sein letzter Satz, den er einem Mitgefangenen als Nachricht für seine Familie mit auf den Weg gegeben hat, lautet:

„Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.“

Mit diesen Worten nahm er dem Diktator Adolf Hitler die Macht über sein Leben und machte deutlich, dass allein Jesus Christus sein Herr ist. Das sollte uns heute zu denken geben.

Auf den Tag genau drei Wochen später nahm sich am 30. April Adolf Hitler das Leben.

Ich glaube, dass Geschichte kein Schicksal ist, sondern eine Herausforderung, auch und insbesondere für unseren Glauben. Je früher wir den Versuchungen vermeintlich einfacher Lösungen widerstehen und Hand in Hand glaubhaft und glaubwürdig die Position beziehen, dass einzig und allein Gott der Herr dieser Welt ist, desto größer ist die Chance, dass das „Nie wieder jetzt ist“ und bleiben wird.

Es liegt an uns, unserem Glauben diese Wirkung zu verleihen.

Jesus Christus bezog Satan gegenüber eine unmissverständliche Position, als er zu ihm sagte:

Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«

Kaum, dass er das gesagt hatte,

Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.

Lasst auch uns herzutreten und Jesus dienen, wie ihm einst die Engel gedient haben, um auch heute der Sphäre des Satan gegenüber eine unmissverständliche Position einzunehmen:

Lasst uns anbeten den Herrn, unseren Gott, und ihm allein dienen.

Amen.

Pfarrer Martin Dubberke, Predigt am Sonntag Invocavit, 18. Februar 2024, über Matthäus 4,1-11, Perikopenreihe VI, in der Markuskirche zu Farchant und der Friedenskirche zu Burgrain

 

Pfr. Martin Dubberke

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