Pfr. Martin Dubberke
Gründonnerstag | Bild: Martin Dubberke©

Das tut zu meinem Gedächtnis

Liebe Geschwister, als Gottfried und ich uns am Dienstag darüber unterhielten, wie wir diesen Gottesdienst gestalten wollen, kamen wir auch auf die Frage der Predigt. Schnell entschieden wir uns, dass wir uns die Predigt auch teilen könnten. Und dann kam Gottfried noch einmal auf den Text von Dietrich Bonhoeffer zu sprechen, den ich am Morgen zu Beginn unserer Dienstbesprechung vorgelesen hatte. Es war ein Abschnitt aus „Gemeinsames Leben“, in dem es um die Gemeinschaft als Quelle der Freude ging, eine Passage aus dem ersten Kapitel des Buches, das „Gemeinschaft“ überschrieben ist, ein Buch, in dem Bonhoeffer entfaltet, was für ihn Gemeinschaft bedeutet, ein Buch, das mit dem Kapitel Beichte und Abendmahl endet. Wobei von den zehn Seiten des Kapitels, neun sich mit der Beichte auseinandersetzen und knapp eine mit dem Abendmahl. Dabei geht um die gestörte Gemeinschaft und die wiederhergestellte Gemeinschaft. Ihr habt es gemerkt. Am Anfang unseres Gottesdienstes, stand die Beichte im Mittelpunkt und am Ende wird das Abendmahl im Mittelpunkt stehen. Die Beichte hat das uns Trennende fürs Erste aus dem Weg geräumt. Aber mal ganz ehrlich: Das Verhältnis von neun Seiten Beichte und einer Seite Abendmahl macht auch etwas deutlich: Es fällt uns deutlich schwerer, einander Schuld einzugestehen und zu vergeben. Der Weg zum Abendmahl ist also gewissermaßen länger, als die Feier des Abendmahl selbst. Und das sollte uns zu denken geben.

Dietrich Bonhoeffer schreibt:

So gewiss die Beichte ein in sich geschlossenes Handeln im Namen Christi ist und in der Gemeinschaft so oft geübt wird, wie das Verlangen danach besteht, so dient die Beichte der christlichen Gemeinschaft besonders zur Vorbereitung des gemeinsamen Ganges zum heiligen Abendmahl. Versöhnt mit Gott und Menschen wollen die Christen Leib und Blut Jesu Christi empfangen. Es ist das Gebot Jesu, dass keiner mit unversöhntem Herzen gegen seinen Bruder zum Altar komme. Gilt dieses Gebot schon für jeden Gottesdienst, ja für jedes Gebet, so erst recht für den Gang zum Sakrament. Der Tag vor dem gemeinsamen Abendmahl wird die Brüder einer christlichen Gemeinschaft beieinander finden, einer erbittet vom andern Vergebung für begangenes Unrecht. Keiner kann recht bereitet zum Tisch des Herrn gehen, der diesen Gang zum Bruder scheut. Aller Zorn, Streit, Neid, böses Geschwätz und unbrüderliches Handeln muss abgetan sein, wenn die Brüder miteinander die Gnade Gottes im Sakrament empfangen wollen. Doch ist die Abbitte beim Bruder noch nicht Beichte, und nur jene steht unter dem ausdrücklichen Gebot Jesu. Die Bereitung zum Abendmahl wird aber beim Einzelnen auch das Verlangen wachrufen nach voller Gewissheit der Vergebung bestimmter Sünden, die ihn ängsten und quälen, und die nur Gott weiß. Diesem Verlangen wird das Angebot der brüderlichen Beichte und Absolution verkündigt. Wo Angst und Not über die eigne Sünde groß geworden ist, wo Gewissheit der Vergebung gesucht wird, dort wird im Namen Jesu zur brüderlichen Beichte eingeladen. Was Jesus den Vorwurf der Gotteslästerung eintrug, nämlich dass er Sünden vergab, das geschieht nun in der christlichen Bruderschaft in der Kraft der Gegenwart Jesu Christi. Einer vergibt dem andern im Namen Jesu des dreieinigen Gottes alle seine Sünde, und bei den Engeln im Himmel ist Freude über den Sünder, der sich bekehrt. So wird die Vorbereitungszeit vor dem Abendmahl erfüllt sein von brüderlicher Ermahnung, Tröstung, von Gebeten, von Angst und von Freude.

Der Tag des Abendmahls ist für die christliche Gemeinschaft ein Freudentag. Im Herzen versöhnt mit Gott und den Brüdern empfängt die Gemeinde die Gabe des Leibes und Blutes Jesu Christi und in ihr Vergebung, neues Leben und Seligkeit. Neue Gemeinschaft mit Gott und Menschen ist ihr geschenkt. Die Gemeinschaft des heiligen Abendmahls ist die Erfüllung der christlichen Gemeinschaft überhaupt. So wie die Glieder der Gemeinde vereinigt sind in Leib und Blut am Tische des Herrn, so werden sie in Ewigkeit beieinander sein. Hier ist die Gemeinschaft am Ziel. Hier ist die Freude an Christus und seiner Gemeinde vollkommen. Das gemeinsame Leben der Christen unter dem Wort ist im Sakrament zu seiner Erfüllung gekommen.

Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, DBW 5, Seite 102

Als ich diese Stelle in Vorbereitung auf heute noch einmal gelesen habe, hatte ich mit einem Mal ein Bild vor Augen: All die Politikerinnen und Politiker, die gerade Zollkriege, heiße Kriege und andere Widerlichkeiten gegeneinander führen, die einander drohen, gehen heute miteinander zum Abendmahl und haben miteinander und voreinander die Beichte abgelegt, einander vergeben und das Abendmahl wird zu einem Fest des Friedens. Ein schönes Bild. Aber was verlangen wir von denen da oben, was wir oft schon in unserer eigenen kleinen Welt nicht auf die Reihe bekommen? Nichts unmenschliches, sondern nur etwas grundchristliches.

Dietrich Bonhoeffer hatte ein tiefes und gemeinschaftsorientiertes Verständnis des Abendmahls, das eng mit seiner Theologie und seinem Glauben an die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen verbunden war. Für Bonhoeffer war das Abendmahl nicht nur ein individuelles Erlebnis, sondern ein zentraler Ausdruck der Gemeinschaft unter den Christen und ihrer Beziehung zu Christus.

Gemeinschaft und Einheit:

Bonhoeffer sah das Abendmahl als einen Akt, der die Gemeinschaft der Gläubigen stärkt und ihre Einheit in Christus sichtbar macht. Es war für ihn ein Zeichen der Verbundenheit, sowohl mit Christus als auch untereinander.

Gegenwart Christi:

Bonhoeffer betonte die reale Gegenwart Christi im Abendmahl. Diese Gegenwart war für ihn nicht nur symbolisch, sondern eine tatsächliche Begegnung mit Christus, die die Gläubigen stärkt und ihnen Trost spendet.

Vergebung und Gnade:

Das Abendmahl war für Bonhoeffer ein Ort der Vergebung und der Gnade. Es erinnerte die Gläubigen daran, dass sie durch Christus von ihrer Schuld befreit sind und in der Gemeinschaft der Kirche angenommen werden.

Eschatologische Dimension:

Für Bonhoeffer hatte das Abendmahl auch eine eschatologische Dimension. Er sah im Abendmahl auch eine Hoffnung auf die zukünftige Vollendung der Gemeinschaft mit Christus. Es war für ihn ein Vorgeschmack auf das himmlische Festmahl, das alle Gläubigen erwartet.

Verantwortung der Kirche:

Und schließlich betonte er, dass die Kirche die Verantwortung hat, das Abendmahl in einer Weise zu feiern, die die Gemeinschaft stärkt und die Gegenwart Christi erfahrbar macht. Die Feier des Abendmahls sollte nicht nur eine Tradition sein, sondern eine lebendige und transformative, eine einen selbst verändernde Erfahrung sein. Das Abendmahl ist nicht nur ein Ritual, das wir regelmäßig wiederholen. Denn wenn es ein reines Ritual wäre, würde es zu einer hohlen Handlung, würde es entwertet. Das:

Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

ist Verkündigung, ist ein Versprechen, bei Jesus Christus zu bleiben, bis er kommt. Es ist ein sich gegenseitiges Bestärken im Glauben und im Erleben, der Lebens- und Glaubensgemeinschaft, zu der Jesus Christus einst seine ersten Jünger zusammengerufen hat. Und so wird die Gemeinschaft mit Christus und untereinander seit bald zweitausend Jahren immer und immer wieder erneuert, wenn wir von diesem Brot essen und von dem Kelch trinken.

Es ist die Stärkung und Ermutigung durch das Erleben der Gemeinschaft und Gegenwart Jesu Christi allen Widrigkeiten des Lebens und der Welt zu trotzen, Kraft daraus zu ziehen, mutig seinen Glauben zu leben und einander zu vergeben.

Bonhoeffers Abendmahlverständnis war geprägt von seiner Überzeugung, dass die Kirche „für andere da sein“ muss und dass das Abendmahl ein zentraler Ausdruck dieser Haltung ist. Es war für ihn ein Ort der Begegnung mit Gott und der Gemeinschaft unter den Menschen.

Und genau darum ist das Abendmahl heilig. Heil bedeutet geheilt, unversehrt, versöhnt. Im Abendmahl erleben wir genau dieses Heil, wonach wir uns aus unserem tiefsten Innern heraus sehnen. Und so gibt uns auch in diesen Zeiten wie in all den anderen Zeiten, die Menschen im Glauben vor uns erlebt haben, die heiter und schwierig waren, Kraft und Mut, weil wir erleben, dass uns Jesus nicht im Stich gelassen hat, sondern mitten unter uns ist. Das hat er uns am Gründonnerstag versprochen und nie gebrochen.

Amen.

Pfr. Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke

Predigt am Gründonnerstag in der Johanneskirche zu Partenkirchen am 17. April 2025, Perikopenreihe I, 1. Korinther 11,17-26

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