Er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.
Psalm 103,14Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, auf dass auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.
2. Korinther 4,10
Es schneit und schneit und schneit. Wer hätte gedacht, dass nach all dem Frühling nun ausgerechnet mit Beginn der Sommerzeit der Winter wieder Einzug hält. Das zeigt einmal mehr, dass die Sommerzeit etwas Willkürliches ist, das Mensch und Natur nicht gebrauchen können. Die eine Stunde bringt den ganzen Rhythmus aus dem Takt. Man kämpft am Morgen mit dem Sommerzeit-Jetlag, der eine Sohn verschläft seit zwei Tagen. Wenn man ihn nicht wecken würde, so sehr ist er in seinem Rhythmus, käme er pünktlich eine Stunde zu spät zur Schule. Ich kann an der Zeit nicht drehen. Das macht mir Jahr für Jahr die Sommerzeit deutlich. Erst wird mir eine Stunde gestohlen und Monate später wieder zurückgegeben.
Ich liebe die Unbestechlichkeit der Vögel. Sie fangen pünktlich mit ihrem Morgenzwitschern an und gehen nicht schon eine Stunde früher an den Start. Die Natur lässt sich nicht übertölpeln. Und genauso wenig lässt sich auch unsere Vergänglichkeit austricksen.
Wenn ich z.B. mit meiner Frau in eine Parfümerie gehe, bin ich immer wieder davon beeindruckt, wie viele Cremes, Salben oder Seren es gibt, die das Altern vermeiden sollen – nebenbei gesagt: auch für Männer. Ja, ich gebe zu, dass auch ich eine Gesichtscreme benutze, aber nicht, um nicht zu altern, sondern um meine Haut zu pflegen. Und es ist auch wichtig, den Körper, den uns Gott geliehen hat, zu pflegen und wertschätzend mit ihm umzugehen. Das Alter, die Vergänglichkeit kann ich nicht aufhalten. Und das merke ich auch. Ich merke, dass ich älter werde, meine Söhne flügge werden und dann bei uns zu Hause eine neue Zeit anbrechen wird, eine Zeit, in der Familie nicht mehr heißt, dass alle unter einem Dach wohnen. Ich merke es auch daran, dass Menschen um mich herum sterben, seien es Menschen, die ich gar nicht gekannt habe und von mir zu Grabe getragen werden, seien es Menschen, die mich ein Leben lang oder eine Epoche lang begleitet haben, so wie in meiner alten Gemeinde in Berlin, wo gerade alle mir vertrauten Menschen sterben. Seien es die Schauspieler, Schriftsteller und Musiker, die Teil meines Lebens sind. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich nach dem Tod eines meiner Lieblingsschriftsteller in der Buchhandlung meines Vertrauens vor dem Regal mit seinen Büchern stand und realisierte, dass ich nun nie wieder ein neues Buch von ihm aus diesem Regal nehmen, bezahlen und lesen würde.
Und dann stellt sich mit einem Male die Frage, was denn von mir bleiben wird. Gut, was kann mich das interessieren, wenn ich dann irgendwann einmal im ewigen Leben angekommen bin? Klingt jetzt lässig, ist es aber nicht. Es geht ja dabei auch um die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens.
Vielleicht ist das ja auch eine der Fragen, denen man sich in der Passionszeit mal widmen sollte. Ich meine, wer setzt sich schon gerne mit seiner eigenen Vergänglichkeit auseinander. Wie gut, dass wenigstens einer – also Gott – daran denkt, dass ich Staub bin, dass ich vergänglich bin und mich dann via morgendlicher Losung mit dieser Frage konfrontiert. Ich sage ja immer, dass es sich lohnt, den Tag mit Losung und Lehrtext zu beginnen und sich auch die Zeit zu nehmen, darüber zu meditieren, nachzusinnen.
Memento mori – gedenke des Todes. Das kann heilsam sein, weil es mich mit meiner irdischen Begrenztheit konfrontiert. Ich kann nicht alles in meinem Leben schaffen, was ich vielleicht gerne wollte. Und ich merke, dass ich – je älter ich werde – ein anderes Verhältnis zur Zeit bekomme. Sie wird mir immer wichtiger. Und das hat für mich nichts mit einer Work-Life-Balance zu tun, sondern mit einer Konzentration auf das Wesentliche. Ich merke, dass ich die Dinge mehr konzentrieren möchte, weniger Zeit für unsinnige Fahrzeiten verschwenden möchte, wenn Fahrzeiten länger dauern als der eigentliche Termin, bei dem am Ende dann nichts rauskommt. Das verschafft mir schlechte Laune, genauso wie so mancher Ballast, den ich mit mir rumschleppe – womit ich nicht unbedingt mein eigenes Gewicht meine.
Die Vergänglichkeit, die ich nicht aufhalten kann, weil sie ja in einem fort unterwegs ist, lädt mich ein, mich zu sortieren, zu unterscheiden, was wichtig, was unwichtig und vor allem überflüssig ist. Vergänglichkeit bedeutet also auch, Ballast abzuwerfen.
Vergänglichkeit bedeutet aber auch, die Zeit, die mir Gott gegeben hat, wertzuschätzen und bewusst wahrzunehmen. Und ich glaube, wenn einem das gelingt, verändert sich im eigenen Leben mehr als man glauben möchte.
Es ist eben so, wie Paulus es seinen Korinthern geschrieben hat:
Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, auf dass auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.
2. Korinther 4,10
Genauso wie Jesus, werden auch wir sterben. Wobei ich allerdings zugeben muss, dass Paulus das in einem anderen Zusammenhang gesehen hat. Er sah hier, die Gefahr der Bedrängung unseres Lebens, weil wir Christenmenschen damals bedrängt und verfolgt wurden. Und zugleich tragen wir aber auch das Leben Jesu an unserem Leibe, das offenbar, dass sichtbar werden darf. Wir dürfen also als Christinnen und Christen in dieser Welt erkennbar werden, weil wir die Botschaft des Lebens haben. Vergänglichkeit und Leben gehören zusammen. Als Christinnen und Christen haben wir von Jesus Christus die Wertschätzung des Lebens gelernt, meines eigenen Lebens und des Lebens meines Nächsten. Das Leben wertzuschätzen, ist eine positive, dem Leben zugewandte Haltung, die das Leben aller verändern kann, wenn ich das Leben Jesu, das ich an mir trage, für jeden Menschen erkennbar werden lasse.
Es ist das große und befreiende Ja zum Leben. So, wie wir es in anderthalb Wochen zu Ostern miteinander feiern werden.
Pfarrer Martin Dubberke, Gedanken zu Losung & Lehrtext vom 28. März 2023
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