Pfr. Martin Dubberke
Pfingsten 2024 | Bild: Martin Dubberke

…und sie wurden wieder lebendig

Liebe Geschwister, dieser Predigttext löst heftige Bilder aus. Während Hezekiel von Gottes Hand im Geist des Herrn geführt worden ist und mitten auf ein weites Feld geführt wird, dass voller Totengebeine liegt, werden wir heute durch die Medien an die Orte geführt, wo die Toten unter Tüchern liegen, wo tote Körper ohne Gesicht gezeigt werden. Es sind die Toten der Verständnislosigkeit. All diese Toten stehen für genau das Gegenteil von dem, was wir als Christinnen und Christen mit Pfingsten verbinden.

Krieg, das Töten von Menschen, das Zerstören von Heimat bedeutet das Ende gegenseitigen Verstehens, gegenseitiger Werte, eines gemeinsamen verbindenden Geistes.

Welche Rolle spielt Pfingsten in unserer Gesellschaft? Ich habe in diesen Tagen mal einen Selbstversuch gestartet und wo immer ich mich verabschiedet habe „Frohe und gesegnete Pfingsten“ gewünscht. Dabei habe ich auch heuer festgestellt, dass der Gruß „Frohe Pfingsten“ auf der Straße und in den Geschäften mehr und mehr dem Wunsch nach einem schönen verlängerten Wochenende oder „Frohen Feiertagen“ gewichen ist. Wissen die Menschen nicht mehr, was Pfingsten ist? Haben sich die Menschen von Pfingsten schon so weit entfernt, dass sie sich nicht mehr trauen, das Wort in den Mund zu nehmen?

Sie haben sich nicht nur von Pfingsten entfernt, sondern auch von unserem Geburtstagskind. Wenn ich an meine Kindheit denke, war Pfingsten – und ich bin wie manch einer von Euch weiß in einem unkirchlichen Haus aufgewachsen – immer etwas Besonderes. Dafür hat meine Mutter mit ihren ostpreußischen Traditionen gesorgt. So war der Frühstückstisch immer bunt und fröhlich gedeckt. Überall auf dem Tisch waren Marien- und Maikäfer aus Schokolade verteilt. In der Vase standen frische Birkenzweige. Es gab ein ganz besonderes Mittagessen an diesem Tag. Meine Mutter machte aus diesem Tag einen Festtag. Am Nachmittag kamen die Großeltern und andere Verwandte zum Kaffee und Kuchen zu uns. Pfingsten war bei uns zu Hause immer ein großes Fest.

Und es wurden auch noch Pfingstgrüße verschickt. Auch hier kamen Karten mit Maikäfern und Marienkäfern bei uns an und wir selbst haben sie auch verschickt. Das kennt Ihr doch auch noch. Wer von Euch hat denn in diesem Jahr Karten bekommen oder selbst verschickt? Ich habe habe heute morgen in meinen Mails einen Pfingstgruß aus meiner alten Gemeinde gehabt.

Weihnachten war Tannenbaum. Ostern waren das Ei und der Osterhase und Pfingsten eben der Mai- und Marienkäfer und Birkenzweige. Sie waren für mich als Kind die Symbole von Tagen, die ich noch nicht verstand, die aber immer große Vorfreude bei mir auslösten, weil das Besondere dieser Tage zu spüren war. Manchmal vermisse ich diese naive Freude.

Pfingsten erinnert mich an die Geburtstage meiner Kindheit. Wir waren einmal eine große Familie. Alle reisten an, um zu feiern. Da kamen nicht nur die Großeltern, die um die Ecke wohnten, sondern auch Onkel und Tanten aus der ganzen Stadt und dem ganzen Land, kam doch die eine Hälfte meiner Familie aus Ostpreußen. Die waren durch die Flucht über das ganze Land verstreut. Und heute? Heute sind wir ein kleines Häuflein, wenn wir feiern, weil fast alle von uns gegangen sind, gestorben sind.

Beim Geburtstag der Kirche sieht es heute kaum anders aus. Wir sind weniger geworden. Es werden immer weniger Menschen, die diesen Geburtstag feiern. Und es werden immer weniger Menschen, die in dieser Welt auf das Wirken des Heiligen Geistes vertrauen, der so überraschend wirken kann.

Und seien wir mal ehrlich, Hezekiel glaubte im ersten Moment auch nicht an die Wirkung des Geistes, als der Herr zu ihm sprach:

Du Menschenkind, meinst du wohl, dass diese Gebeine wieder lebendig werden?

Und Hesekiel sprach:

HERR, mein Gott, du weißt es.

Eine sehr kluge Antwort. Hesekiel legt die Antwort sofort in Gottes Hand und vertraut auf Gott. Und er macht noch mehr, denn Gott fordert ihn nun auf:

Weissage über diese Gebeine und sprich zu ihnen: Ihr verdorrten Gebeine, höret des HERRN Wort!

Seit wann können tote Gebeine hören? Aber Hesekiel lässt sich weiter auf Gott ein. Was kann mehr geschehen, als die Knochen da so liegen bleiben, wie sie da liegen. Also spricht er das nach, was Gott ihm aufgetragen hat:

Ihr verdorrten Gebeine, höret des HERRN Wort! So spricht Gott der HERR zu diesen Gebeinen: Siehe, ich will Odem in euch bringen, dass ihr wieder lebendig werdet…

Der Odem, von dem hier die Rede ist, ist der RUACH (ר֖וּחַ), so heißt das Wort für Odem im hebräischen Original. RUACH ist der Geist Gottes. Wenn man dieses Wort ausspricht hört man schon das Rauschen: RUACH. Das ist der Geist, der Leben schenkt. RUACH ist das Leben.

Und wir haben gehört, was passiert ist. Diese toten Knochen wurden wieder lebendig. Das Fleisch und die Sehnen wuchsen. Und es rauschte, während Hesekiel die Worte Gottes nachsprach. Was für ein großartiger Moment, der mich mit Gänsehaut erfüllt, weil dieser Augenblick deutlich macht, was geschehen kann, wenn wir einfach das Wort Gottes sagen, wenn wir uns trauen, so verrückt zu sein, von diesem Gott zu erzählen und dabei zu erleben, wie er mit seinem Geist wirkt.

Hesekiel macht uns deutlich, was möglich ist und vor allem wird, wenn wir uns auf Gott einlassen und zwar tätig einlassen, indem wir nicht nur hören, sondern auch aus dem Gehörten heraus reden und handeln.

Und die Geschichte, die uns hier Hesekiel erzählt, ist nicht nur ein großartiges Glaubenszeugnis, das er hier vor uns ablegt, sondern es ist auch die Einladung es ihm nachzutun. Es ist die Einladung, sich mutig auf Gott einzulassen, selbst auf die Gefahr hin, vor sich selbst oder vor anderen zum Narren gehalten zu werden. Die Geschichte, die uns Hesekiel aus seinem Leben, aus seiner Erfahrung mit Gott und seiner Beziehung zu Gott erzählt, macht deutlich welche verändernde und vor allem lebensbejahende Energie davon ausgehen kann und ausgeht, wenn man von seinem Glauben erzählt, ja, selbst wenn man das Wort Gottes lediglich nachplappert – was natürlich authentisch und glaubwürdig geschehen sollte. Es macht deutlich, dass wir einfach mehr von unserem Glauben und unseren Glaubenserlebnissen unserer Gotteserfahrung reden und erzählen sollen, weil das lebendig macht und lebendig hält.

Ich bin von meinem Glauben so begeistert, dass ich nicht anders kann, als immer wieder zu erzählen, was Gott in meinem Leben alles bewirkt, was in meinem Leben möglich geworden ist, weil ich mich so auf ihn eingelassen habe und ihm immer vertraut habe. Ich spüre diesen lebendigen Geist immer und immer wieder. Und ich weiß, dass andere ihn unserer Gemeinde auch immer wieder verspüren. Und nichts anderes legt uns Hesekiel nahe, als genau das zu tun. Und wer käme bei Hesekiel auf die Idee, dass er sich selbst predigen würde, nur weil er von seiner Glaubenserfahrung spricht? Hesekiel lebt uns vor, wie wichtig es ist, von seinen Erfahrungen mit Gott zu erzählen.

Und damit machen wir dann noch etwas deutlich, nämlich das, was Paulus seinen Korinthern geschrieben hat:

Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen, was uns von Gott geschenkt ist.
1. Korinther 2,12

Der Geist der Welt ist – wie wir gerade erleben – ein Ungeist. Der Geist der Welt, diese Mischung aus Krieg, Menschenverachtung, politischer Verzagtheit, Rassismus, Links- und Rechtsextremismus, Egoismus, Fakenews und alternativen Fakten, Verrat und Verkauf, darf nicht der Geist sein, der unser Leben unsere Welt bestimmt, sondern der Geist aus Gott sollte unser Leben bestimmen, weil der Geist aus Gott, das Ja zum Leben ist, das Ja zur Liebe, das Ja zum Frieden.

Es ist der Heilige Geist, der uns alle miteinander verbindet. Der Heilige Geist bewirkt, dass wir einander verstehen. Der Heilige Geist bewirkt, dass wir begreifen, was Gott von und mit uns möchte.

Es geht also um alles. Es geht um unser Leben. Es geht um unsere Existenz. Es geht um die ganze Schöpfung.

Petrus bringt das mit den letzten Worten seiner Pfingstpredigt auf einen ganz einfachen Nenner:

Und es soll geschehen: Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden.
Apostelgeschichte 2,21

Und damit jeder weiß, worum es geht, wirkt der Heilige Geist zu Pfingsten das Sprachwunder, damit niemand behaupten kann, er hätte es nicht gewusst. Das gilt für Euch wie für mich und die ganze Welt.

Komm, Heiliger Geist,
erfüll die Herzen deiner Gläubigen
und entzünd ihn ihnen
das Feuer deiner göttlichen Liebe.

Amen. – So soll es sein.

Pfarrer Martin Dubberke, Predigt am Pfingstsonntag, 19. Mai 2024, über Hesekiel 37,1-14, Perikopenreihe VI, in der Markuskirche zu Farchant und der Johanneskirche zu Partenkirchen

Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke (https://johannes.pictures)
Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke (https://johannes.pictures)

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