Pfr. Martin Dubberke
Passionsnotiz Nr. 33 | Bild: Martin Dubberke

Sorgenbälle

Manchmal braucht man ja Bilder, um etwas zu verstehen. Und manchmal gibt es Sätze, die lösen das sogenannte Kino im Kopf aus. Und genauso erging es mir, als ich den Wochenspruch las:

All eure Sorge werft auf ihn;
denn er sorgt für euch.
1. Petrus 5,7

Bei diesen Worten lief in meinem Kopf folgender Film ab:

Wir alle sitzen hier im Rund unserer Andacht, haben lauter kleine Sorgenbälle auf dem Schoß zu liegen, die ich zuvor in einem Korb rumgegeben habe. Und dann werfen wir alle unsere Sorgenbälle in die Mitte, in der Hoffnung, dass Gott in seiner Allgegenwart, genau an dieser Stelle steht und alle Bälle fangen wird.

Er kann das. Schließlich ist er nicht nur omnipäsent, sondern auch omnipotent – also allgegenwärtig und allmächtig.

Tja, und dann haben wir unsere Sorgen einfach auf ihn geworfen, von uns weggeworfen, sind sie losgeworden, so dass sie uns nicht mehr beschäftigen und wir fröhlich von hier aus wieder an unsere Plätze zurückgehen und denken: „Wow, was für eine Andacht! Was für ein Start in den Morgen! Was für eine tolle Idee!“

Tja, wenn es mal so einfach wäre. Sie haben es geahnt. Sorgen kann man leider nicht so einfach mal von sich werfen, auch wenn das Bild, das Petrus zeichnet durchaus solche Bilder auslösen kann. Sorgen gehören zum Leben dazu. Sorgen auszuhalten auch. Und es gibt so viele Sorgen und wir haben in der Regel nicht nur eine Sorge, mit der wir uns herumschlagen. Wollte ich alle Sorgen, die es gibt, aufzählen, kämen wir heute nicht zum Arbeiten und morgen wahrscheinlich auch nicht.

Und dennoch, die Aufforderung, all unsere Sorge auf Gott zu werfen, hat etwas Befreiendes. Es gibt jemanden, der sich meiner Sorgen annimmt. Es ist ja zuweilen nicht so einfach, sich jemandem mit seinen Sorgen zu öffnen. Da braucht es schon Vertrauen und die Sicherheit, dass der andere mich versteht, dass mich der andere ernst nimmt und meine Sorgen nicht klein redet, sondern sie als das nimmt, was sie sind: Meine großen, mittleren oder kleinen Sorgen. Egal wie groß eine Sorge ist. Meine Sorge ist meine Sorge ist meine Sorge. Und sie hat alles Recht, meine Sorge zu sein. Gott gibt diese Sicherheit, verstanden zu werden.

Er nimmt mich mit meiner Sorge ernst und er nimmt mich vor allem mit meiner Sorge an. Ich gehe nicht allein. Ich kann mit seiner Hilfe, meine Sorge aushalten und ihr mit ihm auf nachspüren und ihrer eigentlichen Ursache auf die Spur kommen. Manche Sorge weist mich auf etwas hin, an das ich mich vielleicht gar nicht erinnern kann und so ist diese Sorge eine Botschaft, die mich vielleicht mit einer ganz, ganz alten Angst konfrontiert. Würde ich die Sorge so leicht abwerfen, wie ich es am Anfang mit meinem Kino im Kopf versucht habe, würde das Alte, das in mir Vergrabene bleiben, das mich heimlich gefangen Nehmende die Macht behalten.

Das Wochenlied 369 gibt uns hier einen ganz wichtigen Hinweis:

Man halte nur ein wenig stille,
und sei doch in sich vergnügt,
wie unsers Gottes Gnadenwille,
wie sein Allwissenheit es fügt;
Gott, der uns sich hat auserwählt,
der weiß auch sehr wohl,
was uns fehlt.

Wer nur den lieben Gott lässt walten
und hoffet auf ihn alle Zeit,
den wird er wunderbar erhalten
in aller Not und Traurigkeit.

Um die Sorge los zu werden, muss ich auch bereit sein, sie loszulassen. Das ist der andere Aspekt, der mit dem Werfen der Sorge auf Gott verbunden ist: Loszulassen.

Und die Weise, von der Sorge loszulassen, sie auf Gott zu werfen, ist das Gebet. Weil ich die Zusage habe, dass er für mich sorgt, kann ich mich ihm öffnen, ihm alles erzählen, anvertrauen und wenn ich genau zuhöre, weil beten auch zuhören ist, dann kann ich an seiner Allwissenheit partizipieren, denn er weiß, was mir fehlt. Und genau das gibt mir die Sicherheit, mit meiner Sorge bei ihm richtig zu sein und nicht befürchten zu müssen, dass mir meine Sorge klein und weggeredet, ja zerstreut werden könnte.

Ich kann meine Sorge im Gebet auf ihn werfen, denn er sorgt für mich. Was für ein wunderbares Bild, der Ruhe, der Liebe, der Zuwendung, des inneren, gelassenen Friedens. Er sorgt für mich. Wer, wenn nicht er.

Amen.

Wochenandacht im LAFIM am 28. September 2017 über den Wochenspruch für den 15. Sonntag nach Trinitatis.