Pfr. Martin Dubberke
Klosterruine Graues Kloster Berlin | Bild: Martin Dubberke

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch

Liebe Geschwister, wir leben in einer Zeit der Erwartung. Wir erwarten jeden Tag, wenn wir in die Zeitung schauen, wenn wir die Nachrichten sehen, gute Nachrichten, dass wir hören, dass da, wo Krieg herrscht, endlich Frieden gemacht wird. Wir erwarten jeden Tag, dass wir hören und sehen, dass es in den Ländern, in denen Hunger herrscht, die Menschen satt werden. Wir erwarten jeden Tag die Meldung, dass die Menschen nicht mehr fliehen wollen, weil die Ursachen ihrer Flucht der Vergangenheit angehören. Wir erwarten jeden Tag, dass in den Nachrichten die Meldung kommt, dass unserer Regierung auch mal was gelungen ist.

Wir sind in Erwartung. Wir erwarten Jesus Christus, wie die Menschen, die damals in Jerusalem standen und Jesus erwartet haben, der wie ein neuer König in die Stadt, in die Zentrale der Macht eingezogen ist, dem die Menschen „Hosianna!“ – also „Hilf doch!“ zugerufen haben. Wir brauchen Hilfe und die erwarten wir von Jesus, unserem Retter, unserem Friedefürsten, unserem Heiland, dem Mann, der alles heil werden lässt.

Heute in drei Wochen feiern wir wieder seine Geburt. Und die Menschen werden in die Kirchen kommen, wie sie das ganze Jahr über nicht in die Kirchen kommen, weil sie eines miteinander eint: Die Hoffnung darauf, dass alles gut wird. Sie kommen, weil sie mit dem guten Gefühl, das ein Gottesdienst am Heiligen Abend den Menschen geben kann, wieder nach Hause in ihr normales Leben gehen.

Aber, was ist sonst mit dem Glauben in unserer Zeit? Sind wir, die wir hier in der Johanneskirche sitzen, nicht vielleicht so etwas wie eine aussterbende Rasse, die immer weniger wird, weil – wie die 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung es festgestellt hat – nicht nur die Kirchenbindung, sondern auch die Religiosität zurückgegangen ist?

Sind wir vielleicht wie die Sumatra-Nashörner? Ihr werdet Euch vielleicht erinnern, wie am Montag in den Nachrichten gemeldet wurde, dass ein neues Sumatra Nashorn geboren wurde. Wer die Meldung nicht gehört hat, wird sich vielleicht fragen, was daran so besonders ist. Ich kann es Euch sagen: Es gibt nur noch rund 80 Tiere dieser Art. Die Jagd auf diese Tiere und die Zerstörung ihrer Lebensräume haben den Bestand auf heute schätzungsweise knapp 80 Exemplare schrumpfen lassen.

Wer weiß, vielleicht wird man in Zukunft in den Tagesthemen auch darüber berichten, dass Eltern wie Karsten und Carolin ihre Tilda taufen lassen. Und dann wäre wahrscheinlich auch die Kamerateams der großen deutschen Fernsehsender und die Vertreter der Presse bei uns und würden dieses Ereignis filmen und darüber berichten, eben, weil es so etwas seltenes und besonderes geworden ist.

9 Machet die Tore weit
und die Türen in der Welt hoch,
dass der König der Ehre einziehe!
10 Wer ist der König der Ehre?
Es ist der HERR Zebaoth;
er ist der König der Ehre.

In der Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem, erleben wir, wie die Menschen die Tore weit und die Türen hochmachen, wie sie den Einzug Jesu in Jerusalem wie einen Befreier feiern. Ja, wir warten auf diesen Befreier, der uns von unseren Sorgen und Nöten befreit.

Was sind denn unsere Tore und Türen? Unsere Toren und Türen, sind unsere Augen, unsere Ohren, unsere Herzen, die wir für Jesus Christus weit aufmachen können. Weit auf für seine Botschaft, für seine Liebe. Damit sie bei uns einziehe und unsere Welt heilwerden lässt. Ein Mensch, der von der Liebe Gottes ergriffen wird, lebt anders und das nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch da draußen in dieser Welt, die bei uns so schön, so romantisch, so gut wirkt. Ein Mensch, der sein Herz, seine Ohren und seine Augen für Jesus Christus weit geöffnet hat, wird die Welt anders sehen, der wird sein Herz, seine Ohren und seine Augen auch für andere Menschen öffnen.

Wir allein werden diese Welt nicht retten können, weil wir nicht Jesus Christus sind. Wir würden uns an dieser Aufgabe gewaltig verheben. Aber wir können durch die Liebe, die wir in der Nachfolge Jesu leben, vieles um uns herum zum Guten wenden. [Und das Ganze könnte dann gleich einem Schneeballeffekt vieles in dieser Welt zum Guten bringen. Immerhin, als sich Jesus auf den Weg machte, hatte er Anfangs zwölf Jünger. Heute sind wir weltweit mehr als zwei Milliarden Christinnen und Christen.]

Diese Hoffnung tragt auch Ihr, liebe Carolin und lieber Karsten in Euren Herzen, so wie ihr schon Eure Tochter Carlotta habt taufen lassen, so wollt Ihr heute auch Tilda taufen lassen. Und Ihr lasst Eure Hoffnung und Eure Wünsche für Tilda mit einem Vers aus dem 1. Brief an die Korinther deutlich werden:

Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!
1. Korinther 16,14

Ja, so möge es. Ich habe heute schon den einen oder anderen Gedanken über unsere Erwartungen geäußert, aber in diesem Taufspruch wird die Erwartung Jesu an uns deutlich. Alles, was wir tun oder auch lassen, in der Liebe geschehen zu lassen.

Ja, manchmal muss man aus Liebe auch Dinge lassen oder zulassen. Liebe Carolin und lieber Karsten, Ihr wünscht Euch, dass Tilda in einer guten Zukunft aufwächst, dass sie ihr Leben gut meistert und die Liebe die Richtschnur ihres Lebens wird.

Dass das so wird, liegt auch an Euch. Denn der Taufspruch, den Ihr für Tilda ausgesucht hat, der zum Lebensprogramm Eurer Tochter werden soll, ist in erster Linie Eure Kursvorgabe. Mit diesem Taufspruch macht Ihr Euch nämlich zur Aufgabe, Tilda zu einem Menschen heranwachsen zu lassen, der seine Dinge in Liebe, in der Liebe Jesu Christi geschehen lässt. Aber dafür müsst Ihr ihr auch selbst in der Liebe Christi begegnen. Ihr den Mut machen, diese Liebe auch gegen Widerstände zu leben und nicht aufzugeben. Wer Liebe erfährt wird selbst lieben. Der wird nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Nächsten lieben und achten und nicht zuletzt auch Gott lieben, von dem diese Liebe ausgeht, die uns in den Höhen und Tiefen unseres Lebens bewahrt.

Auch Ihr wollt, dass Tilda, ihr Herz, ihre Ohren, ihre Augen und ihr Leben weit aufmacht für Jesus Christus und ihn in ihr Leben einziehen lässt. Und wer das getan hat, weiß aus seinem tiefsten Innern heraus, wer einem auch in der Not besteht, zu wem ich „Hosianna“ – „Hilf doch!“ rufe. Da wird nicht den falschen, vermeintlichen Rettern zugerufen, sondern dem Retter.  Der wahre Retter ist Jesus Christus. Und das ist wichtig, weil das Leben eben nicht allein aus Sonnenschein oder einer romantischen Schneelandschaft besteht.

Aber Ihr habt Eurer Tochter ja auch einen wunderbaren Namen gegeben, der allein schon Programm ist: Tilda. Das ist ja die Kurzform von Mathilda und bedeutet „Die Kämpferin“. Ja, manchmal wird es auch in Tildas Leben Zeiten geben, in denen sie sich durchkämpfen muss. Sie wird das können, wenn Ihr sie in der Liebe Jesu auf das Leben vorbereitet.

Ihr wisst ja, wie das ist: Sollte Tilda jemals eine Psychotherapie machen müssen, wird sie nicht den lieben Gott dafür verantwortlich machen, sondern Euch. Ihr tragt also eine ganz große Verantwortung.

Tilda wird heute in diese Gemeinde hineingetauft, in eine Gemeinde, die aus der Liebe zu Jesus Christus und der Hoffnung auf sein Walten in unserem Leben heraus lebt.

Ich finde es wunderbar, dass wir heuer die Adventszeit, in der wir uns auf den Geburtstag Jesu Christi vorbereiten, damit beginnen, ein kleines Kind taufen, das ein Symbol dafür ist, dass das Leben weitergeht, dass die Liebe lebt. Denn ohne Eure Liebe gäbe es Tilda nicht und ihr wollt, dass diese Liebe, die Euch Jesus Christus ins Herz gepflanzt hat, auch in ihr weiterlebt und wächst.

So wird Tilda, die kleine Kämpferin, heute für uns alle zu einem Erinnerungszeichen, was es bedeutet, die Augen, die Ohren und nicht zuletzt das Herz weit aufzumachen, damit der König der Ehre in unser Leben einziehen möge.

Amen.

Pfarrer Martin Dubberke, Predigt über Psalm 24, Perikopenreihe VI, in Partenkirchen am 3. Advent, 3. Dezember 2023

Pfr. Martin Dubberke
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