Pfr. Martin Dubberke
Anonym aber nicht vergessen | Bild: Martin Dubberke

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen

Liebe Geschwister, Gott hat Geduld mit uns. Er gibt uns Zeit zur Buße, damit jedermann und jederfrau umkehrt und nicht verloren geht. Das ist das, womit uns Petrus auch heute noch Mut machen möchte. Wir Menschen warten ja seit jeher darauf, dass Jesus zurückkommt, dass der Himmel auf Erden kommt, dass der Frieden in die Welt einzieht, der uns Menschen nicht gelingen möchte. Und Petrus sagt, dass Gott und wir Menschen ein unterschiedliches Zeitgefühlt haben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.

Damit geht er auf unsere Ungeduld ein. Wir glauben ja alle daran, dass einmal dieser neue Himmel kommt. Aber Petrus sagt auch, warum der neue Himmel noch auf sich warten lässt:

Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde. 2. Petrus 3,9

Es liegt also auch ein wenig an uns, dass es noch nicht soweit ist. Angesichts des Todes und angesichts der Ewigkeit stellt sich jedem Menschen die Frage, wie er sein Leben führen möchte. Und es stellt sich diese Frage anders für einen Menschen, der glaubt, als für einen Menschen, der nicht glaubt.

Der Mensch, der glaubt, stellt sein Leben in ein Verhältnis zu Gott. Und der Mensch, der nicht glaubt, stellt sein Leben in ein Verhältnis zu sich selbst. Und damit stellt sich die Frage, wem gegenüber er verantwortlich ist, worauf sein Leben antwortet.

Unser Leben antwortet Gott in Gestalt der Nächstenliebe.  Unser Leben antwortet Gott aber auch in der Liebe, die wir uns selbst entgegenbringen. Mancher Mensch lebt ja so, als würde es nichts geben, dass ihm etwas anhaben könnte. Er verdrängt, dass das irdische Leben endlich ist und vergisst dabei zu leben. Immer wieder höre ich, wenn ich vor einem Trauergottesdienst mit den Angehörigen vorbeikomme, dass der Vater nur für die Arbeit oder sein Hobby gelebt hat und in der Familie kaum präsent war. Ich erlebe manchmal auch einfach nur Schweigen, wenn ich frage, was sie an ihrer Mutter geliebt haben. Ich erlebe natürlich auch immer wieder beglückende Momente des gemeinsamen Lebens und des Erinnerns, was für ein wunderbarer Mensch von uns gegangen ist, aber ich erlebe auch sehr oft, die Trauer darüber, dass man nicht genug vom anderen Menschen gehabt hat. Und da ist es vollkommen egal, ob jemand mit 40 oder mit 99 gestorben ist.

Aber man denkt auch unterschiedlich über sein Leben nach, je nachdem, in welchem Alter man ist. Als ich zwanzig war, lag noch mein ganzes Leben vor mir. Da spielte die Neugier, der Aufbruch, das Studium, einfach das Leben leben eine große Rolle. Nun werde ich in einem guten halben Jahr sechzig und die Akzente in meinem Leben haben sich verschoben. Die Kinder werden flügge und werden bald aus dem Haus ziehen. Meine Frau und ich werden dann alleine im Nest zurückbleiben. Ich erlebe, dass mir mein Körper anfängt, Grenzen zu setzen. Mit anderen Worten, ich blicke heute ganz anders auf mein Leben und spüre, dass ich die meiste Zeit meines Lebens hinter mir habe und damit kommt in mir die Frage auf, wie ich diese Zeit, die mir Gott noch schenken wird, leben werde. Ganz von alleine stellt sich mir die Frage nach der Buße, nach der Umkehr, nach der Inventur meines Lebens.

Nun lebe ich aber hier in Garmisch-Partenkirchen und da stellt sich manche Lebensfrage anders, als einem Zwanzigjährigen in der Ukraine oder Israel. Ich erinnere mich an das, was mir mein Vater immer wieder erzählt hat, der Jahrgang 1930 war, der eine Kindheit und ein Heranwachsen hatte, als man nicht wusste, ob man den nächsten Tag noch erleben würde.

Heute am Ewigkeitssonntag denken wir mehr als an anderen Tagen an die Menschen, die von uns gegangen sind. Wie ihr Gehen unser Leben verändert hat. Wie ihr Tod auch Fragen nach unserem eigenen Leben ausgelöst hat. Und wir erinnern uns daran, was diese Menschen für uns gewesen sind. Die große Liebe, die Geborgenheit und was uns diese Menschen alles auf unserem Weg des Lebens und Liebens mitgegeben haben.

Der Tod und die Ewigkeit stellen uns ganz neue Fragen, denen wir gerne aus dem Weg gehen. Petrus sagt zwar, dass Gott uns Zeit gibt, den Weg zur Buße zu finden, aber er sagt uns auch nicht wann dieser Zeitpunkt ist. Ich glaube, dass es gut ist, dass uns Petrus keine Deadline für die Buße nennt. Er will uns damit deutlich machen, dass wir das nicht ständig vor uns herschieben sollen, denn wir wissen ja nicht, wie viel Zeit uns für die Umkehr, für die Buße bleibt, weil schon morgen der Tag des Herrn sein kann. Und damit könnte es uns dann wie den törichten Jungfrauen ergehen, dass es mit einem Male zu spät ist.

Bei jeder Beerdigung beten wir daher mit folgenden Worten:

Mach uns alle im Glauben bereit für unsere letzte Stunde. Stärke in uns die Zuversicht, dass du unser Leben vollenden wirst. Darum bitten wir durch Jesus Christus, unsern Herrn.

Dass es mit einem Male zu spät sein kann, erleben wir doch auch in unseren Beziehungen zu Menschen, wenn wir immer und immer wieder etwas aufschieben, die Klärung eines Konfliktes, den wir z.B. immer und immer wieder mit unserer Mutter gehabt haben, oder etwas, was wir immer und immer wieder mit unserem Ehepartner gemeinsam machen wollten, aber immer und immer wieder auf später verschoben haben. Und plötzlich starb der andere und es blieb offen und bewegt uns den Rest unseres Lebens. Eine Lücke, die sich nie wieder schließen wird, ein Schmerz, der bleiben wird. Und so ist es auch in unserem Verhältnis zu Gott. Wir haben Zeit, aber nicht alle Zeit, um unser Leben zu ordnen.

Petrus beschreibt ja sehr eindrücklich, was an dem Tag des Herrn geschehen wird: Die Himmel zergehen mit großem Krachen, die Elemente werden in der vor der Hitze schmelzen und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden nicht mehr zu finden sein.

Unser Klima verändert sich. Wir haben als sichtbares Zeichen dafür in diesem Jahre den Gletscher auf der Zugspitze zu Grabe getragen. Wir erleben, wie an anderen Orten unserer Welt die Himmel krachen, weil Raketen und Drohnen ihre zerstörerische Last zu Boden gehen lassen und die Werke, die auf der Erde sind, nicht mehr finden lassen.

All das macht deutlich, wie wichtig und vor allem existenziell es ist, umzukehren. Wir spüren, wie der Tod mit einem Male auch auf andere Weise uns bedrohlich nahekommt.

Wir leben in einer Zeit, die mehr denn je in der Lebenszeit der meisten von uns, unser eigenes Leben, unsere Lebensweise und auch unsere Lebensentwürfe in Frage stellt.

Was bedeutet das für uns, dass wir auf das Kommen Gottes warten? Sind wir dabei, unser Leben zu überdenken, unser Leben im Verhältnis zu Gott zu betrachten, zu reflektieren? Und welche Schlüsse ziehen wir daraus für unser weiteres Leben?

Unsere Zeit drängt uns zur Buße, zur Umkehr. Nicht anderes will uns Psalm 90 nahebringen:

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. Psalm 90,12

Amen.

Pfr. Martin Dubberke, Predigt am Ewigkeitssonntag 2023 über 2. Petrus 3,8-13, Perikopenreihe V, vom 26. November 2023

Pfr. Martin Dubberke
Pfr. Martin Dubberke

Kontakt & Feedback

Wenn Sie mit mir Kontakt aufnehmen wollen oder mit mir ins Gespräch kommen möchten oder ein Feedback zu meiner Predigt geben wollen, schreiben Sie mir bitte einfach eine kurze Nachricht:


Kleiner Buchtipp am Rande

Auf eine Tasse Kaffee mit GottIhr erhaltet das Buch in der Buchhandlung Eures Vertrauens oder: