Pfr. Martin Dubberke

Gedanken zu Losung und Lehrtext vom 8. Juli

Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus.

Psalm 51,14

Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.

Römer 7,19

Na, ich weiß ja nicht, ob das der richtige Text für ein Sommerfest ist, den uns da die Herrenhuter Brüder für heute aus der Lostrommel gezogen haben. Rüste mich mit einem willigen Geist aus und das Bekenntnis, das Gute nicht tun zu können.

Da steckt doch alles drin, um einem an so einem Tag die gute Laune zu verderben. Stellen Sie sich mal vor, Sie gehen nachher am Kuchenbüffet vorbei und beten unentwegt: Herr, rüste mich mit einem willigen Geist aus, lass mich stark sein und es bei einem Stück Kuchen ohne Schlagsahne belassen.Und wenn ich in den Spiegel sehe, muss ich sagen: Der liebe Gott hat mich nicht erhört. Ich will immer noch ein zweites oder auch drittes Stück Kuchen.

Ich meine, es ist Sommer, man sitzt schon draußen im Garten. Da braucht man Kuchen und Kaffee, sonst ist der Sommer kein Sommer.

Aber ich fürchte unsere Kuchensünden hat der Beter des Psalms nicht gemeint. Wollen wir doch mal schauen, von wem der Psalm ist. “Ein Psalm Davids, vorzusingen, als der Prophet Nathan zu ihm kam, nachdem er zu Batseba eingegangen war.”

Ach, Du meine Güte! Das war wirklich eine heftige Geschichte. Sie erinnern sich. Batseba, eine wunderschöne Frau, in die sich König David heiß und innig verliebt hat. Das Problem dabei war nur, dass Batseba mit Uria verheiratet war. Und Uria war in Davids Heer ein wichtiger Stratege. David war wie besinnungslos vor lauter Lust und ist mit Batseba ins Bett gegangen. Er hat also Ehebruch begangen. Sie erinnern sich? Auf Ehebruch stand damals noch die Steinigung. Aber nicht nur das. David sorgte auch dafür, dass Uria während eines Kampfeinsatzes durch eine Intrige entsorgt, also umgebracht wurde. Mit anderen Worten zum Straftatbestand des Ehebruchs gesellte sich auch noch Anstiftung zum Mord – also ein Auftragsmord.

Als König fühlte er sich so mächtig, dass er blind wurde für das Gesetz Gottes und nicht das geringste Schuldgefühl oder zumindest die geringsten Skrupel besaß. Er hatte die Macht. Er hatte das Sagen und damit die Herrschaft über Leben und Tot, Lust und Liebe. Er war der König. Das musste doch auch für das Privatleben Vorteile haben.

Er hatte dabei aber die Rechnung ohne den lieben Gott gemacht. Den kann man nämlich nicht so leicht austricksen – auch wenn es leicht scheint. Ich glaube gerade wenn es leicht scheint, kommt es besonders dicke.

Und so stand eines Tages der gute Nathan – ein Prophet Gottes – mit einer Frage vor Davids Tür. Nathan war schlau und mit allen Wassern gewaschen. Er kann alle Tricks der psychologischen Gesprächsführung. Und so gab er vor, ein kleines Problem zu haben und bei der Lösung auf die Hilfe des weisen Königs Davids angewiesen zu sein.

Der fühlte sich natürlich in seiner Eitelkeit geschmeichelt und hatte natürlich in seinem, dick gefüllten Terminkalender sofort einen Termin für Nathan frei. Nathan kam und David bot ihm einen Kaffee an und vielleicht auch noch ein Stück Kuchen. Und so machten es sich die beiden im Besprechungsbereich des königlichen Büros gemütlich.

Nach kurzem Smalltalk kam Nathan, nachdem er sich den Mund abgewischt und die Kuchenkrümel von seinem Gewand geschüttelt hatte, endlich zum Thema und erzählte ihm die Geschichte, die ihm solches Kopfzerbrechen bereitete: “Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm.  Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder;  aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, dass es groß wurde bei ihm zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß und er hielt’s wie eine Tochter.  Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er’s nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war, sondern er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war.”

David hörte die Geschichte und war außer sich. Gerechtigkeitsliebend – wie er nun einmal war – sprang er aus seinem Sessel auf und riss dabei auch noch seine Kaffeetasse um. Der ganze Kaffee lief auf sein königliches Gewand, was ihn noch zorniger machte. Und David sprach mit dem Brustton der Empörung: “Der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat!”

Natan sitzt noch immer in seinem Sessel, führt noch einmal die Tasse mit dem Kaffee zum Mund, nimmt noch einmal langsam einen Schluck – der Kaffee war wirklich gut – schaut David in seinem Zorn ruhig, aber bestimmt an, und während er sich nach vorne beugt, um die Tasse wieder auf den Tisch zu stellen, sagt er ganz ruhig, ohne David auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen: “Du bist der Mann!”

Aus Davids zornesrotem Gesicht weicht alle Farbe. Das Blut scheint in seinem Körper stillzustehen. Für einen Moment scheint die Welt still zu stehen. Davids Kopf ist plötzlich leer. Es regt sich kein Widerstand, kein Leugnen, kein Verharmlosen. Kein: “Sie war so schön und ich so schwach.”

David kann in dem Moment nicht denken. Das ist der große Moment der Selbsterkenntnis: “Ich hatte nicht an Gott gedacht! Meine Lust war größer als meine Gottesfurcht…”David sackt in sich zusammen und sinkt, kaum eines Wortes mächtig, in den Sessel zurück: “Ich bin der Mann!”Nathan, hebt die umgeworfene Tasse wieder auf, stellt sie auf den Tisch, schenkt Kaffee ein und schiebt sie wortlos David zu, der vollkommen am Boden zerstört ist.Die Rollen haben sich vertauscht. Aus Nathan dem Gast ist Nathan der Gastgeber geworden. David greift nach der Tasse und trinkt einen Schluck.“Du weißt, was das bedeutet”, fragt ihn Nathan.“Ja, – ja, doch”, antwortet David tonlos.“Du hast ja nicht nur Ehebruch begangen und deinen Nebenbuhler ans Schwert geliefert, sondern du bist deiner Vorbildfunktion als aufrechter und weiser Gottesmann nicht gerecht geworden. Die Menschen da draußen haben im Moment kein gutes Bild von unserem Gott. Die stellen seine Macht in Frage. Laut stellen sie die Frage, was das für ein Gott ist, dem sich nicht einmal der König beugt, dem der König gewissermaßen auf der Nase rumtanzt.”

“Gott erwartet also meinen Tod”, erwidert David.“Nein, David, so einfach ist es nicht. Nicht Du wirst sterben, sondern das Kind, dein Sohn, den Du mit Batseba gezeugt hast.”Liebe Gemeinde, eine traurige Geschichte. Eigentlich keine gute Geschichte für ein fröhliches Sommerfest. Aber was soll ich machen? Die Herrenhuter Brüder haben nun einmal diesen kleinen Psalmvers für heute gezogen. Und da kann ich Ihnen leider, und es tut mir Seele leid, die ganze Geschichte, die dahinter steckt nicht vorenthalten.Aber ehrlicherweise finde ich das auch wieder nicht so schlimm. Wir haben doch alle so einen kleinen David in uns. So hat uns der liebe Gott nun einmal gemacht. Es gibt immer wieder Momente im Leben, wo wir unseren eigenen Bedürfnissen näher sind, als dem Anspruch Gottes und dann Entscheidungen treffen, die gottvergessen sind. Und genau dann passieren, solche Geschichten, wie sie dann passieren. Geschichten, bei denen unschuldige Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden und zu Schaden kommen.

Das sind dann die typischen Geschichten, bei denen man – wie im Lehrtext aus dem Römerbrief – sagen kann: Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.

Und Paulus erklärt auch, woran es liegt: So tue nun nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.

Das ist doch ein tolles Bild. Ich bin das, was in mir wohnt. Und wenn sich die Sünde bei mir einmietet, tue ich das Böse, das ich nicht will.Bin ich dann nicht mehr verantwortlich für meine Taten? Doch! Ich trage die Verantwortung für meine Mieter. Und wenn es die Sünde ist, dann muss ich ihr fristlos den Mietvertrag kündigen und anschließend den Kammerjäger kommen lassen, der alles reinigt und desinfiziert.

Wir Christen haben für diesen Vorgang einen Begriff: Beichte und Buße. Und damit komme ich wieder bei unserer Losung an: Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus.

Der Psalm 51 ist ein Bußpsalm. David bekennt, dass er sein schuldhaftes Verhalten – kurz Sünde – erkannt hat. Er leugnet nichts und bittet Gott inständig, ihn von der Sünde zu reinigen. Und dann bittet er Gott: “Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe.” Er weiß genau, dass er ohne Gottes Hilfe der Sünde gnadenlos ausgeliefert wäre. Und Sünde ist ohne Freude, ohne echte, tief empfundene heitere Freude. Nur mit Gottes Hilfe kann er der Sünde Einhalt gebieten. Aber das ist noch nicht alles: “Rüste mich mit einem willigen Geist aus.”

Ohne den Willen und ohne einen willigen Geist ist alles nichts. Ich muss es auch wollen und Wollen ist etwas sehr Aktives. Wollen ist Tun. Wollen ist Bereitschaft und bereit sein. Wollen ist frei von Widerstand gegen Gott. Und genau darum geht es: Offen zu sein für den Willen Gottes und den Willen Gottes selbst zu wollen.Lieber Gott, erfreue uns mit deiner Hilfe, ziehe in uns ein und rüste uns mit einem willigen Geist aus.

Amen.