Pfr. Martin Dubberke
Ostern - Die Auferstehung Jesu Christi - Kirchenfenster in der Johanneskirche zu Partenkirchen | Bild: Martin Dubberke

Entsetzt euch nicht!

Liebe Geschwister, Ostern ist ein Fest der Freude, eigentlich. Wir schwanken zwischen Freude und Trauer. Der Ruf „Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Ist ein Ruf der Freude und der Erleichterung. Er ist doch nicht tot. Er lebt! Er ist mitten unter uns! Er hat uns doch nicht allein gelassen.

Und doch steht sein gewaltsamer Tod im Raum. Wir sehen auf das Kreuz und da hängt er noch immer. Er schaut von da oben auf uns herab und wir erheben unseren Blick zu ihm, können uns seinem Blick nicht entziehen.

Was hat Jesus alles von da oben aus gesehen?

Kruzifix in der Johanneskirche zu Partenkirchen | Bild: Martin Dubberke
Kruzifix in der Johanneskirche zu Partenkirchen | Bild: Martin Dubberke

Wenn ich die vergangenen Jahre zurückschaue, gab es, solange ich hier Euer Pfarrer bin, kein normales Ostern. 2020 saß Wilko oben an der Orgel der Johanneskirche und spielte „Christ ist erstanden!“ Ich saß damals auch oben auf der Empore. Kein Gottesdienst. Wir durften ja nicht. Wir hatten alle Fenster und Türen in unseren Kirchen aufgerissen und überall „Christ ist erstanden!“ gespielt. In Farchant war es damals der Herr Schweinberger, der auf seiner Oboe das Lied spielte.

In die Johanneskirche kamen damals aber dennoch einige Menschen und setzten sich in die Bankreihen. In eine Kirche zu gehen, war ja nicht verboten. Nur der Gottesdienst. Und ich erinnere mich, dass ich am Ende doch zum Altar gegangen bin, um mit denen, die da waren, das Vater unser zu beten und den Segen zu spenden.

2021 feierten wir Ostern wieder in der Kirche, aber mit gebremstem Enthusiasmus. Noch waren nicht so viele geimpft. Noch trauten sich unter der Maske und den begrenzten Plätzen nicht so viele in die Kirche. Aber wir feierten. Wir waren zuversichtlich und die Botschaft von Ostern machte uns wieder Mut.

Und in diesem Jahr? In diesem Jahr blicken wir in die Ukraine. Es ist Krieg, ein Krieg, den wir auch in unserem Land und auch hier in Garmisch-Partenkirchen spüren. Und damit meine ich nicht das fehlende Sonnenblumenöl oder die steigenden Preise für viele Produkte, sondern wir sehen die Frauen und Kinder, die nun unter uns leben. Wir hören ihre Sprache. Wir kommunizieren miteinander über den Google-Übersetzer in unseren Smartphones. Wir sehen die Bilder aus der Ukraine. Bilder, die uns nicht zur Tagesordnung übergehen lassen. Wir sehen Leichen ohne Gräber auf den Bildern und im Fernsehen. Und wir sehen Massengräber – mitten in Europa. Dabei sind die Bilder der Massengräber, der Gewalt ja nichts Neues in unseren Zeitungen und Nachrichtensendungen. Wir kennen doch diese Bilder schon, z.B. aus Syrien. Aber sie waren da noch so weit weg von uns. Jetzt sind es Bilder und Nachrichten aus Städten und Orten, die mitten in Europa liegen. Der Krieg mit den heißen Waffen ist damit auch an unsere Grenzen gekommen. So sehr, dass mancher in unserem Land auch an seine eigenen Grenzen gerät. Und wir ahnen, dass dieser Krieg anders als alle anderen Kriege, die wir in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben, eine ganz andere Dimension haben wird. Er wird unser Leben mehr verändern als wir es unter Corona schon die vergangenen beiden Jahre geübt haben. Verzicht und Konzentration auf das, worum es wirklich geht, wird eine immer größere Rolle spielen.

Aber was hat das alles mit Ostern zu tun? – Mehr, viel mehr als wir in diesem Moment vielleicht zu denken wagen.

Die Massengräber in der Ukraine und die Bilder von Menschen, die – weil es zu gefährlich war, sie zu begraben – in den Gärten ihrer Häuser notdürftig bedeckt wurden, haben in diesem Jahr meinen Blick auf Ostern geprägt.

Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus und Salome suchten das Grab Jesu auf. Sie brachten wohlriechende Öle mit, um den Leichnam Jesu zu salben und damit das Begräbnis zu vollenden.

Und sie gingen sehr früh los, um im Schutz der Morgendämmerung möglichst niemandem zu begegnen. Schließlich war Jesus ja nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern brutal ermordet worden, nachdem er gefoltert und im Sterben noch verspottet und verhöhnt worden war. Schaut euch nur den Jesus an, wie er bei uns am Kreuz hängt. Das Leiden steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Der gekreuzigte Jesus in der Johanneskirche zu Partenkirchen | Bild: Martin Dubberke
Der gekreuzigte Jesus in der Johanneskirche zu Partenkirchen | Bild: Martin Dubberke

Ich denke an all die Menschen, die in der Ukraine ums Leben gekommen sind. Brutal ermordet worden sind. Von ihren Fahrrädern runterschossen worden sind oder als sie sich ergeben wollten, niedergemetzelt worden sind. Und es sind nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Babys ermordet worden.

Ich möchte mir nicht ausmalen, was in mir vorginge, welche Gedanken ich hätte, was ich tun würde, wenn einer meiner Söhne oder meine Frau der Willkür eines Invasors zum Opfer fallen würde. Vielleicht sollte sich der eine oder andere Politiker in unserem Lande mal diese Frage stellen und sich dann ehrlich antworten. Vielleicht würde das sein Handeln verändern.

Ich stelle mir die Frage, warum, wofür oder für wen diese Menschen ermordet worden sind?

Jesus ist für unsere Schuld am Kreuz gestorben. Für wessen Schuld sind die Menschen in der Ukraine gestorben und sterben noch immer, auch jetzt in diesem Moment? Der Tod so vieler Menschen muss doch einen Sinn haben? Diese Menschen dürfen nicht vergeblich gestorben sein und sterben. Ihr Leid darf nicht vergeblich gewesen sein und sein.

Ihr Leid und die Zerstörung ihres Lebens, ihrer Wohnungen, ihrer Orte und Städte darf nicht sinnlos sein. Es muss eine Antwort darauf geben.

Als Maria Magdalena und die Mutter des Jakobus und Salome das Grab Jesu betraten, trafen sie auf einen Jüngling in einem langen weißen Gewand, der dort saß und auf sie gewartet hatte. Und die beiden Frauen entsetzten sich, hatten Sie doch einen Toten in einem Leichentuch erwartet.

Und dieser Jüngling spricht nun zu ihnen:

Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Markus 16, 6-7

Die drei Frau sind entsetzt über das Verschwinden des Leichnams Jesu und die Gegenwart dieses jungen Mannes. „Entsetzt“ ist ein spannendes Wort. Die drei Frauen, sind aus ihrer Ruhe, der Trauer von einem Moment zum anderen herausgerissen. Erschreckt, empört was mit dem Leichnam Jesu geschehen sein könnte. Doch zugleich führte dieses Entsetzen zu der Erkenntnis: Jesus lebt. Eine gefährliche Erkenntnis in jener Zeit, als die Hohenpriester froh waren, dass Jesus endlich tot ist.

Die Auferstehung des gewaltsam getöteten Jesus war eine wirkliche und wirkende Zeitenwende.

Die Auferstehung Jesu machte deutlich, dass sein Tod ein Unrecht war und die Idee, die Gott mit Jesus verbunden hatte, nicht tot zu kriegen war. Und genau das haben die drei Frauen erkannt, als sie von seinem Grab flohen.

Und genau das haben dann etwas später auch die Jünger Jesu erkannt, als ihnen der Auferstandene selbst begegnet ist. Und genau das hat in Ihnen den Willen, die Entschlossenheit und den Mut bewirkt, Jesus auch nach seinem Tod zu folgen und sein Werk fortzusetzen. Sie sind dabei ein hohes Risiko eingegangen. Wären sie es aber nicht eingegangen, wüssten wir heute nichts über Jesus, wäre die Bergpredigt Jesu wohl auch nicht erhalten:

Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich. Matthäus 5, 9-10

Ich habe vorhin die Frage gestellt, warum, wofür oder für wen sind diese Menschen ermordet worden? Und dann habe ich für mich daraus geschlossen, dass ihr Leid und die Zerstörung ihres Lebens, ihrer Wohnungen, ihrer Orte und Städte nicht sinnlos sein darf, es eine Antwort darauf geben muss. Die Antwort scheint mir in dem Wort „Entsetzen“ zu liegen. Das Entsetzen auch über die Erkenntnis, Anteil am Tod und am Krieg zu haben.

Erkenntnis, die aus dem Entsetzen rührt, hat eine Veränderung des Lebens zur Folge. „Durch Jesu Tod sind wir gewissermaßen schuldenfrei, aber es bleibt dabei, dass wir diejenigen waren, die die Schulden gemacht haben. Es ist immer noch unsere Schuld, die Gott dazu gebracht hat, seinen Sohn zur Vergebung unserer Sünden am Kreuz zu opfern. Das dürfen wir nie vergessen. Auch, wenn uns vergeben worden ist, so war es unser Verhalten, unsere Gottesferne im Kopf, in der Seele, im Handeln, die zu seinem Tod geführt haben.

Der Blick auf das Kruzifix, das Kreuz, an dem Jesus hängt, ist wie ein Blick in den Spiegel. Das Kreuz erinnert uns daran, dass Jesus für jeden einzelnen von uns an unserer Stelle daran gestorben ist.“

Osterkreuz | Bild: Martin Dubberke
Osterkreuz | Bild: Martin Dubberke

Es gibt aber auch noch ein anderes Kreuz. Das Osterkreuz. Am Osterkreuz hängt kein toter Christus, denn Jesus ist auferstanden als Zeichen dafür, dass er lebt, dass das Leben und nicht der Tod, die zentrale Botschaft unseres Glaubens ist.

„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Jesus Christus ist auferstanden, damit wir an seiner Stelle in seinem Sinne handeln, statt zu zaudern. Und so ist auch die Aufforderung des jungen Mannes an die drei Frauen zu verstehen. Bei ihm hat die Aufforderung „Entsetzt euch nicht!“ die Bedeutung „Handelt! Handelt, denn Jesus lebt!“

Amen.

Pfr. Martin Dubberke, Predigt am Ostersonntag 2022, 17. April 2022 über Markus 16, 1-8, Perikopenreihe IV, in der Markuskirche zu Farchant und der Johanneskirche zu Partenkirchen

Pfr. Martin Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke

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