Pfr. Martin Dubberke

Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich

Liebe Geschwister, ich habe am Freitag den Jahresrückblick der heute-show im ZDF gesehen. Das ist Jahresrückblick der besonderen Art, in dem Politikerinnen und Politiker, Vereinigungen, Parteien und so weiter, den sogenannten „Goldenen Vollpfosten“ als eine satirische Auszeichnung für besondere Fehlleistungen erhalten.

In diesem Jahr erhielten diesen unter anderem Markus Söder, das Bundesamt für Justiz, dem es nicht gelungen ist, gegen die Hasskriminalität im Netz, wie z.B. bei Telegram vorzugehen, oder für Andreas Scheuer, der ihn für sein Lebenswerk verliehen bekommen hat. Und schließlich hat es unter vielen weiteren auch einen goldenen Vollpfosten für die katholische Kirche gegeben, die ihn – ich zitiere aus der Laudatio – für ihren „Umgang mit den eigenen Verbrechen, dem Missbrauch in der eigenen Kirche und deren Vertuschungen“ erhielt, was die Redaktion der heute-show am Beispiel von Kardinal Rainer Maria Woelki und seinem Umgang mit den Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen beispielhaft verdeutlichte.

Wie bei der Verleihung des goldenen Vollpfostens üblich, erhält jeder Ausgezeichnete ein eigenes Lied, natürlich ein satirisches Spottlied von Friedemann Weise. So auch bei der katholischen Kirche.

So berechtigt auch Kritik an diesem Verhalten ist, bei dem wir als Evangelische Kirche wir uns gerne auch selber an die eigene Nase greifen dürfen, was das Thema Missbrauch betrifft, war dieser Auftritt Friedemann Weises nun selbst aus meiner Sicht eines Vollpfostens würdig, denn der Kabarettist, trug bei seinem Spottlied auf die Katholische Kirche, einen evangelischen Talar und ein lutherisches Beffchen.

Warum erzähle ich euch ausgerechnet heute am vierten Advent von diesem recht zweifelhaften Fernsehvergnügen? Vielleicht, weil es dafür steht, dass heutzutage nicht einmal mehr die Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wirklich zwischen Evangelisch und Katholisch unterscheiden können wie mittlerweile ein Großteil der Menschen in Deutschland? Oder, weil es zu einfach ist, die Austritte aus unserer Kirche – oder treffender unserer Kirchen – vor allem mit einem wirklich schrecklichen, entsetzlichen Verbrechen und einem damit verbundenen systemischen Fehlverhaltens zu erklären oder dem eines Kardinals, in dessen Diözese man zeitweilig keinen Termin mehr für den Kirchenaustritt bekommen hat, weil die Austrittszahlen so sehr in die Höhe gegangen waren, dass man sie kaum noch abarbeiten konnte?

Wir werden im kommenden Jahr unter die 50%-Grenze derer rutschen, die in Deutschland Mitglied einer der großen Kirchen sind, und das wird vieles in unserem Land verändern, mehr, als es manche ahnen, mehr als wir es wollen, und es wird ungeahnte Konsequenzen haben, nicht nur finanziell, sondern auch ideell und hinsichtlich der gesellschaftlichen Relevanz, auch wenn es dann immer noch mehr Kirchenmitglieder als Mitglieder aller im Bundestag vertretenen Parteien geben wird. Aber die 50%-Grenze ist eine magische Grenze.

Wir machen uns klein und wir lassen uns klein machen. Die christlichen Werte rutschen in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung immer weiter in den Minus-Bereich. Kommt auf uns eine Werte-Insolvenz zu?

Wir stellen uns immer wieder die Frage nach unserer Bedeutung, nach unserem Einfluss, nach unserer gesellschaftlichen und politischen Relevanz als Kirche. Wir beschäftigen uns mit Landesstellenplänen – evangelisch wie katholisch – , sich reduzierenden Finanzen, leeren Kirchen und mittlerweile auch coronageleerten Kirchen. Es scheint, als beschäftigten wir uns viel zu sehr mit uns selbst, als mit dem Eigentlichen, dem Glauben und seiner Relevanz für die Menschen, der Gnade, die uns durch Gott widerfahren ist. Selbst, wenn es um das ureigenste Thema unseres Glaubens geht, die Schöpfung, sprechen wir heute eher wie Politiker und Umweltaktivisten, denn als Christenmenschen, die sagen: Weil Gott diese Welt geschaffen und uns anvertraut hat, wollen wir diese Schöpfung erhalten und nicht weiter ausbeuten.

Also, wieder zurück zur vorangegangenen Frage: Warum habe ich Euch ich dieses Fernseherlebnis erzählt? Was hat das mit dem Advent zu tun und mit unserer Geschichte von Maria, die vom Engel Gabriel erfährt, dass Gott sie als die Mutter seines Sohnes ausersehen hat?

Es geht um den Anfang. Darum wie das mal alles einst angefangen hat, und was nun daraus geworden ist. Und ich stelle mir die Frage, ob es genau das gewesen ist, was sich der liebe Gott vor mehr als zweitausend Jahren vorgestellt hat…

Und ich stelle mir noch eine Frage – allerdings mit einem Augenzwinkern: Was wäre eigentlich passiert, wenn Maria damals zum Engel Gabriel gesagt hätte: „Nein, nicht mit mir? Ich will ein stinknormales Leben mit meinem geliebten Josef leben…“

Wäre jenes Nein, das Aus gewesen oder wäre der Engel dann zu einer anderen Frau gegangen?

Diese Frage konfrontiert uns in diesem Advent besonders mit unserer eigenen Antwort. Was würden wir denn Antworten, wenn der Engel Gabriel vor uns stünde und uns mit einem Plan, einem Vorhaben konfrontieren würde, dass der liebe Gott für uns im Sinn hat?

Würden wir „ja“ oder „nein“ sagen? Würden wir „ja“ sagen, weil wir uns davon Vorteile versprechen würden? Oder würden wir „nein“ sagen, da wir uns vor möglichen Nachteilen und anderen Nebenwirkungen fürchten würden?

Ihr merkt, hinter all dem steckt die Bekenntnisfrage. Ich kann genauso wenig ein bisschen glauben, wie ich ein nicht ein bisschen schwanger sein kann. Es geht nur alles oder gar nichts.

Und genau das ist der Grund, weshalb ich keine Lust habe, mir bei diesem Predigttext einen Kopf um die Jungfrauengeburt zu machen. Da haben sich in den vergangenen zweitausend Jahren schon deutlich klügere Köpfe und bessere Theologinnen und Theologen als ich den Kopf darüber zerbrochen.

Ich verrate Euch mal, liebe Geschwister, was in diesem Jahr meine Schlüsselstelle in diesem Text ist:

„Bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ Lukas 1,37

Da geht Gott durch seinen Engel Gabriel auf diese junge Frau zu, die frisch verlobt mit ihrem Josef ist, und sagt, dass sie schwanger werden würde und den Sohn des Höchsten gebären würde.

Und Maria reagiert mit einer Frage:

„Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß?“ Lukas 1,34

Ich gebe zu, dass ich gerne Zeuge dieser Szene gewesen wäre, weil mich der Blick, die Art und Weise, wie Maria diese Frage betont hat, interessieren würde. Ob sie einen leicht ironischen Unterton in dem Moment gehabt hat oder einfach nur verunsichert gewesen ist.

Der Engel blieb souverän, weil er mit dieser Frage gerechnet hatte und erklärt Ihr nun, wie das Ganze geschehen wird und wie zum Beleg, dass es wirklich möglich ist, fügt er noch die Nachricht von der Schwangerschaft Elisabeths an, mit der Maria verwandt ist. Elisabeth war, wie auch Maria wusste, unfruchtbar und nun doch schon seit sechs Monaten schwanger.

Der Engel schließt alsdann seine Erklärung mit den Worten:

„Bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ Lukas 1,37

Maria war jetzt davon überzeugt, dass der die Nachricht, die ihr der Engel überbracht hatte, stimmt und glaubte nun in der Tat, dass bei Gott kein Ding unmöglich ist. Daher antwortete sie dem Engel:

„Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie Du gesagt hast.“ Lukas 1, 38

Maria sagt JA zu Gott. Und genau darum geht es am Ende. Nur mit diesem JA wird alles möglich.

Und Maria sagt nicht, dass sie da mal so mitmacht, sondern „Ich bin des Herrn Magd.“ Sie ordnet sich dem Willen und Plan Gottes unter.

Und wenn wir heute diesen Text hören oder lesen, dürfen wir uns nicht durch die Frage der Jungfrauengeburt ablenken lassen. Die Antwort, ob das möglich ist oder nicht, lenkt uns nur vom Eigentlichen ab, denn meines Erachtens geht es um die Antwort von Maria. Und damit auch um die Frage, die uns Maria mit ihrer Antwort stellt:

„Und wie schaut es mit Dir aus? Bist Du auch bereit, Dich dem Willen und Plan Gottes unterzuordnen?“

Maria ordnet sich nicht gezwungenermaßen oder durch die Ausübung von Macht und Druck unter, sondern einzig und allein aus der Einsicht und Erkenntnis heraus, dass bei Gott kein Ding unmöglich ist.

Und genau, um diese Einsicht und Erkenntnis geht es auch heute. Es geht darum, diese Einsicht und Erkenntnis jeden Tag aufs Neue gewinnen zu können. Es geht darum, dass wir alle, die wir hier sitzen und stehen, als Christenmenschen solche Erkenntnishelferinnen und -Helfer sein können, jeder einzelne von uns.

Und warum können wir das sein? Genau: Weil wir wissen und glauben, dass bei Gott kein Ding unmöglich ist. Und dieser Glaube, lässt das Gute in die Welt kommen, so wie mit Mariens Sohn das Gute in die Welt gekommen ist. Und eigentlich können wir es jetzt alle gleich einem Bekenntnis gemeinsam sagen:

„Denn bei Gott ist nichts unmöglich.“

Amen.

Pfr. Martin Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke, Predigt am 4. Sonntag im Advent über Lukas 1, 26-38, Perikopenreihe IV in der Erlöserkirche Grainau und der Johanneskirche Partenkirchen

 

 

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