Pfr. Martin Dubberke
Erntedankaltar in der Johanneskirche zu Partenkirchen | Bild: Martin Dubberke

Dank ist eine Haltung, die unser Leben verändert

Liebe Geschwister, ich traue es mich kaum zu sagen, aber auch heute geht es gleich wieder mit einer Ermahnung los. Als wir eben die Lesung aus dem 5. Buch Mose gehört haben, hieß es nämlich unter anderem:

Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den HERRN, deinen Gott, vergisst, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft. Mose 8, 12-14

Und genau darum wird es heute gehen: Den Dank für die Ernte, die uns satt macht, den Dank für die Häuser, in denen wir wohnen, weil auch das nicht selbstverständlich ist, wie wir in diesem Jahr so deutlich erleben durften, als eine Flut ganze Dörfer von der Landkarte gestrichen hat, Dank für das Haus, das wir heute nun wieder einweihen dürfen, in dem unsere Gemeinde wohnen und leben wird, und Dank für die Freiheit, in der wir leben dürfen, was keine Selbstverständlichkeit ist, woran uns heute der 3. Oktober, der Tag der deutschen Einheit erinnert.

Wir haben heute also viele Gründe, Gott zu danken und es ist gut, dass er uns immer wieder mal daran erinnert, dass nichts selbstverständlich und nur aus uns selbst heraus ist, sondern alles seinen Ursprung bei ihm hat.

Dank ist eine Haltung, eine Lebenseinstellung, die unser Leben verändert. Ich habe dieser Tage einen schönen Satz gelesen:

„Ein Mensch, der dankbar auf sein Dasein blickt, wird anders leben als einer, der ständig das Gefühl hat, zu kurz zu kommen.“ (Voigt, 2018, S. 115)

Das Gefühl, zu kurz zu kommen, macht das Herz, macht die Perspektive eng, raubt das Glück und macht am Ende einsam und darin liegt eine große Gefahr, weil er die Gemeinschaft entweder als Gefahr sieht und sie zu seinem Zwecke missbraucht.

Wer dankbar ist, der weiß, dass er auf die Gemeinschaft, das Miteinander angewiesen ist, weil nichts selbstverständlich ist.

Lasst mich das an einem Beispiel, das wir heute gehört haben, deutlich machen – die Speisung der Viertausend, die ich heute ganz anders als sonst gehört habe. Markus schreibt:

Und er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie sprachen: Sieben. Und er gebot dem Volk, sich auf die Erde zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern, dass sie sie austeilten, und sie teilten sie unter das Volk aus. Sie hatten auch einige Fische; und er sprach den Segen darüber und ließ auch diese austeilen.  Und sie aßen und wurden satt. Und sie sammelten die übrigen Brocken auf, sieben Körbe voll. Markus 8, 5-8

Mir ist heute aufgegangen, dass Jesu Dank, das Brot vermehrt hat. Sein Dank entreißt nämlich das Brot der Selbstverständlichkeit seiner Verfügbarkeit.

Jesus macht deutlich, dass es nicht selbstverständlich ist, Brot zu haben, soviel Brot zu haben, dass es alle satt macht. Und genau das ist wiederum die Erinnerung daran, dass Gott die Welt einmal in einem Gleichgewicht geschaffen hat, in dem für alle genug da war, und wir Menschen sie in unserer Gier, unserem Geiz, unserer Furcht zu kurz zu kommen, unserer Undankbarkeit aus dem Gleichgewicht gebracht haben, in eine Situation in der die Selbstverständlichkeit nicht mehr selbstverständlich ist.

Als Gott die Welt schuf, war es einfach selbstverständlich, dass für alle alles ausreichend da war. Als der Mensch übernahm, hatte es selbstverständlich selbstverständlich zu sein und war dann nicht mehr selbstverständlich, was er anfangs als selbstverständlich hinnahm, bis das für einige nicht mehr selbstverständlich war. Das ist zum Beispiel einer der Gründe dafür, dass wir uns um die Zertifizierung mit dem Grünen Gockel bemüht haben, um genau das deutlich zu machen. Das ist der Grund, weshalb wir in unserer Gemeinde einen engagierten Umweltausschuss haben. Wobei ich ehrlicherweise gestehen muss, dass ich die Bezeichnung etwas schwierig finde, weil es uns doch in erster Linie um den Erhalt der Schöpfung Gottes geht und damit um eine Veränderung unserer Umwelt, weil sich in unserer Umwelt viele selbstverständliche Handlungsweisen und Einstellungen ändern müssen, um die Schöpfung zu erhalten. Und damit steht im Mittelpunkt unseres Handelns die Schöpfung. Wir ernten, was wir säen.

Und damit komme ich endlich mal bei unserem Predigttext an. Paulus schreibt in seinem Zweiten Brief an die Korinther:

Der Segen des Gebens

6 Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. 7 Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. 8 Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; 9 wie geschrieben steht (Psalm 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.« 10 Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. 11 So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Lauterkeit, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. 12 Denn der Dienst dieser Sammlung füllt nicht allein aus, woran es den Heiligen mangelt, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. 13 Um dieses treuen Dienstes willen preisen sie Gott für euren Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und für die Lauterkeit eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. 14 Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. 15 Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe! Korinther 9,6-15

Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.

Also diese Stelle hat mich sofort angesprungen, weil das ein Bild für unser ganzes Leben ist. Was ist denn das Säen? Ist es wirklich nur das Einsetzen eines Samens in die Erde?

Sind wir nicht alle Sämänner und Säfrauen?

Auch eine Idee ist ein Samenkorn. Auch unsere Stimmen, die wir bei einer Wahl in die Urne legen, sind Samenkörner. Und dann muss man sehen, welche Saat auf fruchtbaren Boden gefallen ist und welche nicht. Und wir geben ja unsere Stimmen in der Hoffnung, dass eine gute Saat aufgehen wird.

Mir gefällt dieses Bild, weil es deutlich macht, dass wir als Sämänner und Säfrauen uns auch um unsere Pflanzen kümmern müssen, sie werden nämlich ziemlich wild und wuchernd, wenn man sie nicht pflegt. Sprich, unsere Verantwortung endet nicht mit der Abgabe unserer Stimmen, sondern beginnt dann erst so richtig.

Ich weiß nicht, wem von Euch aufgefallen ist, dass wir am Mittwoch dieser Woche einen besonderen Feiertag hatten, den Michaelistag. Ja, der Deutsche Michel geht eigentlich auf den Erzengel Michael zurück. 813 hatte Karl der Große – jetzt bitte nicht lachen – auf der Aachener Reichssynode verkündet, dass der Erzengel Michael einen eigenen Feiertag bekommt. Er wurde zum Schutzpatron des Heiligen Römischen Reiches und damit auch Deutschlands. Und jetzt kommt das Spannende an der Sache. Michael ist ja der Oberengel für alle anderen Engel, deren Job es ist, zusammen mit Gott sich um das Wohl der Menschen zu kümmern. Das ist für uns der wichtige Hinweis, dass es auch im Himmel Teamwork gibt, ein Miteinander. Das erinnert uns daran, dass nichts ohne ein Miteinander geht, das wir in der Gemeinschaft besonders viel bewegen können, dass das, was wir haben, ein Gemeinschaftswerk ist, bei dem auch immer Gott seine Hand im Spiel hat.

Und noch etwas. Karl der Große hat für den Michael nicht einfach irgendeinen Tag genommen, der ihm gerade morgens bei Aufstehen in den Sinn gekommen ist.  Nein, er hat ganz bewusst den 29. September gewählt, den Tag, an dem die Germanen Wotan gefeiert haben.

Dieser Wotanstag war zugleich auch der Tag, an dem die Menschen Wotan für ihre Ernte gedankt haben. Es ist doch interessant, was Karl der Große hier zusammengebunden hat.

Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal auf den Mose zurückkommen, weil wir ja heute einen dreifachen Feiertag haben:

Hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den Herrn, deinen Gott, vergisst, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft. Mose 8, 14

Der Mensch wird hier an die Freiheit erinnert, die ihm Gott geschenkt hat. Freiheit ist eine zarte Pflanze, die man vielleicht an der Oberfläche entfernen kann. Und selbst, wenn man drangeht und versucht, ihre Wurzeln zu beschneiden oder auszureißen, wird es wie beim Efeu sein, den wird man nämlich nie wieder los, irgendwo findet er immer wieder seinen Weg und kann dann selbst Mauern sprengen, weil er mit seinen Wurzeln in die feinsten Lücken und Fugen eindringen kann, wächst und schließlich so stark wird, dass die Mauer bricht. So geschehen 1989.

Und an dieser Stelle wird der Mensch daran erinnert, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist, sondern ihren Ursprung bei Gott hat und jeden Tag aufs Neue unser verantwortliches Handeln und unsere Dankbarkeit fordert.

Mir gefällt dieser Dreiklang von Erntedank, Tag der Deutschen Einheit und Eröffnung unseres Gemeindehauses, weil darin anklingt, was von unserem Gemeindehaus ausgehen sollte.

Alle drei Töne dieses Dreiklangs sind große Momente des Dankes. Dieser Dreiklang findet sich akustisch auch in der Wahl des Streichertrios wieder, für das sich Wilko heute entschieden hat.

Ja, selbst Maggie hat es in ihrem Bericht über das Gemeindehaus im Tagblatt vorweggenommen, als sie mich vorausschauend mit den Worten zitierte: „Erntedank, Tag der Deutschen Einheit und die Gemeindehaus-Einweihung – drei freudige Anlässe, dankbar zu sein.“

Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal auf die Geschichte der Speisung der Viertausend zurückkommen. Nicht, um jetzt etwa Werbung für die Kartoffelsuppe zu machen, die die Jugendlichen für heute gekocht haben, sondern, um noch einmal auf die Tafelarbeit in unserer Gemeinde zu schauen.

Ihr werdet Euch erinnern, dass wir im vergangenen Jahr zusammen mit der Tafel Erntedank gefeiert haben und ich überm Talar die grüne Schürze der Tafel getragen habe.

Die Schlange an unserer Tafel ist wieder einmal länger geworden. Das kann uns nicht gefallen. Jesus hat vor der Speisung der Viertausend zu seinen Jüngern gesagt: „Mich jammert das Volk, denn sie harren nun schon drei Tage bei mir aus und haben nichts zu essen.“

Mich jammert diese Not auch und zugleich erlebe ich hier hinter unserer Johanneskirche Freitag für Freitag bei den meisten Menschen Dankbarkeit. Ja, das gebietet die Ehrlichkeit, auch dort gibt es Menschen, die das Prinzip Selbstverständlichkeit leben, aber der Dank überwiegt.

Die Menschen kommen im wahrsten Sinne des Wortes aus aller Welt zu uns. Das kann uns nicht gefallen, weil jeder Mensch, der aus aller Welt zu uns kommt, egal ob aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen wie ein Blatt ist, das vom Baum des Krieges, der Unterdrückung, der Armut ist, das zu uns geweht wird und uns erzählt, dass die Welt an so vielen Orten kärglich ist. Genauso ist auch jede und jeder Hiesige, der zu unserer Tafel kommt, ein Hinweis darauf, dass wir miteinander mit Gottes Hilfe gefordert sind, Verantwortung zu übernehmen und entsprechend zu handeln.

Unser Predigttext ist in der Luther-Bibel mit den Worten überschrieben „Der Segen des Gebens“:

So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Lauterkeit, die durch uns wirkt Danksagung an Gott.

Unser Gemeindehaus, für das wir heute danken, ist auch wie ein Pflanze, die wir mit gemeinsamen Mühen gerettet haben und nun schöner blüht denn je.

Und gleichzeitig ist unser Gemeindehaus auch ein Gewächshaus, in dem neue Ideen, Gemeinschaft, Zukunft heranwachsen und in die Gemeinde, den Ort, die Welt hineinwirken kann.

Erntedank ist der Moment, in dem das Teilen beginnt.

Amen.

Pfr. Martin Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke, Predigt am Erntedank und anlässlich der Einweihung des Partenkirchner Gemeindehauses über 2. Korinther 9,6-15, Perikopenreihe III, in der Johanneskirche zu Partenkirchen am 3. Oktober 2021