Liebe Konfis, liebe Konfi-Eltern oder einfach ganz kurz: Liebe Geschwister, denn das sind wir durch die Taufe miteinander. Wir sind einander und miteinander Geschwister. Und wie geht’s bei Geschwistern zu? Also, ich habe eine acht Jahr ältere Schwester und einen zwei Jahre jüngeren Bruder. Mir kann niemand etwas von Friede, Freude, Eierkuchen und Sonnenschein erzählen. – Genau, da gibt es immer Auseinandersetzungen, Unstimmigkeiten, Wortgefechte, Zankereien, Gemeinheiten, Hinterhältigkeiten, Verfehlungen, zuweilen auch moralische Vergehen. Mit anderen Worten unter Geschwistern kann man alle Dimensionen der Sünde im Kleinen wie im Großen erleben und nachempfinden.
Lasst mich ein Beispiel erzählen: Meine Schwester hatte ein wunderschönes kleines Nähetui aus rotem Leder. Sie hatte mich geärgert und was habe ich als kleiner Junge gemacht? Ich nahm die Schere aus dem Etui und schnitt alle Riemchen in dem Etui durch, so dass die ganzen kleinen Garnröllchen und Nadeln und alles wild durcheinander in dem Etui lagen. Der Ärger war groß. Mein Vater bastelte aus dem Etui ein Rohretui für seine Oboen-Rohre. Dieses Etui gibt es noch heute. Aber ich musste mir Jahre um Jahre, ja Jahrzehnte von meiner Schwester anhören, dass ich ihr schönes Etui zerstört habe. Zum Vierzigsten Geburtstag meiner Schwester – also vor fast dreißig Jahren – habe ich Ihr ein neues geschenkt. Seitdem habe ich meine Ruhe.
Ich hatte lange genug für meine Sünde gelitten. Aber es hat lange gedauert, bis ich es wieder gut gemacht habe.
Und ich glaube, wenn ich so in die Runde schaue, dass Ihr alle solche Geschichten kennt.
All das hat etwas mit Schuld, Beichte und Vergebung zu tun.
Ich persönlich schätze ja den klassischen Beichtstuhl in der Katholischen Kirche. Ja, ich gebe es ehrlich zu und ich verrate Euch auch warum: Er ist ein wunderbares Symbol für unsere Beziehung zu Gott und dem, was in der Beichte wirklich geschieht, und warum Beichte eine so großartige Sache ist.
Ich setze mich in einen Beichtstuhl und der Pfarrer kann mich nicht sehen, sondern nur hören. Der Pfarrer ist in diesem Moment gewissermaßen das symbolische Ohr Gottes. Ohne Ansehen der Person, ob sie gut gekleidet ist oder gut riecht, sympathisch ausschaut oder nicht, es geht in diesem Moment nur um den Menschen in seiner Beziehung zu Gott. Und dieser Mensch setzt sich in den Beichtstuhl, weil er weiß, dass er Mist gebaut hat. Und Mist belastet die Seele und auch das Verhältnis zum anderen Menschen, zum Bruder, zum Schwester, zum Vater, zur Mutter, zum Ehepartner, zur Freundin, zum Freund, zum Kollegen, zur Kollegin, zum Nächsten. Das nennt man Beziehungsstörung und so eine Beziehungsstörung ist auch immer eine Störung in der Beziehung zu Gott.
Und wir alle wissen, wie schwierig es ist, einem anderen gegenüber zuzugeben, dass wir Mist gebaut haben und vor allem auch unsere Motivation zuzugeben, also warum wir ihm gegenüber dieses Fehlverhalten an den Tag gelegt haben. Wir gehen diesem anderen Menschen normalerweise aus dem Weg, weil wir verunsichert sind, weil wir Angst vor einer weiteren Auseinandersetzung haben, weil wir Angst vor einer weiteren Begegnung haben, weil wir Angst haben, etwas zu hören, das wir nicht hören wollen. Es wird deutlich, dass die Beziehung zwischen dem anderen und mir gestört ist.
Und das ist der große Vorteil in so einem Beichtstuhl, wir kommen dort mit Gott selbst ins Gespräch. Der nimmt uns als Mensch, als Person an, aber mag unser Fehlverhalten nicht. Denn was wir einem anderen antun, das tun wir auch ihm an, weil wir alle nach seinem Bilde geschaffen sind. Weil aber Gott weiß, dass wir es getan haben und vor allem auch warum wir es getan haben, müssen wir bei Gott nicht in den Widerstand gehen und keine Angst vor ihm haben. Wir können alles zugeben, weil er es schon weiß. Und das ist das Wunderbare. Gerade in der Beichte können wir den Glauben ganz besonders spüren. Aber das ist nur die eine Seite der Medallie, wie wir am Beispiel des Nähetuis meiner Schwester sehen können. Wenn ich nämlich mit Gott darüber gesprochen habe, kann ich auch mit meinem Gegenüber sprechen.
Dietrich Bonhoeffer hat in seinem Buch „Gemeinsames Leben“ dazu folgendes geschrieben:
Gehe ich zur brüderlichen Beichte, so gehe ich zu Gott. So ergeht in der christlichen Gemeinschaft der Ruf zur brüderlichen Beichte und Vergebung als zu der großen Gnade Gottes in der Gemeinde. In der Beichte geschieht der Durchbruch zur Gemeinschaft. Die Sünde will mit dem Menschen allein sein.
Sünde macht einsam. Beichte schafft Gemeinschaft. Die Sünde oder ganz einfach, der Fehler, den ich begangen habe, trennt mich von allem. Er trennt mich von anderen Menschen und er trennt mich am Ende von Gott. Also, in beiden Fällen eine gestörte Beziehung.
Und jeder von uns kann sich daran erinnern, was passiert, wenn man über seine Fehler redet, wenn man sich auf den Weg der Entschuldigung begibt. Wie groß ist die Erleichterung, wenn die Mutter oder der Vater oder wer auch immer zu Dir sagt: „Komm! Ist schon gut.“
Im Grunde genommen sagt Jesus Christus von da oben am Kreuz nichts anderes zu uns, wenn wir aufrichtig zu ihm kommen.
Ihr habt im Konfi gelernt, was die Zehn Gebote sind und auch warum sie wichtig sind. Wir haben auch über das Doppelgebot der Liebe gesprochen. All das gibt uns die Orientierung im Leben mit allen andern Menschen und mit Gott.
Oder denkt nur daran, was Ihr kürzlich unter der Überschrift „Die Goldene Regel“ erarbeitet habt, also Matthäus 7,12:
Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut auch ihnen.
Wenn alle Menschen so aufeinanderzugehen würden, hätten wir Frieden in dieser Welt.
Ihr habt in Euren Beichtbriefen aufgeschrieben, was Euch bedrückt, was Euch von anderen Menschen trennt und was Euch damit auch von Gott trennt. Wir werden nach der Beichte und der Vergebung heute am Ende diese Beichtbriefe symbolisch verbrennen, denn was vor Gott gebeichtet wurde, ist für das zukünftige Leben gegenstandslos geworden. Es ist vergeben, wenn auch nicht vergessen. Wir lernen daraus für unser Leben und wir lernen daraus, wie wichtig das Doppelgebot der Liebe ist:
Jesus spricht:
„Der Herr, unser Gott, ist der Herr allein,
und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben
von ganzem Herzen, von ganzer Seele,
von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft.“Das andre ist dies:
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Es ist kein anderes Gebot größer als diese beiden.
Markusevangelium 12,29-31
Amen.
Pfr. Martin Dubberke
Predigt im Versöhnungsgottesdienst/Beichtgottesdienst vor der Konfirmation in der Johanneskirche zu Partenkirchen am 3. Mai 2025, Markusevangelium 12,29-31
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