Pfr. Martin Dubberke
Bild: Martin Dubberke

Alles nur geliehen

Als ich heute Morgen zur Arbeit fuhr, spürte ich einen Unterschied zu gestern. Zum einen sangen die Vögel nicht mehr so schön laut und zum anderen war es schon hell. Aber das ist nicht der eigentliche Unterschied.

Den eigentlichen Unterschied bemerkte ich in der S-Bahn: Ich fuhr direkt zur Arbeit. Der Tag fing also unmittelbar mit der Arbeit an. Gut, ich mache meine Arbeit gerne, sie macht mir Spaß und verschafft mir große Befriedigung, auch weil ich ein tolles Team habe, mit dem ich gerne zusammenarbeite. Aber der Tag fing heute mit der Arbeit an. Und dann nahm ich auch noch aus den irgendeinem Grund das iPad aus der Tasche und fing an, Dienstliches zu lesen, während ich gleichzeitig mit den Stöpseln im Ohr die Matthäuspassion hörte. Das ging nun gar nicht.

Normalerweise höre ich morgens im Zug immer die Bachkantate des jeweiligen Sonntags, schließe dabei die Augen, höre die Musik , achte auf die Texte. Es ist wie eine kleine musikalische Andacht am Morgen, ein Ruhepunkt, bevor der wilde Alltag von mir Besitz ergreift.  Eben musica praedicat.

Gestern war das anders. Ich ging vor der Arbeit zum Sport. Alles war noch ruhig, keine Hektik. Der Tag begann nicht mit der Arbeit, sondern mit einem Stück Freizeit. Obwohl, kaum, dass ich ‚Freizeit‘ schreibe, merke ich, dass das nicht der richtige Begriff ist. Komisch, ich muss gerade an eine Stelle aus dem 1. Brief an die Korinther denken:

Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist,
der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört?
1. Korinther 6, 19

Wenn mein Leib ein Tempel ist, dann habe ich den in letzter Zeit ziemlich voll gestellt und zugerümpelt. Mit anderen Worten, wenn ich morgens ins Sportstudio gehe, dann räume ich Stück für Stück den Tempel auf. Damit nehme ich wieder mehr Verantwortung für meinen Körper wahr. Habe ich gerade gesagt: „Für meinen Körper?“ – Falsch, ganz falsch. Paulus sagt, dass ich mir nicht selbst gehöre, sondern Gott.

Das ist doch ein ganz spannender Gedanke. Eben dachte ich noch, wenn ich morgens ins Sportstudio gehe, tue ich zuerst etwas Gutes für mich, bevor ich wieder für andere etwas Gutes tue. Aber in Wirklichkeit übe ich mit jeder Minute auf dem Cardiotrainer oder jeder Übung am Rückenstrecker den verantwortlichen Umgang mit dem ein, was mir Gott geliehen hat, dem, was ich meinen Körper nenne, und was aus der Sicht von Paulus ein Tempel Gottes ist.

In diesem Moment wird mir bewusst, dass es bei der Pflege meiner Gesundheit, der körperlichen wie der seelischen, nicht nur darum geht, fit zu sein, um besser und länger zu leben und für meine Familie da zu sein oder fitter für den Job zu sein, sondern dass es noch einmal um eine ganz andere Dimension geht. Zu spüren, dass ich ein Geschöpf Gottes bin und Gott mit der entsprechenden Verantwortung dafür antworten muss.

Passionsnotiz Nr. 10 vom 10. März 2017