Pfr. Martin Dubberke

Überwinde das Böse mit Gutem

Lass dich nicht vom Bösen überwinden,
sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Römer 12,21

Was ist das Böse? Und was ist das Gute? Müssen wir da heute nicht ganz besonders aufpassen, um nicht in eine Falle zu treten? Wollen nicht immer alle das Gute, auch die Bösen?

Das Böse, ist immer der angeblich einfache Weg, die angeblich einfache Lösung, die angeblich einfache Befriedigung meiner Unzufriedenheit, meiner gefühlten Minderwertigkeit. Das Böse ist keinem von uns fremd. Jeder, der behaupten würde, er hätte keine böse Seite, ist ein Lügner. Auch ich habe meine bösen Seiten, mit denen ich manchmal sogar lustvoll provoziere, um deutlich zu machen, dass es doch so nicht geht.

An diesem Wochenende findet der zweite Urnengang innerhalb von zwei Wochen statt. Dieses Mal in Hessen. Doch was hat das jetzt mit unserem Wochenspruch zu tun? – Sehr viel, weil Wahlen ein wunderbares Beispiel für das Überwinden des Bösen mit Gutem sind, weil es hier auch um die Umkehrung des Verses gehen kann, nämlich das Gute mit Bösem zu überwinden und dann immer noch das Gefühl zu haben, mit meiner guten Stimme meinen Beitrag zur Überwindung des Bösen geleistet zu haben.

Also, was ist das Böse? – Sagen Sie es mir!?

Im Grunde genommen ist die Antwort auf diese Frage ganz einfach. Überall, wo das Doppelgebot – „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und ganzer Seele und Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst“ nicht gelebt wird, wird Raum für das Böse geschaffen.

Schlagen wir doch die Zeitungen auf. Ach, es reicht, morgens die Nachrichten im Radio zu hören oder am Abend das heute Journal.  Ein Journalist verschwindet in einer Botschaft in einem Land, in dem noch immer Journalisten im Gefängnis sitzen und Prozesse gegen Journalisten – auch deutsche Journalisten – geführt werden, die ebenfalls von ihren Familien getrennt wurden und unter fadenscheiniger Begründung verhaftet wurden. Ausgerechnet in diesem Land betritt ein Journalist die Botschaft seines Landes, die er dann nicht mehr lebend verlässt, weil er eben dort wegen seiner Arbeit, die für andere unbequem geworden ist, ermordet wurde. Wer ist der Böse und wer ist der Gute in diesem Spiel? Was ist das Gute und was ist das Böse?

Schauen wir weiter in die Zeitung: Oh, was habe ich hier, die Aufkündigung eines Abrüstungsabkommens und den Twitter-Post eines Präsidenten, der atomar aufrüsten möchte, um einem anderen Präsidenten zu zeigen, wer hier der Mächtigere ist. Wer ist der Böse und wer ist der Gute hier im Spiel? Was ist das Gute und was ist das Böse?

Auch wenn die Nachrichten uns diese Beispiele vom anderen Ende der Welt auf unsere Handys, Bildschirme usw. bringen, sind sie seltsam nah und dennoch weit von unserer Haustür entfernt. Doch die Welt ist zu einem globalen Dorf geworden, in dem das große Böse mit dem großen Guten, das doch oft eigentlich auch nur ein anderes großes Böses ist, überwunden werden soll.

Diese Größe verhindert, dass wir das kleine Böse, das mitten unter uns geschieht, relativieren: Ist doch nicht so schlimm…

Das Böse fängt nämlich dort an, wo ich meinem Nächsten, der mir böse begegnet ist, gezielt mit Bösem begegne, um ihm deutlich zu machen, dass er so nicht mit mir umgehen kann.

Doch auf diese Weise überwinde ich nicht das Böse, sondern lasse mich selbst vom Bösen gefangen nehmen.

Warum nur denke ich an dieser Stelle an die Geschichte mit der linken und der rechten Wange? Sie erinnern sich, die Stelle, wo Jesus zu jemandem sagt: „Wenn Dich jemand auf Deine Wange schlägt, so halte ihm auch die andere hin.“ Da steht aus gutem Grund nicht: „Wenn Dich jemand auf die eine Wange schlägt, schlägst Du dem anderen auf beide Wangen.“ Was würde denn dann passieren? Genau, es würde zu einer veritablen Schlägerei ausarten.

So beginnen Kriege.

Und genau das ist es, was Jesus nicht will. Deshalb sagt er, dass man auch die andere Wange hinhalten soll, nämlich, um den anderen auf diese Weise mit dem von ihm ausgehenden Unrecht zu konfrontieren. Das ist der Moment, wo ich das Böse mit Gutem überwinde.

Genau das gleiche gilt für die Geschichte mit der Meile: „Wenn Dich jemand nötigt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann gehe freiwillig eine weitere mit ihm.“ Sie erinnern sich? Das römische Besatzungsrecht, wonach ein Römischer Soldat einen Mann Israels nötigen konnte, ihm eine Meile als Lastenträger zu dienen? Gehe ich freiwillig eine weitere Meile mit, überwinde ich das Böse mit Gutem, weil ich nicht dem Impuls folge, dem anderen eine reinzuhauen, mich mit ihm gemein zu machen.

Das Böse mit Bösem zu überwinden, ist eine große Versuchung, aber ihr zu erliegen führt nicht zum Ziel, also dem Guten, sondern in den Untergang. Deshalb beten wir auch:

Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.

In diesem Sinne: Amen.

Wochenandacht über den Wochenspruch aus dem Römerbrief, Kapitel 12, Vers 21 im LAFIM am 25. Oktober 2018