Pfr. Martin Dubberke

Einfach mal nur Gottes Wort hören

Als ich mich gestern im Zug von Chorin nach Berlin auf die Andacht vorbereitete, las ich – wie das so meine Art ist – zuerst einmal Losung und Lehrtext für den Donnerstag. Und schon bei der Losung hielt ich inne. Ich weiß, dass es keine Zufälle gibt, aber dass ausgerecht für diesen Tag dieser Vers gelost wurde, ist schon eine Botschaft.

Frage doch zuerst nach dem Wort des HERRN!
2. Chronik 18, 4

In dieser Novemberwoche jähren sich so viele Ereignisse, die sich noch heute auf unser Leben auswirken:

7. November 1917 – mit einem Signalschuss des Kreuzers Aurora in Petrograd die Oktoberrevolution.

8. November 1918 – Kurt Eisner ruft in München die Republik Bayern aus und erklärt das herrschende Königshaus der Wittelsbacher für abgesetzt. Gleichzeitig wird er zum 1. Ministerpräsidenten des Freistaats gewählt.

8. November 1923: Adolf Hitler besetzt mit Erich Ludendorff und anderen den Bürgerbräukeller in München und verkündet die „nationale Revolution“ und die Absetzung der Reichsregierung der Weimarer Republik.

8. November 1937: Goebbels eröffnet in München die Ausstellung „Der ewige Jude“. Die Ausstellung, die durch das ganze Reich wandern wird, soll die Bevölkerung gegen ihre jüdischen Mitbürger aufhetzten.

8. November 1939: Georg Elser scheitert mir seinem Attentat auf Adolf Hitler im Münchener Bürgerbräukeller.

8. November 2016: Donald Trump wird zum Präsidenten der USA gewählt.

9. November 1918: Reichskanzler Max von Baden verkündet eigenmächtig die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und übergibt gleichzeitig an Friedrich Ebert die Amtsgeschäfte. Gegen 14:00 Uhr ruft Philipp Scheidemann (SPD) vom Reichstagsgebäude die „deutsche Republik“ aus. Gegen 16:00 – dieses Mal vom Stadtschloss aus, verkündet Karl Liebknecht die „deutsche Räterepublik“.

9. November 1936: Im Schutz der Nacht entfernen die Nationalsozialisten vor dem Leipziger Gewandhaus das Denkmal des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy.

9. November 1938: Pogromnacht: Im Deutschen Reich kommt es reichsweit zu organisierten Übergriffen gegen Juden und jüdische Einrichtungen, bei denen unter anderem Synagogen in Brand gesteckt werden. Polizei und Feuerwehr haben Weisung, nur nichtjüdisches Eigentum zu schützen.

9. November 1967: Studierende entfalten bei der Amtseinführung des neuen Rektors der Hamburger Universität ein Transparent mit dem noch heute bekannten Spruch „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“, der dann auch gleichzeitig zu einem Symbol der 68er-Bewegung wurde.

Und nicht zuletzt der 9. November 1989: Fall der Berliner Mauer.

Frage doch zuerst nach dem Wort des HERRN!
2. Chronik 18, 4

Die Losung steht im 2. Chronikbuch, also einem Geschichtsbuch. Diese Chronik erzählt aber nicht nur einfach die Geschichte, sondern stellt sie auch noch in einen Zusammenhang mit Hören oder auch Nichthören wollen oder gar Verdrehen des Wortes Gottes für eigene Zwecke. Und genau so eine Geschichte steckt hinter der Losung.
Es ist die Geschichte von Joschafat, dem König von Juda und Ahab, dem König von Israel. Die beiden waren verschwägert und Joschafat hatte sich dann irgendwann einmal entschlossen, seinen Schwager zu besuchen. Der hat ihn natürlich mich allen Ehren empfangen, hat ein riesiges Staatsbankett für ihn gegeben. Es war ja nicht nur ein Treffen zweier verschwägerter Könige – was uns ja irgendwie auch an die europäischen Monarchien des vorangegangenen Jahrhunderts erinnert – sondern auch echtes Gipfeltreffen.

Und im Rahmen dieses Treffens schlug Ahab vor, dass doch die beiden ihre Armeen zusammenpacken könnten, um gemeinsam nach Ramot in Gilead zu ziehen, um dieses zu erobern.

Joschafat, der sich allem Anschein nicht in so einen Angriffs- und Eroberungskrieg begeben wollte, weil er doch seine rechten Zweifel an dem Unternehmen hatte, sprach dann zu seinem Schwager:

Frage doch zuerst nach dem Wort des HERRN!
2. Chronik 18, 4

Zuerst – Das muss man sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Also, auf diese Frage hin versammelte Ahab seinen Beraterstab oder anders ausgedrückt die Propheten. Dabei handelte es sich um 400 Experten, denen der König die einfache Frage stellte: Sollen wir nach Ramot in Gilead in den Kampf ziehen oder soll ich’s lassen?
Die Propheten berieten, stimmten sich ab und sagten dann mit einer Stimme: Zieh hinauf! Gott wird es in des Königs Hand geben.

Joschafat hatte allerdings so seine Zweifel an dieser Expertise. Und irgendwie erinnert mich das ja auch an viele Momente in der Geschichte unseres Landes und vieler anderer Länder auch – sogar bis in die Gegenwart hinein, wo Gott für solche Zwecke eingespannt, ja missbraucht wird und das geschichtliche Handeln als Auftrag Gottes verstanden wird, der einen Staatsmann oder eine Staatsfrau, einen Politiker oder eine Partei ermächtigt – Gott wird es in des Königs Hand geben – zu handeln. Ich denke nur an das Gottesgnadentum der deutschen Monarchie, dem Verständnis, dass der König oder Kaiser von Gott auf den Thron gesetzt worden ist.

Also, Joschafat hatte seine berechtigten Zweifel an dem Wort der Propheten und fragte seinen Schwager, ob das wirklich alle Propheten seines Landes gewesen seien. Und Ahab sagte, dass das im Prinzip schon so sei, er hätte da allerdings noch einen, aber den kann er nicht ausstehen, weil nie etwas Gutes über ihn weissagen würde, sondern immer nur Böses weissage.

Auch das kennen wir: Bestätigt ein Berater nicht meine Meinung, dann ist es ein schlechter Berater. Auch dafür finden wir ja nahezu jeden Tag Belege in den Medien. Das fängt mit Journalisten an und endet beim Rauswurf von Minstern.

Aber wieder zurück zur Geschichte. Ahab sagt, dass dieser Prophet Micha heißen würde und er ihn holen lasse.

Und Micha sagt nun folgendes:

So wahr der HERR lebt: Was mein Gott sagen wird, das will ich reden.

Micha interpretiert nicht. Er redet. Ahab stellt nun auch ihm die Frage und Micha antwortet darauf:

Darum höret des HERRN Wort! Ich sah den HERRN sitzen auf seinem Thron, und das ganze himmlische Heer stand zu seiner Rechten und zu seiner Linken. Und der HERR sprach: Wer will Ahab, den König von Israel, betören, dass er hinaufziehe und falle bei Ramot in Gilead? Und als dieser so und jener anders redete, trat der Geist vor und stellte sich vor den HERRN und sprach: Ich will ihn betören. Der HERR aber sprach zu ihm: Womit? Er sprach: Ich will ausfahren und ein Lügengeist sein in aller seiner Propheten Mund. Und der Herr sprach: Du wirst ihn betören und wirst es ausrichten; fahr hin und tu das!

Was passierte daraufhin? Der König ließ den Propheten inhaftieren und ordnete als Ernährungsplan Wasser und Brot an. Er hätte ihn ja auch umbringen lassen können, aber er sagte, dass seine Inhaftierung so lange dauern würde, bis er in Frieden zurückkäme. Er wollte ihm also beweisen, dass er nicht das Wort Gottes gesprochen hätte.

Und so zog er zusammen mit Joschafat in den Krieg nach Ramot in Gilead. Aber er war schon ein feiger Hund, weil er sich nicht als König kleidete, sondern als einfacher Soldat, während Joschafat als König ins Feld ging.
Und dabei entstand folgende Situation. Das gegnerische Heer hielt Joschafat für den König Israels, also den eigentlichen Aggressor, und umringte ihn. Doch der schrie aus Lebenskräften und Gott lockte sie von ihm weg, so dass sie merkten, dass er nicht der König von Israel war.

Und dann passierte etwas sehr Interessantes. Ein Mann spannte seinen Bogen von ungefähr und schoss auf den König von Israel, der tödlich verletzt wurde.

Ahab nutzte seine Tarnung nichts. Er starb, weil er nicht auf das Wort Gottes, das ihm nicht in Kram passte, dass ihn nicht bestätigte, nicht gehört hatte.

Er hatte zwar gefragt, aber auch zugleich die Antwort parat, die er sich von ausschließlich nach seinem Munde redenden Propheten bestätigen ließ.

Wer ihm nicht nach dem Munde redete, war ein Volksfeind und musste inhaftiert werden. „Volksfeind“ – nebenbei gesagt, ein Wort, das heute wieder gerne in den Mund genommen wird, gerade erst gestern wieder, als ein Reporter dem us-amerikanischen Präsidenten in einer Pressekonferenz unangenehme Fragen gestellt hat.
Wir leben in einer Zeit, in der in ganz besonderer Weise der Lehrtext auf dem 2. Timotheus 3, 14 gilt:

Bleibe bei dem, was Du gelernt hast und was Dir anvertraut ist.

Also, lasst uns am Beispiel des Micha orientieren.

Und so möchte ich mit Worten von Philip Spitta, Pfarrer und Dichter, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelebt hat, schließen:

Hilf uns, dass wir treu bewahren,
was wir in das Herz gefasst,
und lass andre auch erfahren,
dass du Lebensworte hast.

In diesem Sinne: Amen.

Wochenandacht im LAFIM am 8. November 2018 über Losung und Lehrtext