Pfr. Martin Dubberke
Der Mond über Partenkirchen | Bild: Martin Dubberke

So sei nun eifrig und tue Buße!

Liebe Geschwister, schon seit Wochen können wir es in und an den Geschäften sehen, dass der Advent vor der Tür steht. Seit Wochen, ach, seit Monaten können wir schon wieder Lebkuchen kaufen, Adventskalender und Co. Die Werbung für Weihnachts- und Christkindlsmärkte sind ebenfalls nicht zu übersehen gewesen und vor einer Weile konnten wir sehen, wie am Richard-Strauss-Platz die Buden für unseren Christkindlsmarkt aufgebaut wurden. Es wird wieder Advent und es ist wieder Advent.

Wir holen aus dem Keller oder dem Speicher unsere Advents- und Weihnachtsdeko, schmücken unsere Wohnungen und Häuser und manch einer denkt vielleicht ob der Strompreise darüber nach, ab es in diesem Jahr wirklich in allen Fenstern eine blinkende Lichterkette geben muss oder die Lichtinstallationen am Haus und im Garten.

Aber, was fangen wir mit dem ganzen Advent an? Ist es die Erinnerung daran, dass wir uns mal so langsam Gedanken über die Weihnachtsgeschenke machen sollten?

Schauen wir uns die Farbe des Advents an. Sie ist nicht rot wie die Schleifen und Kerzen am Adventskranz oder grün wie das Tannengrün des Adventskranzes, sondern violett wie das Leiden Jesu in der Passionszeit und das Violett der Umkehr, der Buße.

Ok, es geht also um die Veränderung unserer Welt, die Schöpfung, den Frieden, das Ende von Krieg und Gewalt. Meine Aufmerksamkeit bleibt an einem Satz des Predigttextes aus der Offenbarung hängen:

So sei nun eifrig und tue Buße!  (Offenbarung 3,19b)

Und ich denke, dass wir doch gerade erst den Buß- und Bettag begangen haben, wo wir miteinander über die zehn Gebote ins Gespräch gekommen sind und uns darüber ausgetauscht haben, wo wir von dem einen oder anderen Gebot abgewichen sind und Gott um seine gnädige Vergebung gebeten haben.

Soll ich also schon wieder über die Buße predigen? Ich weiß nicht so recht. Mir gehen verschiedene Ideen durch den Kopf, wie ich mich dem Thema nähern kann. Wie war das doch gleich mit der Weltklimakonferenz in Scharm asch-Schaich? Eine wirkliche Kehrtwende war das ja nicht. Oder das gnadenlose Raketenfeuer Putins über der Ukraine und insbesondere über Kiew. Also, die Umkehr zum Frieden? Oder das ganze peinliche Rumgeeiere mit der One-Love-Binde bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar und das ganze korrupte System, das mir und vielen anderen die Freude an der schönsten Nebensache der Welt kaputt gemacht hat.

Doch dann bin ich gestern Abend in unserem Kleinen Theater gewesen und habe mir mit meiner Familie „Eine bayerische Weihnachtsgeschichte“ angesehen. Ein Weihnachtsschauspiel von Matthias Weckmann nach Charles Dickens. Ihr kennt die Geschichte vom Geizkragen Scrooge, einem echten Widerling, der seinem unterbezahlten Angestellten Cratchit unablässig mit der Kündigung droht und am Heiligen Abend auch noch Mahnungen an seine Schuldner verschicken möchte.

Tja, und genau dieser Widerling erhält in der Heiligen Nacht einen unerwarteten Besuch. Es ist der Geist seines vor sieben Jahren verstorbenen Geschäftspartners Jacob Marley. Und Marley scheint in seinem Leben nicht viel besser als Scrooge gewesen zu sein; ein Geschäftsmann, der nur dem Geld nachgejagt ist, dem Kapital, der Ausbeutung und über den Profit eigentlich sein eigenes Leben zerstört hat.

Marleys Geist liegt in Ketten, die er in seinem Leben mit seiner Hartherzigkeit, seinem Geiz, seiner Gier nach mehr, seinem Egoismus, seiner Menschenverachtung selbst geschmiedet hat. Er selbst hat sich in seinem Leben unmerklich selbst in Ketten mit all den Sünden, die er auf sich geladen hat, gelegt. Und es muss so schlimm gewesen sein, dass nun auch im Tod die Kette ihn bindet und er nicht zur Ruhe kommen kann. Doch jetzt will er seinen alten Freund und Geschäftspartner warnen, ihn vor dem gleichen Schicksal bewahren. Marley kündigt ihm in der Heiligen Nacht den Besuch von drei Geistern an: dem Geist der vergangenen Weihnacht, dem Geist der gegenwärtigen Weihnacht und schließlich dem Geist der zukünftigen Weihnacht.

Als der Geist des Marley Scrooge verlassen hat, geht dieser wieder ins Bett, doch kaum, dass er neben seinem Geldsack wieder eingeschlafen ist, beginnt für Scrooge wohl die härteste Nacht seines Lebens.

Ein Geist nach dem anderen kommt zu ihm und lässt ihn keine Ruhe finden. Der Geist der vergangenen Weihnacht führt Scrooge in seine Jugend zurück, als er, der vom Vater verstoßen wurde, weil seine Mutter bei seiner Geburt gestorben ist, noch einmal seiner großen Liebe Belle begegnet, die ihn verlässt, weil sich bei ihm schon abzeichnet, was für ein ekelhafter Mensch er werden wird.

Wir erleben mit dem Geist der vergangenen Weihnacht, dass ein Mensch eine Vergangenheit hat, die ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist.

Was ist mit unserer eigenen Vergangenheit? Was ist mit der Vergangenheit unseres Nächsten, dem wir begegnen und den wir manchmal nicht verstehen, so wie wir selbst in unserem Handeln und in unserer Art und Weise nicht verstanden werden?

Als der Geist der vergangenen Weihnacht Scrooge verlässt, ist dieser verwirrt und gerührt.

Aber Scrooge kommt nicht zur Ruhe in dieser Nacht. Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht kommt und zeigt ihm, wie das Weihnachten seines gepeinigten Mitarbeiters aussieht, der zu Hause ein krankes Kind hat, das dem Tod ins Gesicht schaut, weil der Vater sich keinen anständigen Arzt leisten kann, weil Scrooge ihn so schlecht bezahlt.

Als Scrooge den Geist fragt, ob der Junge überleben wird, antwortet der Geist:

„Nur, wenn sich die Schatten der Zukunft ändern, wird er auch am Leben bleiben.“

Im gleichen Atemzug zitiert der Geist Scrooge:

„Wenn er schon sterben müsse, soll er es bald tun, um die Überbevölkerung zu verringern.“

Doch wer glaubt, dass ihm der zweite Geist den Rest gegeben hat, der täuscht sich.

Der Geist der zukünftigen Weihnacht lässt ihn teilhaben an einem Gespräch seiner Londoner Kollegen, die sich das Maul über einen verstorbenen Kollegen zerreißen. Scrooge muss nun nicht nur erleben, wie der ganze Besitz jenes Kollegen verschachert wird, sondern auch, wie der Sohn seines Mitarbeiters stirbt und vieles andere mehr. Der Geist führt Scrooge schließlich zum Friedhof, wo er ihn zu einem Grabstein führt, und ihn auffordert den Schnee von der Inschrift zu entfernen. Da sieht Scrooge, dass es sein eigener Grabstein ist.

Als Scrooge am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertags wieder aufwacht, ist er ein geläuterter Mensch. Erleichtert, dass er lebt, steht er fröhlich auf und nimmt sich vor, sein Leben zu ändern. Als Christenmenschen nennen wir das Umkehr.

Scrooge hatte eine wahre Bußnacht.

Als, wir nach der Premiere noch mit dem Ensemble ins La Baita zur Premierenfeier fahren, sage ich zu meiner Frau: „Schatz, ich weiß nun, wie meine Predigt morgen aussehen wird. Es wird nicht um die Rettung der Welt gehen, sondern um uns selbst.“

Scrooge ist vier Geistern begegnet. Wir zünden von heute an jeden Sonntag eine weitere Kerze am Adventskranz an. Mit jeder Kerze wird es heller. Jede Kerze mehr, bringt mehr Licht in unser Leben. Jede Kerze mehr weist uns dem Weg zum befreienden Licht der Heiligen Nacht.

So, und nun können wir ahnen, warum die Adventszeit eine Zeit der Buße ist. Sie gibt uns die Gelegenheit, in unsere Vergangenheit zu schauen, zu verstehen, warum wir sind, wie wir sind und ob das wirklich so gut ist, wie wir sind. Was haben wir in der Vergangenheit durch unser Verhalten verspielt, so wie Scrooge seine große Liebe verspielt hat? Wo haben wir selbst zu wenig Liebe empfangen?

Tja, und dann schauen wir uns die Gegenwart an, die ganz viel mit dem zu tun hat, was wir getan haben. Wir dürfen, können und müssen uns mit den Folgen unseres Handelns beschäftigen. Welchen Beitrag hat unser Geiz, unsere Gier an der gegenwärtigen Situation in unserem Leben geleistet?

Und wenn wir es wagen, konsequent in die Zukunft zu schauen, was werden wir dann feststellen?

Ich sage es Euch: Alles, was uns nicht gefallen wird, ist auf unserem Mist gewachsen sein. Wie auch Scrooge, haben wir die Möglichkeit, heute damit anzufangen, umzukehren. Und genau deshalb lässt der Engel in der Offenbarung diese Worte aufschreiben:

So sei nun eifrig und tue Buße! (Offenbarung 3,19b)

Ein Engel ist ein Bote Gottes. Und eigentlich waren die vier Geister in der Geschichte von Scrooge auch nur Engel, die eine Botschaft von Gott hatten und die Botschaft war am Ende die gleiche, wie sie auch die letzten Worte unseres Predigttextes haben:

Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! (Offenbarung 3,22)

Amen.

Pfarrer Martin Dubberke, Predigt am 1. Adventssonntag, 27. November 2022, über Offenbarung 3, 14-22, Perikopenreihe V, in der Markuskirche zu Farchant und der Johanneskirche zu Partenkirchen.

Pfarrer Martin Dubberke
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