Pfr. Martin Dubberke
Fassanstich anlässlich der Eröffnung des aja Resort | Bild: Martin Dubberke

Der Generalschlüssel

Liebe Geschwister, – also, ich sage jetzt einfach mal „Geschwister“, denn wir eröffnen ja dieses Hotel unter Gottes Wort und mit seinem Segen, dann kommen wir also auch als Geschwister zusammen – also, als ich zur Vorbereitung für diesen Tag meine Bibel aufgeschlagen habe, fand ich an keiner Stelle ein Resort oder eine Wellnessoase, keine Bar mit Terrasse oder einen Whirlpool, geschweige denn eine Kindersauna. Ja ich fand nicht einmal ein Bewertungsportal.

Gut, das mit dem Bewertungsportal stimmt nicht so ganz. Denn immerhin gibt es ja schon ein paar Stellen in der Bibel, wo es auch darum geht. Das sind dann die Verse, in denen von Gericht, Verdammnis und ewiger Seligkeit die Rede ist.

Sie ahnen es: So ein Bewertungsportal ist schon so ein Ort, wo über Wohl und Wehe entschieden wird. Aber, und das ist ja das Tolle an der Bibel: Sie ist ja auch zugleich ein QM-Manual. Also, ein Qualitätsmanagement-Handbuch. Ich vermute mal, dass die meisten von Ihnen solche Handbücher kennen. Sie sind in aller Regel sehr umfangreich. In der Bibel sieht es anders aus. Es lässt sich alles auf eine einzige Formel reduzieren, in der alles drinsteckt:

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. (Galater 5,14)

So einfach das klingt, aber es ist die größte Herausforderung und das besonders in einem Hotel, in dem jeden Tag Menschen aus der ganzen Welt kommen, um in unserem wunderschönen Garmisch-Partenkirchen Urlaub zu machen oder zu tagen. Und diese Menschen sind nicht immer alle gleich freundlich oder gleich sympathisch und gleich einfach. Ich finde, in einem Hotel kann man immer wieder aufs Neue lernen und beobachten, was „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ in der Praxis bedeutet, und dass das nicht nur ein luftig, flockig daherkommender Bibelvers ist, sondern eine Haltung, die einen Menschen herausfordern kann. Und gleichzeitig kann man jeden Tag in so einem Hotel erleben, was passiert, wenn man genau nach dieser Maxime lebt und damit das ganze Gesetz in einem Wort erfüllt, nämlich Wellness oder auf Deutsch Wohlfühlen. Tja, auch wenn in der ganzen Bibel weder das Wort „wohlfühlen“ oder „Wohlgefühl“ vorkommt, haben wir hier doch den Generalschlüssel dazu gefunden.

Ach ja, ich hatte ja eingangs gesagt, dass ich in der Bibel nirgends den Begriff „Resort“ gefunden habe. Aber es gibt immerhin 18 Stellen in der Bibel, an denen von Herberge die Rede ist. Die bekannteste davon kennen wir ja, weil sie Jahr für Jahr in unseren Heiligabend-Gottesdiensten vorgelesen wird. Die Geschichte von Maria und Josef, die auf der Suche nach einer Herberge waren und alle Herbergen, also Pensionen, Ferienwohnungen, Resorts, Hotels überfüllt waren. Aber, und jetzt kommt ein ganz großes Aber: Der Hotelier, der Maria und Josef den Stall anbot, war der wahre Hotelier, denn im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern fand er eine Lösung und damit auch eine Unterkunft für die schwangere Maria und den Josef. Und somit ist die Weihnachtsgeschichte auch ein Lehrstück für Hoteliers.

Es gibt aber unter den 18 Stellen noch eine andere, die mir sehr gut gefällt. Die findet sich in der Apostelgeschichte. Die zwei Verse, die ich gleich vorlesen werde, spielen sich in Rom ab. Paulus war in Rom angekommen und traf sich dort mit den Angesehensten der Jüdischen Gemeinde:

23 Und als sie ihm einen Tag bestimmt hatten, kamen viele zu ihm in die Herberge. Da erklärte und bezeugte er ihnen das Reich Gottes und predigte ihnen von Jesus aus dem Gesetz des Mose und aus den Propheten vom frühen Morgen bis zum Abend. 24 Die einen ließen sich überzeugen von dem, was er sagte, die andern aber glaubten nicht.

Apostelgeschichte 28, 23-24

Warum ausgerechnet diese Stelle an einem solchen Tag? Weil ein Hotel auch ein Treffpunkt für Menschen ist, die sich miteinander austauschen wollen, die tagen, diskutieren, lernen. Oder wie bei Paulus: Ein Hotel ist ein neutraler Ort, an dem vieles möglich ist, wo unterschiedliche Meinungen und Auffassungen zusammenkommen und auch nebeneinander stehen bleiben können, man sich ergebnisoffen begegnen und auch wieder auseinandergehen kann. Ein Hotel ist ein Ort der Begegnung, wo Menschen aus allen Ländern und Orten dieser Welt einander begegnen können, sich kennenlernen können oder sogar ineinander verlieben können.

Also, mich gäbe es zum Beispiel nicht, wenn sich meine Eltern – jeder für sich aus Berlin kommend – nicht 1952 im Urlaub in einer kleinen Pension in Grainau begegnet wären und sich ineinander verliebt hätten.

Also, Hotels sind auch Orte, an denen Menschen arbeiten, sondern Orte, die Zukunft und neues Leben stiften und damit für Menschen und Generationen Teil ihrer Biographie werden.

Möge dieses Hotel so ein Ort werden und der Segen Gottes nicht von ihm weichen.

Amen.

Pfr. Martin Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke, Andacht anlässlich der Segnung des aja Resort Garmisch-Partenkirchen am 17. Juni 2021