Pfr. Martin Dubberke

Wir sind nicht allein auf dem Weg

Ostern und Geburtstag. Das passt doch! Die Auferstehung Jesu Christi und die Erinnerung an den Tag der eigenen Geburt. Beides steht für neues Leben und Leben auf Anfang.

Nach der Geburt eines kleinen Schreihalses wird alles anders im Leben. Es wird nie wieder so sein, wie vor der Geburt. Das Leben verändert sich grundlegend. Ostern hat auch das Leben der Menschen grundlegend verändert.

Jesus Christus, der zuvor schon mal den einen oder anderen Menschen im Rahmen seiner Wundertaten vom Tode erweckt hat, ist nun selbst von den Toten auferstanden und mitten unter uns. Sein Sterben und Auferstehen hat auch uns – jeden einzelnen von uns – neu geboren.

So feiern wir Ostern gewissermaßen alle auch den Abschied von unserem alten Leben, wo wir in die Irre gegangen sind und Fehler gemacht haben, weil wir nicht genug geglaubt haben, wo wir zu sehr Mensch und zu wenig Christ gewesen sind. Ostern erinnert uns an dieses großartige Geschenk, das uns Gott gemacht hat. Eigentlich sollten wir uns nicht zum Jahreswechsel das Rauchen abgewöhnen wollen und andere tolle Dinge vornehmen, sondern zu Ostern.

Und nun haben gleich vier Kolleginnen und Kollegen in dieser österlichen Zeit Geburtstag. Und ausgerechnet an so einem Tag gibt es eine Losung, die so gar nicht nach Geburtstag klingt. Aber man kann es sich ja auch nicht aussuchen. Das ist ja das Schöne am Losen. Da hält man dann so eine Losung in der Hand, die einen am Morgen anstrahlt und dann frech zu einem sagt: „Na, dann fang mal was mit mir an!“

Hier nun die Losung:

Gott hat mein Elend und meine Mühe angesehen.
1. Mose 31,42

Dann fangen wir mal was damit an. Das klingt ja ganz so, als ob wir nun die Geburtstagkinder in unserer Runde fragen sollten, was sie alles im zurückliegenden Lebensjahr so Schlimmes erlebt haben.

Keine Bange! Tun wir nicht. Das wäre ja Anlass für ein seelsorgerliches Gespräch und nicht für so eine große Runde.

So eine Losung ist ja wie ein Hinweis bei einem Rätsel, der uns zur Lösung führen soll. Dann spielen wir jetzt einmal Detektiv und stellen uns die Frage, ob denn der Vers alleine schon die ganze Wahrheit ist Irgendwie klingt die Losung ja nach großer Zerknirschung, hinter der eine längere Geschichte steckt. Wie sagte doch mein alter Professor Hans-Martin Schenke immer im Seminar: „Ein Satz, hinter dem ein ganzer Thomas-Mann-Roman steckt.“

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott es beim Ansehen von Leid und Mühe gelassen hat. Im Augenblick ließe sich halt nur sagen: „Niemand hat mein Elend und meine Mühen gesehen.“ Also keine Zerknirschung, sondern eher eine Frage der Zurückweisung, der Nichtbeachtung durch einen Dritten. So nach dem Motto: „Ich habe hier von morgens bis abends geschuftet und für dich die Kastanien aus dem Feuer geholt, aber Dir ist das ja alles egal. Das interessiert dich nicht einen Pfifferling.“

Es tun sich heftige menschliche Abgründe auf. Und der Mensch, der diesen Satz spricht, scheint es lange mit sich herumgetragen zu haben, bevor es aus ihm herausgeplatzt ist. Denn bis dahin hat nur Gott wahrgenommen, was hier passiert. Die Beziehung der beiden Menschen zueinander ist schwerst gestört und die menschliche Enttäuschung ist riesengroß. Das ist alles menschlich allzu menschlich. Wir ackern und ackern, egal ob zu Hause oder im Job und manchmal kommt im Stress, in der Flut der Aufgaben, die Würdigung zu kurz. Manchmal fällt sie auch der Selbstverständlichkeit zum Opfer, weil das, was wir tun für den anderen zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, die ihn das Danken vergessen lässt.

Und dann kann es passieren, dass sich plötzlich jemand bei Nacht und Nebel aufmacht und den anderen allein zurücklässt.

Aber bevor wir hier weiter Vermutungen anstellen, schauen wir uns doch einfach mal den Ursprung der kleinen Bibelstelle an. Die Losung stammt aus der Geschichte von Laban und Jakob.

Wir erinnern uns. Jakob ist der Zwillingsbruder von Esau, der seinem Bruder mit einem Linseneintopf das Erstgeburtsrecht abgeluchst hat und sich auf diese Weise den Erstgeburtssegen seines Vaters erschlichen hat und deshalb die Familie verlassen musste. Seine Eltern schickten ihn zu seinem Onkel Laban. Bei seinem Onkel wurde er im Laufe von zwanzig Jahren ziemlich reich, während sein Onkel mehr und mehr seinen Besitz an ihn verlor. Das neideten ihm seine Cousins – also Labans Söhne. Das bekam Jakob mit und er merkte auch, wie sich allmählich die Stimmung seines Onkels veränderte. Das konnte damals leicht tödlich enden. Aber statt miteinander zu reden, machte er sich – dem Ratschlag eines Engels folgend – in der Nacht mit seinem Besitz auf den Weg zu seinem Vater Isaak.

Natürlich bemerkte Laban die Flucht und setzte ihm nach und dann kam es zu einem Showdown mit einer kleinen Überraschung, denn Gott war Laban im Traum begegnet und hatte ihn aufgefordert freundlich gegen Jakob zu sein: Die beiden schlossen einen Vertrag miteinander.

Und was könnte uns die Geschichte nun sagen? Z.B., dass die Lösung manchmal ganz nahe liegt. Statt jede Menge Fürsprecher oder Anwälte einzuschalten, kann man auch einfach mal miteinander reden, um Lösungen herbeizuführen. Statt Gerüchten und Intrigen freien Lauf zu lassen, sollte man sie frühzeitig angehen und direkt ansprechen, bevor sie zu mächtig werden und die Oberhand über einen gewinnen.

Und natürlich ist es eine Geschichte, die deutlich macht, dass man das, was man einmal versprochen, gelobt hat auch nicht wegen seines großen Erfolgs in anderen Dingen aufgeben darf. Und da darf man dann dankbar auch auf den Engel des Herrn hören, der – wie in diesem Fall – einen wieder daran erinnert, wo man geerdet ist und seine Wurzeln hat. Und in Jakobs Fall war es der Glaube seines Großvaters Abraham, einmal ein großes Volk zu sein.

In unserem Leben ist es wichtig zu wissen, wo man herkommt und wo man warum hin möchte und wer einen auf diesem Weg begleitet.

Durch Gott sind wir nie allein auf diesem Weg. Und weil dem so ist, ist auch das, was wir tun, nicht vergebens.

Paulus formuliert das im 1. Brief an die Korinther wie folgt:

Seid standhaft, lasst euch nicht erschüttern, tut jederzeit das Werk des Herrn in reichem Maße! Ihr wisst ja: Im Herrn ist eure Arbeit nicht umsonst. 1. Korinther 15,58

Und so wünsche ich Ihnen so einen kleinen Jakobs-Engel, der sie im rechten Moment an Ihre Ziele erinnert.

Amen.