Pfr. Martin Dubberke

Kyrie & Gloria Patri

Unter der Überschrift „In Gegenwart Gottes“ – Predigtreihe zu unserer Liturgie predige ich am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres 2010 über das „Kyrie“ und das „Gloria Patri“.

Kyrie eleison. Herr, erbarme dich! Christe eleison. Christe, erbarme dich! Kyrie eleison. Herr, erbarm die über uns.

Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum, dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlaß, all Fehd hat nun ein Ende.

Sonntag für Sonntag singen wir diese Worte. Sie sind uns in Fleisch und Blut übergegangen. Sie sind ein Stück zu Hause und wenn das Gloria nicht gesungen wird, wissen wir, dass wir uns in der Passionszeit befinden. Aber Hand auf’s Herz, wer von uns denkt schon darüber nach, was das eigentlich bedeutet? Lassen Sie mich zuerst emotional in die Betrachtung einsteigen. Die liturgischen Gesänge haben mich schon als kleines Kind fasziniert. Als Sohn eines Musikers, der mich zu vielen Kirchenkonzerten mitgenommen hat, wurde ich schon früh in den Bann – ich sage es einfach so, wie ich es immer empfunden habe – des Heiligen gezogen. Da passierte etwas, was ich schon als Kind als eine ganz eigene Stimmung wahrnahm. Das war nicht wie die Musik, die mein Vater sonst in den Konzertsälen machte.

Und das Wort „heilig“ sagt es ja schon. Es war etwas Heiles. Ich war aus dem normalen Tag, der normalen Welt da draußen rausgenommen und befand mich in einer ganz anderen Welt, die mich faszinierte und ganz in ihren Bann zog. Das ist heute noch so wie vor mehr als vierzig Jahren.

Und so ist es mit den liturigischen Gesängen. Als Protestanten haben wir da ja nicht ganz so viele in unserem Gottesdienst, aber die, die wir haben, lösen immer wieder das gleiche bei mir aus: Ich fühle mich dem lieben Gott plötzlich auf eine Weise nah, die ich an keiner anderen Stelle im Gottesdienst habe. Mit den liturgischen Gesängen entsteht für mich eine Intimität und Kontemplation, die ich an keiner anderen Stelle des Gottesdienstes in dieser Intensität verspüre. Die liturgischen Gesänge sind für mich immer wie eine Brücke, die mich direkt auf die andere Seite führt.

Kyrie eleison!

Herr, erbarme dich!

Allein das „Kyrie“, das HERR, das Luther groß schreibt, ist ein Glaubensbekenntnis. Ich bekenne mich zu Gott. Und nun die Frage: Zu welchem oder was für einen Gott bekenne ich mich? – Ja, zu einem Gott, der sich meiner erbarmt, zu einem Gott, der die Macht hat, sich meiner zu erbarmen.

Aber warum soll er sich meiner erbarmen? Weil ich ein Sünder bin. Ich bin nicht perfekt in dem, was ich tue. Wenn ich aber nicht perfekt bin. Wenn ich fehlbar bin, dann muss es doch eine Messlatte geben, an der ich den Grad meiner Fehlbarkeit messen kann. Es muss also Spielregeln geben: Gebote.

So, und damit ist nun klar, woher die Gebote kommen. Sie kommen von Gott. Denn kämen sie nicht von ihm, hätte er uns keine Gebote, Spielregeln, Verhaltensempfehlungen gegeben, so müsste er sich unser nicht erbarmen.Das ist doch fantastisch: Zwei kleine griechische Worte: „Kyrie eleison“ – oder drei im Deutschen – „Herr, erbarme“ Dich erzählen eine ganze Geschichte.Darauf kann ich nur noch antworten:„Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen.“

Ehre sei Gott! Ich erweise Gott Ehre, weil er mein Gott ist. Und ich erweise Ihm die Ehre, in dem ich seine Gebote halte.Merken Sie, gerade war ich noch der Sünder, der Gott um Erbarmen bat. Und Gott hat sich nun meiner erbarmt, denn ich singe und bekenne nun aus der Perspektive desjenigen, dessen sich Gott erbarmt hat. Ich bin also just in diesem Moment ohne Sünde und verspreche nun Gott, Ihm alle Ehre zu erweisen. Und zugleich weiß und bekenne ich, was passiert, wenn ich die Gebote halte. Es wird Frieden auf Erden geben und den Menschen ein Wohlgefallen. Es wird den Menschen gut gehen.

Also, lieber heute als morgen ein echtes, zerknirschtes Kyrie eleison und dann fortwährende Ehrerweisung.Der Friede in der Welt – und das wird hier ganz deutlich – hängt nicht von Gott ab, sondern von uns. Von Ihnen und Ihnen und Ihnen und mir. Für den Frieden in der Welt sind wir Menschen verantwortlich, und nicht Gott. Und genau das versprechen wir Gottesdienst für Gottesdienst und Sonntag für Sonntag, Jahrein und Jahraus. Und was hat es gebracht? Wir noch weit von dem Ziel „und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen“ entfernt. Da liegt noch sehr viel Arbeit vor uns, wenn wir das gesungene Versprechen halten wollen. Gott hat uns dafür das Handwerkzeug in die Hand gegeben: Seine Gebote. Und auch die sind ganz einfach zu merken. Ich muss mir nur die Kurzfassung merken und leben: Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst!So, und nun kommt der dritte Schritt:Allein Gott in der Höh sei Ehr darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade.

Ein Wohlgefalln Gott an uns hat;nun ist groß Fried ohn Unterlaß, all Fehd hat nun ein Ende.Der Dank!!! Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Schritt: Wir bitten Gott um sein Erbarmen. Schritt: Gott erbarmt sich unser. Schritt: Wir versprechen Gottes Gebote zu halten. Schritt: Dank.

Schauen wir weiter: Allein Gott sei Dank. Hier bekennen wir den einen Gott, nämlich unseren. Den Gott, der in den Zehn Geboten sagt: Ich bin der Herr, dein Gott, sollst keine anderen Götter neben mir haben. Das ist der Gott, der Israel aus der Gefangenschaft Ägyptens herausgeführt hat, der Gott der Befreiung und Erlösung.Und während wir dieses wunderschöne Lied singen, bekennen wir, dass ohne Gottes Gnade nichts funktioniert. Die Gnade ist das vollzogene Erbarmen Gottes. Wir sind Begnadigte und als Begnadigte wissen wir nun, dass uns kein Schade mehr von Gott her rühren kann, weil unser Schuld von uns genommen worden ist.Und damit hat Gott uns nun einen Wohlgefallen getan. Wir können wir von Vorne anfangen, tragen keine Altlasten mehr mit uns rum, die uns daran hindern könnten, Gott die Ehre zu erweisen. Da liegt dann keine Leiche mehr im Keller, die uns gefährlich werden könnte. Wir können uns also sofort mit ganzer Kraft auf die Ehrerweisung konzentrieren.Und wenn wir das tun, dann tritt das ein, was uns Gott zugesagt hat. Dann hat Gott einen Wohlgefallen an uns.

Ein Wohlgefalln Gott an uns hat;nun ist groß Fried ohn Unterlaß,all Fehd hat nun ein Ende.Zum Schluss noch einen Blick auf den Wohlgefallen. Es heißt zum einen „Den Menschen ein Wohlgefallen“ und zum anderen „Ein Wohlgefalln Gott an uns hat“.

In dem Moment, da wir Gott in der Umsetzung seiner Gebote die Ehre erweisen, wird auf Erden Friede entstehen, an dem wir Menschen unseren Wohlgefallen haben. Und genau in diesem Moment des „Fried ohn Unterlaß“ also des ewigen Friedens, in dem Moment, da die letzte Fehde, der letzte Streit, der letzte Krieg beendet ist, wird Gott auch an uns seinen Wohlgefallen haben.