Pfr. Martin Dubberke

Freiheit

Freiheit! Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als vor einunddreißig Jahren die Mauer fiel. Bei uns in Berlin herrschte grenzenlose Freude. Es war seelisch und physisch zu spüren, was Freiheit bedeutet, auch wenn jemand wie ich im freien Teil Berlin aufgewachsen und sozialisiert worden war. Es war jeden Tag zu spüren, welche Last von den Schultern und Seelen der Menschen im anderen Teil der Stadt und um die Stadt herum gefallen war.

Damals stellte sich an keiner Stelle die Frage nach Führern. Es HERRschte Freiheit, die BeGEISTerung auslöste. Und ich kann mich noch daran erinnern, wie Leonard Bernstein im Dezember 1989 nach Berlin kam und ein internationales Orchester mit Musikern aus Dresden, Berlin, London, New York, Paris, St. Petersburg – und auch aus dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zusammenstellte und im Schauspielhaus Berlin Beethovens Neunte aufführte, allerdings mit einer kleinen Änderung. Sie sangen „Freiheit schöner Götterfunken!“ Wer einmal gehört hat, wie der der Jan-Hendrik Rootering „Freiheit“ singt, ja eigentlich mehr aus dem Innersten herausruft, spürt, was das Wiedererlangen von Freiheit bedeutet. Ich sah das Konzert damals im Fernsehen und es war Gänsehaut pur. Freiheit, die Gänsehaut macht. Und wer – wie ich einmal Bernstein live erlebt hat – weiß, was bei so einem Konzert noch über die Rampe ging.

Freiheit ist ein hohes Gut, aber auch ein sensibles Gut. Die Losung erinnert uns daran, wer das Joch der Knechtschaft zerbrochen hat. Und der Lehrtext bringt es noch einmal auf den Punkt, welche Verantwortung mit der Freiheit verbunden ist:

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!

Galater 5,1

Losung und Lehrtext sind nicht nur Erinnerung, sondern auch Mahnung, welche Verantwortung wir für die Freiheit haben. Sowohl die Israeliten mussten daran erinnert werden, dass Freiheit Verantwortung und Arbeit bedeutet als auch wir heute, müssen immer wieder daran erinnert werden. Freiheit ist nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen, sondern auch Herausforderung. Freiheit ist nicht bequem. Freiheit muss man in all ihren Dimensionen auch aushalten können. Und dann ist es so, dass man feststehen muss, um sich nicht mehr das Joch der Knechtschaft auflegen zu lassen, dass bequeme Lösungen bereithält, wie es uns manche Menschen suggerieren wollen. Bequeme Lösungen sind immer nur dazu da, um selbst die Macht, die Herrschaft übernehmen zu wollen, um dann die Herrschaft zum Joch werden zu lassen, weil man die Herrschaft nicht mehr aus der Hand geben will.

Damit würden wir aber das Geschenk, dass uns Christus gemacht hat, in die Tonne werfen, um unserer eigenen Bequemlichkeit Willen. Der Losung und Lehrtext halten uns noch einmal deutlich vor Augen von und durch wen Freiheit möglich wird.

Losung und Lehrtext ist heute der erste Teil die zweiten These der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 gegenübergestellt, die in der Zeit der Ermächtigung und Unterdrückung Position bezogen und bekannt hat. Und heute hält sie uns noch immer deutlich mahnend, warnend, erinnernd vor Augen, was diese Freiheit für unsere Lebensführung und unsere Entscheidungen bedeutet. Ich lese die 2. These in der vollständigen Fassung:

Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern an deren Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften.

Damit ist aus meiner Sicht alles gesagt. Amen.


Pfr. Martin Dubberke, Morgenandacht in der Dienstbesprechung über Losung und Lehrtext vom Dienstag, 21. Januar 2020:

Ich bin der HERR, euer Gott, der euch aus Ägyptenland geführt hat, dass ihr nicht ihre Knechte bleibt, und habe euer Joch zerbrochen und habe euch aufrecht einhergehen lassen.
3. Mose 26,13

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!
Galater 5,1

Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen.
Barmer Theologische Erklärung 1934