Pfr. Martin Dubberke
Hier stehe ich und kann nicht anders | Bild: Martin Dubberke

Ermahnungen

Liebe Geschwister, meidet das Böse in jeder Gestalt.  Amen! Das war’s auch schon für heute. Mehr Predigt ist nicht. Mehr muss bei einer Predigt nicht rauskommen. Wenn Ihr das verstanden habt und danach handelt, ist alles gut.

[Buch zuschlagen und so tun, als würde ich die Kanzel wieder verlassen.]

Ach, ihr wollt doch mehr hören? Gut, hätte nicht gedacht, dass Ihr so viel Freude an Ermahnungen habt, denn genau darum geht es dem guten Paulus heute: Um Ermahnungen.

Und damit bewegen wir uns gerade in einem absolut sensiblen Terrain. Wer ermahnt, hat das Gefühl, auf der besseren Seite zu stehen und einen anderen vor dem Schlechten bewahren zu müssen. Das kann leicht den Geschmack der Bevormundung bekommen.

Wir Pfarrerinnen und Pfarrer sind recht vorsichtig geworden, was die Ermahnungen betrifft. Wie leicht könnte der Schuss nach hinten losgehen, wenn jemand rausfindet, dass unsereins Wasser predigt aber Wein säuft. Da kommt dann im wahrsten Sinne des Wortes das Thema Glaubwürdigkeit zum Tragen. Wir tun uns auch deshalb so schwer mit Ermahnungen, weil das ja nicht so ganz mit dem modernen Bild von Kirche konform geht. Man will ja heute keinem mehr wehtun oder ihm das Gefühl geben, bevormundet zu werden. Wie oft höre ich, dass es ja bei uns in der evangelischen Kirche alles liberaler wäre, als in der katholischen. Wisst ihr, was in den Fällen gerne antworte: Dann kennst Du uns noch nicht. Wir machen das heute ein wenig anders: Wir lächeln und verurteilen ein politisches oder gesellschaftliches Handeln. Da bewegen wir uns auf sicherem Terrain. Da geht es ja um Politikerinnen und Politiker.

Schon mal darauf geachtet, was da gerade alles im Wahlkampf passiert? Da kommen zum Beispiel die Vertreter der einen Partei und sagen, dass eine andere Partei eine Regelungs- und Verbotspartei ist.

Was sind wir dann? Ich meine, wir haben immerhin die Zehn Gebote: Du sollst nicht…

Das sind ganz klare Regeln. Die gelten – mal so ganz nebenbei erwähnt – natürlich für jeden von uns?

Sind wir als Christinnen und Christen etwa Mitglieder einer Verbotsreligion? Und noch schlimmer: Trauen wir uns etwa nicht mehr dazu zu stehen?

Aber noch einmal zurück zum Wahlkampf, nicht dass Ihr denkt, dass ich hier vielleicht Wahlkämpfer bin und Euch versuche, in die eine oder andere Richtung zu drängen. Ich hoffe ernsthaft, dass die Zeiten vorbei sind, wo Pfarrerinnen und Pfarrer von der Kanzel aus sagen, welche Partei man wählen kann und welche nicht. Ich nehme das sehr ernst mit der politischen Neutralität eines Pfarrers. Für mich schließt es sich aus, als Pfarrer Mitglied einer Partei zu sein, weil mich das im wahrsten Sinne parteiisch macht. Ich hatte mal einen Bischof, der bevor er Bischof wurde, über eine politische Karriere nachgedacht hat. Doch dann wurde er Bischof und stellte fest, dass man in seiner Partei die Mitgliedschaft nicht ruhen lassen konnte. Und mehr noch. Er stellte fest, dass sich das mit dem Amt nicht vereinbaren ließe. Und so trat er aus seiner Partei aus. Nebenbei gesagt, es war nicht die Partei mit dem C.

Aber es gibt für mich noch einen anderen Grund, nicht Mitglied einer Partei zu sein, auch wenn ich am Ende eine wählen werde. Ich bin nämlich Christ. Und als Christ setze ich mich mit christlichen Mitteln für die Veränderung der Welt ein und nicht mit politischen. Ein Parteiprogramm kann sich vielleicht zu großen Teilen mit den Anforderungen meines Glaubens decken, aber wenn ich Mitglied einer Partei bin, dann habe ich plötzlich auch politische Gegner, die am Ende nur deshalb nicht einer vernünftigen Entscheidung folgen, weil es kein Vorschlag von ihnen war.

Wie viele sinnvolle Entscheidungen sind verhindert worden, weil sie von der falschen Partei vorgeschlagen worden sind?

Damit habe ich als Christ meine allergrößten Schwierigkeiten. Und wie das ausschaut, erleben wir jetzt natürlich auch im Wahlkampf. Läuft der etwa fair? Nein. Da wird mit harten Bandagen gespielt. Da werden Kandidatinnen und Kandidaten von der Presse hochgejubelt und wieder fallengelassen. Da werden Kandidaten sogar verloren geschrieben, egal ob sie nun vernünftige Argumente bringen oder nicht. Lässt sich ein solches Verhalten mit meinem, mit unserem Glauben vereinbaren?

Da wollen ganz viele Politikerinnen und Politiker, ganz viele Parteien den Menschen etwas vorgaukeln, damit sie am Ende des Tages gewählt werden. Sie schwindeln, weil sie dem Wahlvolk nicht wehtun wollen und selbst an die Macht wollen. Und wenn sie sich einig sind, lügen sie sogar dreist gemeinsam. So geschehen am vergangenen Sonntag im sogenannten Triell auf RTL, als allen Kandidatin und Kandidaten die Frage gestellt wurde, ob die Rente mit Siebzig kommt. Alle drei verneinten. Jeder und jede von uns weiß aber, dass sich das nicht vermeiden lässt. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass es bei der EKD die Altersgrenze für Pfarrerinnen und Pfarrer auf 75 zu erhöhen. Das schreckt mich nicht, weil es wohl kaum anders sein kann, wenn man sich die demographische Entwicklung und die Nachwuchszahlen anschaut. Und das ist nicht nur im Pfarrstand so, sondern in ganz vielen anderen Berufen ebenso.

Wir werden also nicht drum herumkommen, dass es die Rente ab siebzig geben wird, weil sonst alles zusammenbricht. Ich persönlich habe mein Leben so geplant, dass ich bis 70 arbeiten werde.

Was also wäre passiert, wenn auch nur einer von den dreien die Wahrheit gesagt hätte: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, aber die Rente mit 70 wird sich nicht vermeiden lassen. Jeder, der dem Wähler etwas anderes verspricht, ist feige und belügt die Wählerinnen und Wähler.“ Na, was für ein Aufschrei wäre da durch die Medien gegangen? Und dann stellt sich die Frage, ob man diesen Kandidaten oder diese Kandidatin medial fertig gemacht hätte oder als halbwegs ehrlichen Politiker hochgejubelt hätte.

Ich könnte jetzt eigentlich festhalten, dass Kirche und Politik etwas eint: Dem Menschen direkt das ins Gesicht zu sagen, was Not tut, weil sie Angst haben, dann nicht mehr geliebt zu werden.

Wird Kirche unbequem, treten die Menschen aus, weil sie nicht bevormundet werden. Wird Politik unbequem, wird die Partei nicht gewählt. Achtet mal darauf, welche Partei Wohltaten verteilen möchte, aber nicht an die Ursache herangehen möchte, weil das ja unpopulär ist. Wir erleben also jede Menge Symptompolitik aber kaum Ursachenpolitik.  Eben, weil man niemandem so richtig wehtun möchte, was dazu führt, dass man am Ende so richtig wehtun muss.

Symptompolitik ist die Schmerztablette bei Zahnschmerzen. Ich habe Angst vor dem Zahnarzt und haue mir eine Tablette nach der anderen ein, um den Schmerz zu betäuben. Mal ganz abgesehen davon, dass diese ganzen Tabletten bei Dauereinsatz für den Gesamtorganismus Mist sind, wird am Ende das Tages das Loch im Zahn immer größer, der Schmerz immer schlimmer und am Ende ist der Zahn nicht mehr zu retten und dann muss der Zahnarzt am Ende doch ran und den Zahn ziehen. Dabei wäre es ein Leichtes – wenn auch vielleicht etwas schmerzhaftes – gewesen, den Zahn zu behandeln und das Loch zu füllen. Genauso ist es mit der Symptom- und der Ursachenpolitik. Irgendwann gibt es dann ganz harte Einschnitte.

Haben wir aber nicht einmal von Jesus etwas anderes gelernt? Gab es da nicht mal vor zweitausend Jahren einen guten Grund, weshalb die Menschen zu Jesus gekommen sind, ihm nachgefolgt sind, selbst nach seinem Tod?

Genau, weil Jesus stets nach der Ursache, nach dem Sinn gefragt hat. Erinnert Euch nur an die Geschichte mit der Scheidung. Was hat denn Jesus damals geantwortet: „Mose hat euch den Scheidebrief um eurer Herzenshärtigkeit willen gegeben.“ Jesus benennt die Ursache. Nämlich die Herzenshärtigkeit. Ohne sie würde es aus seiner Sicht nicht zum Scheidungswunsch kommen.

Oder die berühmte Geschichte mit der Ehebrecherin, die das Volk steinigen möchte und Jesus dem Ganzen mit einem einzigen Statement Einhalt gebietet: „Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“ – Ooops, wie haben sich die Leute schnell verkrümelt.

Das ist genauso wie die Geschichte, Inlandsflüge zu verbieten, aber zugleich Vielflieger zu sein oder den Autoverkehr eindämmen zu wollen, aber SUV zu fahren. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Genauso wie bei Kirchens. Wir fordern Nächstenliebe und Rettung von Menschen in Not. Die EKD kauft ein Flüchtlingsschiff und die Menschen treten aus der Kirche aus, weil die Kirche das macht, was der Glaube fordert.

Ach, wie gut hatte es doch Paulus als er seine Gemeinde in Thessalonich insgesamt 14 Ermahnungen am Ende seines Briefes mit auf den Weg gab. Die sind – nebenbei gesagt- heute unser Predigttext. Also, Ohren gespitzt und gut zugehört:

Wir ermahnen euch aber: Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. 15 Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann. 16 Seid allezeit fröhlich, 17 betet ohne Unterlass, 18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. 19 Den Geist löscht nicht aus. 20 Prophetische Rede verachtet nicht. 21 Prüft aber alles und das Gute behaltet. 22 Meidet das Böse in jeder Gestalt. 23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus. 24 Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun.

Na, mal kurz innerlich die Checkliste abgearbeitet und geprüft, wo bei einem selbst Handlungsbedarf besteht?

Lasst und mal ruhig die Ermahnungen kurz miteinander durchgehen:

 

1.

Weist die Nachlässigen zurecht. Das geht schon mal gleich gut los. Erinnert Ihr Euch noch an das Thema Steuersünderportal, wo man Steuersünder melden sollte? War in dieser Woche ein brisantes Thema. Eigentlich sind ja die Steuern – egal ob es einem nun gefällt oder nicht – unser Beitrag, um den Staat und das Sozialleben, das Bildungsleben etc. am Laufen zu halten. Also, eigentlich zahlen wir das ja für uns selbst. Die Nächlässigen zurechtweisen, bedeutet für mich nicht Denunziation, sondern Erinnerung daran, welche Verantwortung der Einzelne für das Gemeinsame, die Gemeinschaft wahrnimmt. Also, mal christlich formuliert: Wenn es jemandem nicht gelingt, die zehn Gebote und die Sache mit der Nächstenliebe zu leben, dann gefährdet er die Gemeinschaft. Und dann ist es vollkommen richtig, ihn darauf hinzuweisen und vor allem auch darauf hinzuarbeiten, dass er sich an die Spielregeln hält und der Egoismus, seine Nachlässigkeit am Ende auch ihn gefährden wird. Den Nachlässigen zurechtzuweisen ist damit nicht nur Ausdruck der Nächstenliebe, sondern auch die Aufgabe, den Anfängen zu wehren und über die Folgen eines nachlässigen Verhaltens aufzuklären, aber auch die Ursachen für diese Nachlässigkeit in den Blick zu bekommen und diese miteinander abzustellen.

2.

…tröstet die Kleinmütigen… – Oh ja, sind die Kleinmütigen nicht oft auch die Verzagten, die Angst haben und sich deshalb nicht trauen, das zu leben, wozu uns unser Glaube dringend einlädt? Sie zu trösten und darin zu unterstützen, den Mut zu haben, so zu leben und zu handeln ist wichtig. Und unsere Welt ist übervoll von Kleinmütigen. Wenn wir uns da nicht selbst beim Schopfe packen, ist es mit der Gemeinschaft schnell vorbei. Also, auch den Kleinmütigen zu trösten, ihm Mut zu machen, bedeutet, ihn mit auf die große Reise zu nehmen, auf der wir die Welt zum Guten verändern wollen. Die Veränderung beginnt nämlich nicht bei den Politkern, die wie manch populistische Partei oder manch populistischer Politiker um die Kleinmütigen buhlen, sondern bei uns, die wir die Kleinmütigen gerne ausgrenzen.

3.

… tragt die Schwachen… – Ja, das ist eine unserer christlichen Kernaufgaben. Das sind die Schwachen im Glauben. Das sind aber auch die sozial Schwachen, die wir als gesellschaftliche Gemeinschaft tragen müssen. Es gibt viele Ursachen dafür, dass Menschen schwach sind. Und so gilt es nicht nur, sie zu tragen, sondern auch die Ursachen dafür aufzuarbeiten und die Schwachen stark zu machen. Auch die Schwachen sind ein Ebenbild Gottes. Sie aus dem Blick zu verlieren, bedeutet auch Gott aus dem Blick zu verlieren.

4.

…seid geduldig mit jedermann… – Eine der schwierigsten Übungen. Ich gebe zu, dass ich damit zuweilen meine Schwierigkeiten habe und mich diese Geduld zeitweilig eine Menge kraft kostet. Aber, und auch das ist meine Erfahrung, wenn ich diese Geduld aufbringe, werde ich in der Regel groß belohnt.

5.

Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte… – Wenn es mal endlich gelingen würde, diese Art von Aufrechnen aus der Welt zu schaffen, würde es so viel friedlicher in unserem Leben werden. Und ich rede hier nicht von der Politik. Jeder von uns kennt doch den Impuls, den durch und durch verständlichen Impuls. Aber diesem Impuls zu folgen, heißt immer, eine Spirale von Vergeltung in Gang zu setzen, die am Ende des Tages in einem Weltenbrand enden kann. Der Friede beginnt in unseren eigenen vier Wänden, in unseren Familien, an unseren Arbeitsplätzen, Vereinen und so weiter…

6.

…, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann. – Wenn uns das endlich mal gelingen würde, dann gäbe es Frieden, Freude und Wohlstand für alle. Das macht deutlich, dass es hier nicht um Egoismus geht, sondern, dass eine Folge für alle hat. Wenn ich dem Guten nachjage und das ist in diesem Fall natürlich das, was via Jesus als das Gute gelernt und erfahren habe, dann geschieht das nicht für mich allein, sondern füreinander und für jedermann. Und genau das hat am Ende einen globalen Effekt.

7.

Seid allezeit fröhlich… – Oh ja, es lebe das Ende der Miesepetrigkeit. Klar, wenn jemand krank ist oder gerade einen Menschen verloren hat oder vielleicht seinen Job verloren hat, dann ist der natürlich nicht fröhlich. Aber wenn derjenige das erlebt hat, dann ist er ein Fall für die dritte Ermahnung – also … tragt die Schwachen… Fröhlich zu sein, bedeutet auch Hoffnung zu haben. Nicht umsonst gibt es das wunderbare Wort „hoffnungsfroh“. Wer fröhlich ist, steckt andere an und macht anderen Mut. Wer fröhlich ist, sieht die Welt mit einem großen Herzen und ist nicht kleinmütig. Wer fröhlich ist, hat erfahren, was es bedeutet, wenn jemand ihm gegenüber sich an die Ermahnungen des Paulus zu Herzen genommen hat. Fröhlich kann der sein, der in seinem Leid von der Gemeinschaft getragen wird, weil er spürt und erfährt, dass er nicht allein ist. Wer das erlebt, ist nicht verbittert. Die Verbitterten können nämlich anderen oft nicht die Freude am Leben gönnen.

8.

…betet ohne Unterlass… – Wer betet, der glaubt auch an Gott und spricht so auch mit Gott. Wer betet ist mit Gott in Kontakt, der kommuniziert mit ihm und kann dabei ganz viel erfahren. Wer betet, der tut dies auch für andere. Dabei muss ich natürlich mal wieder an Bonhoeffer denken. Dietrich Bonhoeffer hat in seinem berühmten Buch „Gemeinsames Leben“ geschrieben: „Eine christliche Gemeinschaft lebt aus der Fürbitte der Glieder füreinander, oder sie geht zugrunde.“ (Bonhoeffer, Gemeinsames Leben, DBW 5, 2002, S. 73) Damit ist alles gesagt, was auch Paulus an dieser Stelle seiner Gemeinde sagen möchte.

9.

…seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. – Ein ganz heikles Thema. Wer nicht betet, kann eigentlich auch nicht wirklich dankbar sein. Denn der glaubt am Ende, dass er es vielleicht aus eigener Kraft geschaffen hat. Aber das ist weit gefehlt. Das, was wie aus eigener Kraft erscheint, hat Gott in einem gewirkt. Und dann kommt da ja noch ein weiterer Aspekt hinzu: Dankbarkeit ist Wertschätzung. Dankbarkeit ist Ausdruck dafür, dass nichts selbstverständlich ist, selbst wenn es so scheint. Und genau diese Dankbarkeit geht mehr und mehr verloren. Dankbarkeit ist auch ein Ausdruck von Demut. Wenn ich aber nur noch stets im Forderungsmodus bin, dann geht auch die Dankbarkeit verloren und damit die Wertschätzung dessen, was man hat. Der Verlust von Dankbarkeit ist der Beginn der Entsolidarisierung und der Gemeinschaft und somit der Beginn eines Egozentrismus, des selbstverständlich alles für mich. Der Verlust von Dankbarkeit ist der Beginn des Untergangs, ja geradezu ein Sündenfall.

10.

Den Geist löscht nicht aus. – Damit wären wir beim Heiligen Geist angekommen, dem Geist, der verbindet, der aus uns eine Gemeinschaft werden lässt. Eines Geistes zu sein, bedeutet, dass sich die Gemeinschaft nicht auseinanderdividieren lässt, z.B. durch Populisten, Egoisten, Angstmacher, Verantwortungslose, Kriegstreiber, Geiz ist geil-Marktschreier. Der Geist ist es, der uns gegen all diese Anfechtungen stark macht und ihnen widerstehen lässt und uns so die Gemeinschaft des Geistes erleben lässt.

11.

Prophetische Rede verachtet nicht. – Prophetische Rede konfrontiert uns mit dem, was wir als Folge unseres gottvergessenen, gottverdrängten Handelns erwarten dürfen. Die Prophetenbücher sind voll davon. Die Propheten warnen, sie laden als Sprachrohr Gottes bei den Menschen dazu ein, umzukehren, wieder auf den Weg Gottes zurückzukommen, weil alles andere den Untergang bedeuten wird. Propheten sind gewissermaßen die Analysten ihrer Zeit gewesen. Die Propheten waren ja nicht gegen den Menschen, sondern für die Menschen, um sie zu bewahren. Aber es bedarf einer Kleinigkeit, um bewahrt zu werden: Ich muss mich selbst bewegen. Ich muss aus meiner Bequemlichkeit ausbrechen, aus meiner Bequemlichkeit, in der ich auf Kosten anderer gelebt habe oder lebe. Ich muss Verantwortung wahrnehmen und das bedeutet, Konsequenzen zu ziehen. Ein solches Beispiel ist für mich z.B. die Entwicklung von Grundstückspreisen – auch in unserer Region. Wir haben z.B. 1958 für das Grundstück in Grainau, auf dem unsere Erlöserkirche steht, 80.000 DM bezahlt. Also, rund 40.000 Euro. Heute hat das Grundstück einen Wert von 3,6 Millionen Euro. Der Wert des Grundstückes hat sich in 63 Jahren also verneunzigfacht. Mal ganz abgesehen von Inflation und Co und vielen anderen Faktoren stelle ich mir die laienhafte Frage, ob sich in dieser Zeit auch die Einkommen verneunzigfacht haben. Für mich bedeutet das, dass uns das alles irgendwann einmal um die Ohren fliegen wird. Für mich bedeutet das, dass der Markt mehr Bedeutung hat, als das Wort Gottes und alle Ermahnungen des Paulus. Dem Markt mehr zu gehorchen als Gott, ist ein Irrweg, ein Abweg, dessen Folgen wir heute schon längst beobachten können.

12. & 13.

Prüft aber alles und das Gute behaltet. – Tja, das ist ja dann wohl auch eine Folge der prophetischen Rede. Und eigentlich sind es jetzt zwei Ermahnungen in einer: Alles zu prüfen und das Gute zu behalten. Mit diesen beiden Ermahnungen lädt uns Paulus auch heute noch dazu, immer wieder neu unser Handeln und Entscheiden, unsere Lebensweisen zu überprüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind und uns von dem zu verabschieden, was uns am Guten hindert, um das Gute am Ende auch behalten zu können.

14.

Meidet das Böse in jeder Gestalt. – Tja, dem ist nichts hinzufügen. Damit sind wir wieder am Anfang der Predigt angekommen. Ihr hättet es also deutlich kürzer haben, aber nun habe ich ein lange Predigt gehalten.

Also, meidet das Böse in jeder Gestalt.  Es gibt für Paulus keine Ausnahmen. Es gibt nichts Böses, das in seiner Gestalt – also Art – vielleicht lässlich sein könnte. Nein, das Böse ist im Grundsatz in jeder Gestalt zu meiden. Das Böse dividiert Gemeinschaft auseinander. Das Böse schafft Unfrieden, wie klein oder groß das Böse auch sein mag. Das Böse in jeder Gestalt zu meiden, bedeutet, dem Bösen keine Macht über mich und damit andere zu geben.

Wir hören in diesen Tagen immer wieder die Formulierung vom „inneren Kompass“, ohne, dass verraten wird, was denn nun dieser innere Kompass sei. Ich persönlich glaube – und habe auch das Gefühl – , dass Ihr es genau sehen könnt, dass diese 14 Ermahnungen des Paulus, die ja Ausdruck seiner Liebe und Fürsorge für seine Gemeinde sind, ein exzellenter innerer Kompass sind, um keinem Rattenfänger oder keiner Rattenfängerin auf den Leim zu gehen.

Und weil Paulus weiß, wie schwierig es ist, diesen Kompass zum inneren Kompass werden zu lassen und diesem unbeirrt zu folgen, schreibt er seiner Gemeinde noch etwas:

Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus. 24 Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun.

Das gilt auch uns. Und so wünsche ich uns genau das gleiche. Und in dieser Zuversicht, lasst uns nun durch Ermahnung ermuntert in die neue Woche gehen. Amen.

Pfr. Martin Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke, Predigt am 14. Sonntag nach Trinitatis 2021 über 1. Thessalonicher 5, 14-24, Perikopenreihe III, in der Christuskirche in Garmisch und der Johanneskirche in Partenkirchen

 

 

 

 

 

Wenn Sie mit mir Kontakt aufnehmen wollen oder mit mir ins Gespräch kommen möchten, schreiben Sie mir bitte einfach eine kurze Nachricht.