Pfr. Martin Dubberke
Berufung | Bild: Martin Dubberke

Berufung

Liebe Geschwister, die Geschichte der Berufung Samuels berührt mich immer wieder. Samuel, der Sohn von Hanna und ihrem Mann Elkana war eigentlich schon vom Tage seiner Geburt ein Gottes Kind. Es ist eine der Geschichten von Frauen in der Bibel, die lange kinderlos geblieben sind. Hanna war so glücklich über Samuel, dass sie ihn in die Obhut Elis gab, um Priester zu werden. Und so wuchs Samuel in einer besonderen Umgebung auf, als ihm Gott zum ersten Mal hörbar begegnete. Aber wie das immer so ist, kam auch er nicht auf die Idee, als Gott ihn rief, dass ihn Gott gerufen hat.

Eli und Samuel schlafen, als Samuel zum ersten Mal von Gott geweckt wird. Und Samuel springt natürlich sofort auf und geht zu Eli, weil er glaubt, dass der alte, kranke Mann nach ihm gerufen hat. Aber Eli sagt, dass er ihn nicht gerufen habe und schickt ihn wieder in sein Bett zurück.

Also geht Samuel wieder in sein Bett zurück und kaum, dass er wieder eingeschlafen ist, ruft Gott wieder: „Samuel!“ Wieder steht er auf. Wieder geht er zu Eli, weil er glaubt, dass er es war, der ihn gerufen hat. Und wieder schickt ihn Eli schlafen.

Mich würde ja mal interessieren, was so in Samuels Kopf vor sich gegangen ist, als er nun schon zum zweiten Mal scheinbar vergeblich aufgestanden ist und von Eli wieder ins Bett zurückgeschickt worden ist. Und Samuel konnte auch gar nicht auf die Idee kommen, dass Gott ihn gerufen haben könnte, denn es ist ja folgendes festgehalten:

7 Aber Samuel kannte den Herrn noch nicht, und des Herrn Wort war ihm noch nicht offenbart.

Samuel wusste allem Anschein noch nichts über Gott. Obwohl er im Tempel, wo die Bundeslade war, lebte und schlief, wusste er noch nichts über Gott und Eli hatte ihn wohl noch nicht mit dem Wort Gottes vertraut gemacht. Wie sollte er also darauf kommen, dass Gott mit ihm spricht, wenn er noch gar nicht wusste, dass es ihn gibt? Also legt sich Samuel ein weiteres Mal wieder schlafen.

Aber kaum, dass Samuel wieder eingeschlafen ist. Spricht erneut Gott zu ihm und wieder geht er zu Eli. Ganz ehrlich? Ich kann mir kaum vorstellen, dass Samuel abermals sofort aufgesprungen ist. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich für einen Moment die Augen gerieben hat und dabei überlegt hat, ob er wirklich noch einmal zu Eli geht.

„Das wird doch wieder das gleiche werden. Ich gehe zu ihm und der alte Mann wird wieder sagen, dass nichts gewesen ist. Da könnte ich doch eigentlich gleich liegen bleiben…“

Aber so war Samuel nicht gestrickt. Wieder steht er auch und wieder sagt er: „Du hast mich gerufen. Hier bin ich.“

Doch beim dritten Mal ist es anders. Eli, der ja inzwischen auch schon dreimal geweckt worden ist und vielleicht schon von Samuel genervt sein könnte, sieht mit einem Male klarer und versteht, was sich hier wirklich abspielt. Samuel hat nicht Traum und Realität miteinander vermischt, sondern Gott selbst hat ihn gerufen. Und so sagt er zu dem Jungen:

Geh wieder hin und lege dich schlafen; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, Herr, denn dein Knecht hört.

Und so ging Samuel wieder ins Bett und kaum, dass er eingeschlafen war, hörte er nun zum vierten Mal in dieser Nacht die Stimme Gottes:

Samuel, Samuel!

Und nun antwortet Samuel:

Rede, denn dein Knecht hört.

Und Gott redet mit Samuel. Er weiht ihn in das ein, was er mit dem Hause Eli vorhat. Gott zieht Samuel ins Vertrauen und damit beginnt die Geschichte von Gott und Samuel.

Wie ist das mit uns? Was löst so eine Berufungsgeschichte bei uns aus. Ich kann mich noch erinnern, als ich vor vielen Jahren auf dem Kongress Christlicher Führungskräfte war – ja, solche Kongresse gibt es wirklich – und mich abends beim Bier ein freikirchlicher Kollege fragte: Wann ich denn berufen wurde und wie meine Berufungsgeschichte ausschaut.

Ich weiß noch ganz genau, wann ich meine erste Begegnung hatte, wann ich zum ersten Mal von Gott gehört habe. Das war 1970. Ich war Erstklässler und mein Religionslehrer, Herr Pelzer, kam in unsere Klasse und wollte nicht mit uns rechnen oder malen oder Buchstaben beibringen, sondern er erzählte uns von einem Herrn Gott und einem Herrn Jesus.

Was sich anfänglich wie das Erzählen von Märchen anhörte, bekam für mich ganz schnell eine andere Bedeutung. Mit der ruhigen und schlichten Autorität, mit der Lebendigkeit, mit der er die Geschichten aus der Bibel erzählte, wuchs in mir mehr und mehr die Gewissheit, dass es diesen Gott wirklich gibt.

Und ich erinnere mich noch genau daran, wie mich ein Klassenkamerad auf dem Spielplatz fragte, ob ich das denn glauben würde, was uns da der Herr Pelzer erzählen würde. Und ich antwortete ihm, dass ich das glauben würde, weil die Geschichten so unwahrscheinlich sind, dass sie schon wieder wahr sein müssen.

Mit sechs Jahren wusste ich für mich schon das, was einst wohl schon Augustinus gesagt haben soll: „Credo, quia absurdum est.“ Ich glaube, weil es absurd ist.

Heute glaube ich, dass ich mit dieser frühen Erkenntnis schon auf die Schiene gesetzt worden war, einmal Pfarrer zu werden. Aber die Entscheidung fiel erst gute zehn Jahre später, als ich morgens aufwachte und mit einer unerschütterlichen Gewissheit wusste, dass ich Pfarrer werden will.

Doch auf dem Weg dahin, spielten noch zwei weitere Männer eine zentrale Rolle: Mein Religionslehrer Dr. Bernhard Zürner und mein Konfirmator Pfarrer Martin Reuer.

Diese drei Männer waren gewissermaßen mein Eli. Diese Drei haben mich damit vertraut gemacht, dass es Gott gibt. Und ich kann aus heutiger Perspektive sagen, dass Gott mir diese drei Männer gesandt hat, damit ich sagen kann:

Rede, Herr, denn dein Knecht hört.

Und wie hört sich Eure Berufungsgeschichte an?

Gott begegnet uns in Menschen, die er in unser Leben schickt und Gott spricht zu uns durch sein Wort, dass wir in der Bibel lesen können. Und Gott spricht auch heute noch mit uns, so wie einst mit Samuel. Aus seinem Wort können wir erkennen, wie es mit der Welt weitergeht. Aus seinem Wort können wir erkennen, was wir zu tun haben.

Wer glaubt, dass Gott heute nicht mehr mit uns spricht, der irrt. Gott spricht mit uns mehr als wir denken. Wir haben nur das Hinhören und vor allem das Zuhören verlernt. Und genau das ist es, was wir wieder lernen dürfen und wohl auch sollten.

Ich sagte ja eingangs, dass mich die Berufungsgeschichte Samuels immer wieder aufs Neue berührt. Sie berührt, weil hier noch etwas ganz anderes Entscheidendes geschehen ist. Dreimal hat Samuel gedacht, dass Eli zu ihm gesprochen hat. Doch dann sagt ihm Eli, dass das wohl Gott gewesen sein muss. Erst, als Samuel erfahren hat, dass Gott mit uns Menschen spricht, konnte er auf den Ruf Gottes antworten:

Rede, Herr, denn dein Knecht hört.

Wir wissen, dass Gott mit uns spricht. Wie wäre es denn bis zum nächsten Mal mit einer kleinen Hausaufgabe? Sucht Euch dafür einen ruhigen Ort. Geht an Euren Lieblingsplatz oder kommt einfach im Laufe der Woche hierher in die Johanneskirche, setzt Euch irgendwo in eine Kirchenbank und versucht Euch zu erinnern, wo Gott Euch angesprochen hat und wo Ihr vielleicht nicht so genau hingehört habt oder dachtet, dass es was anderes war. Versucht Euch an Eure Berufungsgeschichte zu erinnern, an den Moment, in dem Ihr geantwortet habt:

Rede, Herr, denn ich höre Dir zu.

Das ist der Moment, in dem ich offen bin, meine Berufung durch Gott anzunehmen und ihr zu folgen. Und ich glaube, wenn uns das wieder bewusst ist oder wir uns noch einmal vor Augen gehalten haben, dann werden richtig offen sein, um uns kommenden Sonntag, also am Pfingstsonntag, vom Heiligen Geist einfach überraschen zu lassen.

Amen.

Pfarrer Martin Dubberke, Predigt über 1. Samuel 3, 1-10 (Perikopenreihe V) am Sonntag Exaudi, am  21. Mai 2023 in der Johanneskirche zu Partenkirchen

Pfr. Martin Dubberke
Pfr. Martin Dubberke

Wenn Sie mit mir Kontakt aufnehmen wollen oder mit mir ins Gespräch kommen möchten oder ein Feedback zu meiner Predigt geben wollen, schreiben Sie mir bitte einfach eine kurze Nachricht: