Pfr. Martin Dubberke
Dornenkrone auf dem Altar der Johanneskirche | Bild: Martin Dubberke

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Liebe Geschwister, gerade haben wir die letzten sieben Worte Jesu am Kreuz gehört. Sie sind wie eine Essenz, ein Testament in ganz kurzen Worten.

Letzte Worte, sind oft berühmte Worte. Goethes letzte Worten waren zwei:

„Mehr Licht!“

Und als Martin Luther am 18. Februar 1483 in Eisleben starb, sagte er noch:

„Wir sind Bettler, das ist wahr.“

Während Luther und Goethe eines natürlichen Todes starben, teilt Dietrich Bonhoeffer mit Jesus Christus das Schicksal der Hinrichtung, des unverdienten Todes, wie es einer der beiden Mitgekreuzigten Jesu gesagt hat.  Angesichts seiner bevorstehenden Hinrichtung sprach Bonhoeffer zu seinen Mitgefangenen:

„Das ist das Ende. Für mich aber der Beginn des Lebens.“

Das war am 9. April 1945.

Letzte Worte sind besondere Worte. Auf der einen Seite scheinen sie einen Blick auf das Kommende zu bieten und zum anderen scheinen sie die Summe eines Lebens zu sein.

Von Jesus sind sieben letzte Worte überliefert:

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Lukas 23,34

„Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Lukas 23,43

„Frau, siehe, dein Sohn!“ und: „Siehe, deine Mutter!“ Johannes 19,26–27

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Markus 15,34; Matthäus 27,46; Psalm 22,2

„Mich dürstet.“ Johannes 19,28

„Es ist vollbracht.“ Johannes 19,30

„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Lukas 23,46; Psalm 31,6

Das erste wie auch siebte letzte Wort beginnen mit der Anrede: „Vater!“ Beides sind Bitten. Bittet er anfangs für andere, bittet er am Ende für sich selbst.

Ihr werdet es ahnen, dass mich in dieser Zeit besonders das erste letzte Wort bewegt:

 „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Ja, sie haben wirklich nicht gewusst, was sie taten, als sie Jesus am Kreuz brutal hingerichtet haben. Es zeugt von seiner menschlichen Größe, dass er seinen Vater um Vergebung für seine Mörder bittet.

Sie wussten nicht, was sie taten, auch wenn sie meinten, es zu wissen. So scheint es auch heute zu sein. 2294 km von unserer Johanneskirche entfernt, gibt oder gab es die Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kirche in der Savchuk-Straße 41 in Mariupol. Heute um 15:02 kam über die Medien die Meldung, dass die Menschen in Mariupol zu Tode gehungert werden. Das lässt mich den Karfreitag heute noch einmal mit ganz anderen Augen sehen.

Der eine weiß, was er tut und der ein oder andere weiß nicht, was er tut und für wie viele Menschenleben, die nicht mehr sein werden, er die Mitverantwortung trägt.

Wenn das alles einmal vorbei sein wird, können wir nur hoffen, dass das letzte Wort Jesu am Kreuz

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

noch gilt, weil sonst keine Zukunft mehr möglich sein wird.

Jesu letzte Worte weisen aber auch auf die Verantwortung des Einzelnen hin. Während der eine Mitgekreuzigte Jesus verspottet, ergreift der andere für Jesus Partei. Er ist der Einzige, der an diesem Tag für ihn Partei ergreift. Und er sagt, dass sowohl der andere als auch er die Strafe zu Recht verdient hätten, aber nicht Jesus. Dieser eine hat für seine Taten die Verantwortung übernommen und damit auch die Konsequenzen seines Handelns anerkannt. Auch darum wird es einmal gehen. Und zu diesem einen sagt Jesus:

„Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

Noch im Sterben erinnert uns Jesus an die Verantwortung, die aus unserem Handeln erwächst, und damit auch an die Umkehr.

Jesus regelt im Sterben auch noch, dass seine Mutter nicht allein ist, sondern jemanden hat, der sich um sie kümmert, so wie der Jünger, den er lieb hatte nun eine Mutter hatte. Er schuf ein noch im Sterben eine Verbindung zwischen zwei Menschen, die alleine vielleicht nicht mehr im Leben zurechtgekommen wären. Er schuf eine Verbindung zwischen Zweien, die einander stützen und helfen sollten.

Nun war für ihn alles vollbracht und es scheint, als stünden die sieben letzten Worte Jesu in einer Parallele zu den sieben Tagen der Erschaffung der Welt.

Das sechste letzte Wort: „Es ist vollbracht!“ korrespondiert mit Genesis 1,31:

„Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.“

Danach geschah die Übergabe der Welt in die Hände des Menschen und so gibt Jesus mit seinem letzten Wort uns die Verantwortung für diese Welt in unsere Hände zurück. Ich habe Euch alles gezeigt, was ihr braucht, um diese Welt wieder sehr gut werden zu lassen.

Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!

In unserer Taufe hat uns Gott diesen Geist geschenkt. Drum gebt mit Eurem Leben dem Heiligen Geist Raum, in dieser Welt zu wirken. Nicht ohne Grund greift Heinrich Schütz am Ende als Conclusio auf eine Strophe des vorreformatorischen Liedes „Da Jesus an dem Kreuze Stund“ zurück:

Wer Gottes Marter in Ehren hat
und oft gedenkt der sieben Wort,
des will Gott gar eben pflegen,
wohl hie auf Erd mit seiner Gnad,
und dort in dem ewigen Leben.

Auch der Lieddichter Johann Andreas Cramer fordert uns auf, nicht zu vergessen und miteinander den letzten Heiligen Willen des Herrn zu erfüllen:

„Wenn wir in Frieden beieinander wohnten,
Gebeugte stärkten und die Schwachen schonten,
dann würden wir den letzten heiligen Willen
des Herrn erfüllen.“

Johann Andreas Cramer

Amen.

Pfr. Martin Dubberke, Geistliche Gedanken über die Sieben letzten Worte Jesu am Kreuz von Heinrich Schütz am Karfreitag 2022, 15. April 2022 in der Johanneskirche zu Partenkirchen

Pfr. Martin Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke

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