Liebe Geschwister, „Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Damit ist bestens beschrieben, worum es heute geht und was alle Texte dieses Gottesdienstes heute irgendwie gemeinsam haben, nämlich: Gott zu loben! Gott für das zu loben, was er uns Gutes getan hat.
Und der Wochenspruch spricht auch ganz offen unsere größte Schwäche an, die wir Menschen haben: Unsere Vergesslichkeit.
Ja, reden wir doch nicht lange um den heißen Brei herum. Wir Menschen sind vergesslich, wenn’s ums Gute geht, was Gott uns hat widerfahren lassen.
Mal ganz ehrlich: Beschweren wir uns nicht mehr beim lieben Gott, als wir uns bei ihm bedanken und ihn loben? Geht es nicht öfter um die Gottesferne und nicht die Gottesnähe? Und damit ist auch unsere eigene ganze persönliche Nähe oder Ferne zu Gott gemeint. Leben wir nicht mehr in einer Welt, die gottesfern statt gottesnah ist?
Heute ist gewissermaßen der Sonntag des Dankes, der Sonntag, an dem wir uns daran erinnern können, was uns Gott so alles in unserem Leben hat Gutes widerfahren lassen. Es ist also auch ein Sonntag, der uns die Frage stellt, wie wir uns erinnern können. Und es ist ein Sonntag, der uns vor Augen hält, wie nah uns Gott in dieser Welt ist.
Und ich sagte es ja schon eingangs, dass uns auch an diesem 14. Sonntag nach Trinitatis, dem 14. Sonntag nach dem Sonntag der Dreifaltigkeit, wieder einmal ein Dreischritt erwartet, nämlich: Traum. Erinnerung. Gottesnähe.
Traum
Und so lasst uns nun mit dem Traum beginnen. Und wie das nun einmal so ist, hat jeder Traum seine Vorgeschichte. Was habt Ihr eigentlich in der vergangenen Nacht geträumt?
Naja, vielleicht sollte ich eher die Frage stellen, ob Ihr Euch überhaupt an Eure Träume erinnern könnt…
Ich hatte in dieser Woche ein Seelsorgegespräch, in dem mir mein Gegenüber erzählte, dass es in gerade ziemlich heftige Alpträume gehabt hätte und als ich mein Gegenüber fragte, ob es mir die Träume erzählen könne, bekam ich die Antwort, die ich schon fast erwartet hatte: „Ich habe keinerlei Erinnerung. Ich wachte nur schweißgebadet auf und im Moment des Aufwachens, war alles weg. Es blieb nur die Erinnerung, dass ich einen Alptraum hatte.“
Und bei all dem, was in den letzten Wochen und Monaten im Leben meines Gegenübers geschehen war, hatte es mich nicht gewundert, dass die Seele all das in Alpträumen verarbeitet hat. Die Träume, an die mein Gegenüber nur noch eine emotionale aber keine inhaltliche Erinnerung hatte, haben eine Vorgeschichte gehabt.
So ist es mit den meisten unserer Träume. Und so wage ich kaum die Frage zu stellen, ob Ihr Träume hattet, die Euer Leben verändert haben, weil ihr genau das gemacht habt, was Ihr als Botschaft aus dem Traum mitgenommen habt. Oder, ob es Träume in Eurem Leben gibt, die sich wiederholen oder, die nur in bestimmten Lebenssituationen mit den immer gleichen Motiven kommen?
Ich habe z.B. so ein Traummotiv. Da träume ich davon, dass ich in meiner Wohnung bin und eine Tür in dieser Wohnung sehe, die ich noch nie gesehen habe. Und dann denke ich immer: „Ach, das ist ja interessant. Mach die mal auf.“
Und wenn ich die Tür dann öffne, finde ich dahinter weitere, wunderschön eingerichtete Räume und denke dann: „Warum hast Du denn diese Räume noch nie gesehen. Die sind ja wunderbar. Die haben mir schon die ganze Zeit gefehlt.“
Es ist komisch, haltet mich für bescheuert oder was weiß ich nicht, aber jedes Mal, wenn ich so einen Traum habe, weiß ich, dass sich in meinem Leben eine neue Tür öffnen wird, dass ich neue Potentiale in meinem Leben entdecken werde und in aller Regel sich eine berufliche Veränderung eröffnen wird. So war es auch, bevor ich nach Garmisch-Partenkirchen gekommen bin. Und genau das sind dann die Träume, an die mich auch noch am Morgen erinnern kann, die mich mit einer besonderen Energie in den Tag schicken. Sollte ich wieder von Türen in meiner Wohnung träumen, werde ich es Euch erzählen. 😉
Und manchmal gibt es Nächte und Träume, da kann man sich nicht an den Traum erinnern, aber man wacht mit einer Klarheit auf, bei der man weiß, was man zu tun hat. Das kennt Ihr doch sicherlich auch. So bin ich nebenbei gesagt Pfarrer geworden. Ich wachte irgendwann einmal morgens aus, ich war gerade noch nicht so lange konfirmiert, und wusste, dass ich doch nicht Schauspieler, sondern Pfarrer werden will, dass es das ist, was ich in meinem Leben machen will und wohl auch soll.
Träume können das Leben verändern. Und ich glaube auch, dass Träume Orte sind, in denen uns Gott begegnen kann und wir anders offen für ihn sind, als wenn wir wach wären. Und Träume sind auch Orte, an denen unsere Seele auf eine andere Weise mit Dingen beschäftigt als im Wachzustand.
Und so war es auch bei Jakob, Jakob dem Betrüger, der Bruder, der seinen Zwillingsbruder Esau um den Erstgeburtssegen betrogen hatte und, der nun auf der Flucht war. Jakob hatte also allen Grund für die besten und damit meine ich furchtbarsten Alpträume. Aber er träumte etwas ganz anderes:
12 Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. 13 Und der Herr stand oben darauf und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. 14 Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. 15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.
1. Mose 28,12-15
Da ist diese Leiter, die die Verbindung zwischen Himmel und Erde herstellt, eine Leiter, auf der ein reger Engelbetrieb unterwegs ist. Die einen stiegen die Leiter runter und die anderen rauf. Wir erinnern uns: Engel sind Boten Gottes, die eine Botschaft von Gott für die Menschen haben.
Ich finde, dass diese Leiter ein unheimlich starkes Bild dafür ist, wie intensiv Gott die Kommunikation mit uns Menschen führt, dass Nacht für Nacht seine Engel mit Botschaften an uns unterwegs sind. Diese Boten Gottes sind fleißig im Einsatz, damals wie heute.
Und wenn ich heute an diese Himmelsleiter denke, muss ich unwillkürlich an unsere Kirchtürme mit ihren Stufen und Glocken denken, die uns rufen und an Gottes Präsens in unserem Leben, in unserer Welt erinnern. Sind nicht auch unsere Kirchtürme wie eine sichtbare, symbolische Verbindung zwischen Himmel und Erde?
Aber zurück zum Traum. Gott schickt zu Jakob in dieser Nacht keinen Engel, sondern sucht ihn höchstpersönlich selbst auf. Und damit Jakob auch wirklich weiß, mit wem er es zu tun hat, stellt sich Gott ihm erst einmal vor.
Sodann schenkt er ihm und seinen Nachfahren das Land, auf dem er gerade liegt, und schläft und im Traum Gott begegnet. Aber er verspricht Jakob, der eigentlich ob seiner Tat allen Grund für Alpträume hätte, die ihm sein eigenes und persönliches Ende ankündigen müssten, seine ganze Seelenpein, jede Menge gute Zukunft.
Er wird Land haben.
Er wird Nachkommen so zahlreich wie Staub haben, die sich über die ganze Erde ausbreiten werden und ausgerechnet durch den Betrüger Jakob sollen sie alle gesegnet sein.
Und Gott sagt ihm zu, ihn stets zu begleiten, immer an seiner Seite zu sein, wo immer er auch hingehen wird und er wird ihn auch wieder in dieses Land, das ihm gehören wird, zurückbegleiten.
Was für eine wilde Story? – Wir erinnern uns noch einmal. Jakob ist ein egoistischer Mensch, der seinen Bruder um das Erbe gebracht hat und zugleich mit dem Betrug nichts erreicht hat. Ganz im Gegenteil. Er muss um sein Leben fürchten und fliehen.
Zu seiner Schuld kommen noch drei weitere Dinge hinzu: Misserfolg, weil der ganze Betrug eine einzige Pleite war. Todesangst, die ihn in die Flucht treibt und Einsamkeit, die spürbar wird, wenn er auf dem Boden mit einem Stein als Kopfende schläft. Und dann dieser Traum, der sein Leben noch einmal verändern wird.
Erinnerung
Lasst uns über das Thema Erinnerung reden! Was hätte unsereins nach so einem Traum getan? Wäre das ein Traum, an den wir uns erinnert hätten? Oder hätten wir uns nur daran erinnert, dass wir einen Traum hatten? Und wie wären wir mit so einem Traum umgegangen?
Jakob tritt gewissermaßen die Flucht nach vorne an und reagiert auf die vier Zukunftsverheißungen Gottes, also das Landversprechen, das Nachkommenversprechen, das Segensversprechen und das Begleitungsversprechen mit drei Bedingungen. Die einen würden sagen: „Was für ein unverschämter Kerl!“ Andere würden vielleiccht sagen: „Er will wirklich glauben, dass Gott ihm im Traum begegnet ist und mit ihm gesprochen hat.“
Ich neige zur letzten Variante oder wie schaut’s bei Euch aus? Es ist ja auch nur schwer zu glauben, dass einem Gott so begegnet, oder? Also will man es auch wirklich wissen. Und so nennt Jakob seine drei Bedingungen, die er seinerseits mit drei Versprechen kombiniert: Wenn Gott mit ihm ist, ihn bewahrt und ihn in Frieden zu seiner Familie zurückbringt, dann will er Gott anerkennen, und an diesem Ort des Traumes einen Tempel bauen und auch noch den Zehnt zahlen. Mit anderen Worten: Jakob legte ein Gelübde ab:
20 Und Jakob tat ein Gelübde und sprach: Wird Gott mit mir sein und mich behüten auf dem Wege, den ich reise, und mir Brot zu essen geben und Kleider anzuziehen 21 und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, so soll der Herr mein Gott sein. 22 Und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe zu einem Steinmal, soll ein Gotteshaus werden; und von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben.
1. Mose 28, 10-22
Ihm war bewusst, dass er sich an einem heiligen Ort befand und, dass an diesem Ort die Pforte zum Himmel stand, die man nur im Traum erfahren und sehen konnte. Und so stellte er den Stein, der in der Nacht noch das Kopfende seines Schlafplatzes war, auf und übergoss ihn mit Öl. Er salbte also diesen Ort und nannte ihn „Bethel“ – Haus Gottes. Und so ist jedes Haus Gottes ein Ort, der an die Pforte des Himmels erinnert, so wie auch diese Kirche, in der wir gerade zusammengekommen sind, weil auch wir Teil dieses Versprechens sind, das Gott Jakob gegeben hat. Auch wir gehören zu seinen Nachfahren. Und hier erfahren wir, dass auch wir gesegnet sind.
Gottesnähe
Und damit komme ich zum letzten der drei Schritte, der Gottesnähe. Ich sagte ja schon, dass wir in einer Welt der Gottesferne leben. Doch diese Ferne geht nicht von Gott aus, sondern von uns Menschen.
Und die Folgen dieser Gottesferne erleben wir jeden Tag aufs Neue, wenn wir uns umschauen, wenn wir die Zeitung aufschlagen oder die Nachrichten einschalten oder in den Sozialen Medien unterwegs sind. Die Drohnen, die diese Woche in den polnischen Luftraum eingedrungen sind, die russischen Kampfflieger, die in den estnischen Luftraum eingedrungen sind, all die Kriege, die gerade brennen und toben, deren Folgen auch wir spüren und sehen, sind gefährlicher Ausdruck dieser Gottesferne. Dabei hat Gott doch einst Jakob versprochen, dass wir gesegnet sein sollen, also behütet, beschützt und heil?
Die Geschichte vom Traum des Jakob und der Himmelsleiter, die Jakob sieht, erreicht uns heute noch einmal ganz tief in unserem Innern, denn sie ist Ausdruck der großen Nähe, die Gott zu uns sucht. Jakob, der Egoist. Jakob der Betrüger, wurde durch das, was er nach dieser Nacht erlebte, durch diese Gottesnähe und den Weg, den Gott ihn gehen ließ ein Mensch, der auf seinem Weg, den Weg zu Gott fand, ja sogar am Ende, am Jabbock mit ihm rang.
Jakobs Geschichte hatte ein Happy End, denn am Ende stand die Versöhnung mit seinem Zwillingsbruder Esau. Jakob hatte auf seinem Lebensweg, weil ihm Gott nahe blieb und nicht von seiner Seite wich, und Jakob sich auf diese Nähe eingelassen hatte, Demut gelernt.
Wir dürfen aus dieser Geschichte eines lernen: dass Gottesnähe, ihm nahe zu kommen, am Ende immer Versöhnung und damit Frieden bedeutet. Aus dem Traum Jakobs ist Wirklichkeit geworden. Gott ist uns jeden Tag nahe und wünscht sich, dass wir ihm auch nahe sind. Lasst uns Gott diese Nähe zeigen, indem wir auf die Menschen zugehen, die wir um Verzeihung bitten müssen, so wie am Ende Jakob auf Esau zugegangen ist und so der Frieden in die Familie zurückgekommen ist. Und wenn das alle machen würden, alle Völker, Länder, Politikerinnen und Politiker, Herrscherinnen und Herrscher, einfach überhaupt alle, dann wird es ein Happy End für alle geben. Für das wir Gott auf ewig dankbar wären, weil er die ganze Zeit an das Gute in uns geglaubt hat und uns auf den richtigen Weg gebracht hat.
Amen.
Pfr. Martin Dubberke
Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis in der Friedenskirche zu Burgrain und der Johanneskirche zu Partenkirchen am 21. September 2025, Perikopenreihe I, 1. Mose 28, 10-22
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