Pfr. Martin Dubberke

Segnung von Verantwortungsgemeinschaften

Ein Diskussionsbeitrag für den GKR der Kreuzkirchen-Gemeinde Berlin Wilmersdorf am 18. März 2002

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwester und Brüder,

ich möchte mich herzlich für ihre Einladung bedanken. Die Frage nach der Segnung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften begleitet mich in der einen oder anderen Form schon seit einiger Zeit. Wir haben sie bei uns im Männerrat verschiedentlich heiß diskutiert, ohne bislang zu einer abschließenden Position gelangt zu sein. Da ist der Männerrat in der Tat ein Spiegel der gesamtkirchlichen Situation. Auf der anderen Seite bin ich kürzlich vom Schöneberger Superintendenten Wolfgang Barthen zum Einberufer für eine Arbeitsgemeinschaft im Pfarrkonvent zur Erarbeitung einer entsprechenden Handreichung gebeten worden.

Da ich Ihnen ein Exemplar meines Lösungsvorschlags als Kopiervorlage hier lassen werde, möchte ich sie eingangs dringlich darauf hinweisen, daß es sich hierbei um meinen – also noch privaten – Lösungsvorschlag handelt, der weder vom Schöneberger Pfarrkonvent, noch vom Männerrat der EKiBB abgesegnet worden ist. D.h., es handelt sich hierbei nicht um ein offizielles Papier, sondern um einen persönlichen Diskussionsbeitrag.

Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, daß ich hier nicht die ganze theologische Diskussion wiederholen werde und das damit verbundene Für- und Wider der unterschiedlichen Argumente, die Sie ja weitestgehend kennen werden, zumal Sie vor zehn Tagen dieses Thema auch als Schwerpunkt in Ihrer Kreissynode hatte. Und wie ich vom Generalsuperintendenten, Bruder Passauer, gehört habe, soll es hierbei ja sehr intensiv zugegangen sein.

Ich möchte Ihnen heute Abend einen Lösungsvorschlag vorstellen, der auf der Diskussionslage in unserer Landeskirche und der EKD basiert. D.h., ich bin lösungsorientiert und Sie werden feststellen, daß sich damit auch ein Perspektivwechsel in der Diskussion verbindet, was Sie schon aus der Überschrift meines Beitrags ersehen können.

Situationsbeschreibung

Am 1. August 2001 ist das „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften“ in Kraft getreten.

Am 17. November 2001 hat die Landessynode der EKiBB mehrheitlich beschlossen, daß „eine angemessene, gleichwohl nicht mit einer Trauung zu verwechselnde Form zu finden“ sei. Die Beschäftigung mit dem Thema wird an den Ausschuss für Theologie/Liturgie sowie den Ständigen Gemeindeausschuss verwiesen. Diese sollen auf der Frühjahrstagung der Landessynode einen ersten Bericht geben.

Gleichzeitig wurde beschlossen, die von Propst Lütcke zu dieser Fragestellung verfasste Stellungnahme nicht in der gegenwärtigen Form an die Gemeinden zu verschicken.

Wir befinden uns also in einer Situation, in der es von unserer Kirche noch keine abschließende Handreichung zu dieser Thematik gibt, sich aber zunehmend Paare mit der Bitte um Segnung an uns wenden werden. Wir werden im günstigsten Falle noch ein Jahr auf eine verbindliche Regelung warten müssen. In dieser Zeit werden Pfarrerinnen und Pfarrer im Rahmen des jetzt schon möglichen eigene Lösungen finden und umsetzen. Es ist also einer gewissen Beliebigkeit und damit liturgischen „Unordnung“ Raum gegeben, mit dem Gemeindekirchenräte und Superintendentinnen und Superintendenten nahezu alleingelassen umgehen müssen.

Es gibt allerdings Handlungshinweise, die wir in der Lebensordnung, in der Denkschrift „In Spannungen leben“ und verschiedenen kirchlichen Stellungnahmen und Papieren finden, sowie den Diskussionstand in verschiedenen Landeskirchen und der EKD. Wie also sieht der Handlungsrahmen aus?

 Handlungsrahmen

Die Lebensordnung verweist im Abschnitt „Ehe und kirchliche Trauung“ nimmt unter Ziffer 144 wahr, daß hinsichtlich der Segnung homosexueller Menschen die Meinungsbildung nicht abgeschlossen ist.  In der biblisch-theologischen Orientierung hält sie unter Ziffer 162 fest: „Sexuelle Prägungen, wie zum Beispiel die Homosexualität, können eigene Formen verantwortlicher Lebensgestaltung fordern.“ Unter Ziffer 164 wird der Ansatz eines Handlungsrahmens angedeutet: „Die Seelsorge an Menschen in einem eheähnlichen oder homosexuellen Lebensverhältnis kann in einem persönlichen Segenszuspruch ihren Ausdruck finden. Damit ist keine Institutionalisierung von Lebensgemeinschaften neben der Ehe oder als Alternative zu ihr verbunden. Der Leitbildcharakter von Ehe und Familie darf nicht undeutlich gemacht werden.“ 

Die zentrale Aussage findet sich für mich allerdings in Ziffer 163: „Menschen, die nicht in traditionellen Partnerschaftsformen leben, dürfen keine Abwertung oder Diskriminierung erfahren. Die evangelische Kirche ist bestrebt, allen Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen nicht mit Verurteilungen, sondern mit Verständnis und Annahme zu begegnen.“

Lassen Sie mich also einen ersten Handlungsrahmen festhalten:

  • Homosexuelle Lebensgemeinschaften dürfen nicht diskriminiert werden.
  • Begegnung in Verständnis und Annahme.
  • Der persönliche Segen ist möglich.
  • Keine Institutionalisierung von anderer Lebensformen neben der Ehe, d.h. keine neue Kasualie.
  • Der Leitbildcharakter von Ehe und Familie darf nicht undeutlich werden.

Werfen wir weiter einen synoptischen Blick auf die Beschlusslage innerhalb der EKD. Hierzu berufe ich mich auf die Anlage 5 zum Bericht der Kirchenleitung 2001 „Aktuelle Fragen des Umgangs mit gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften“:

 

Seelsorge Segen
Bayern,Landessynode1993 Seelsorgerliche Begleitung von homophilen Menschen will, wo eine Veränderung dieser Prägung und Neigung unmöglich erscheint, zu einem verantwortlichen Umgang mit der Homosexualität ermutigen. Das kann auch die Bejahung und Begleitung einer verantwortlich gelebten Partnerschaft einschließen.
Arnoldshainer Konferenz 1995 Votum Gottes Segen und die Segenshandlungen der Kirche Verständnis und Offenheit „sind Teil einer seelsorgerlichen Begleitung, die die Kirche homosexuellen Menschen geben kann. Dabei muss freilich beachtet werden, dass homosexuell lebende Menschen oft nicht so sehr die helfende seelsorgerliche Begleitung suchen, sondern vielmehr die Anerkennung ihrer Lebensform auch im kirchlichen Dienst erwarten. Seelsorgerliche Zuwendung hat auch in dieser besonderen Situation Zuspruch und Anspruch Gottes nahe zu bringen und die Annahme des Menschen durch den barmherzigen Gott zu bezeugen Das schließt die Fürbitte um Gottes Schutz und Geleitmit ein. Auch die Einladung zumGottesdienstund zum Abendmahl, wo Menschen ihre Zugehörigkeit zur Gemeinde erfahren undden Segen Gottes für ihr christliches Leben zugesagt bekommen, sollte ausgesprochen werden. werden.“

 

Rat der EKD1996Orientierungshilfe 

Mit Spannungen leben

Ihren Ort hat eine solche Segnung in der Seelsorge und der damit gegebenen Intimität „Wenn homosexuell geprägte Menschen im Rahmen der geistlichen Begleitung durch andere Christen für sich eine Segnung erbitten, sollten sie ebenso wenig abgewiesen werden wie andere Menschen, die eine solche Bitte äußern. Ihren Ort hat eine solche Segnung in der Seelsorge und der damit gegebenen Intimität
Nordelbische Synode1997 Die Segnung dieser Menschen gehört in der Regel in den geschützten Raum, der mit der Seelsorge verbunden ist. Es werden nicht Lebensgemeinschaften als bestimmte Formen des Zusammenlebens gesegnet, sondern Menschen, die allein oder in Lebensgemeinschaften ethisch verantwortlich leben.
Landessynode der Ev. Kirche im Rheinland2000 Gleichgeschlechtliche Paare in verbindlichen Lebensgemeinschaften werden wie alle Gemeindeglieder seelsorgerlich begleitet
Leitendes Geistliches Amt aus Hessen-Nassau2001

 

 

 

Gottesdienst Einschränkungen/Voraussetzungen
Bayern,Landessynode1993 Eine gottesdienstliche Segenshandlung (Gottesdienst, Trauung) wird nicht für möglich gehalten. Die Unterscheidung zur Ehe muss deutlich bleiben.
Arnoldshainer Konferenz 1995 Votum Gottes Segen und die Segenshandlungen der Kirche Eine eigene gottesdienstliche Segenshandlung für eine homosexuelle Partnerschaft (analog der Trauung) kann dagegen nicht befürwortet
Rat der EKD1996Orientierungshilfe 

Mit Spannungen leben

Diese Segnung im Rahmen eines Gottesdienstes vorzunehmen, kann wegen der Gefahr von Missverständnissen nicht befürwortet werden. In jedem Fall muss für alle Beteiligte erkennbar sein: Gesegnet wird nicht die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als Form des Zusammenlebens, sondern gesegnet werden Menschen, und zwar in diesem Falle homosexuell geprägte Menschen, die allein oder in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ethisch verantwortlich leben.“
Nordelbische Synode1997 Im Gottesdienst bleibt sie Ausnahme und ist so zu gestalten, dass sie mit der Trauung nicht zu verwechseln ist.Wichtig für solche Segenshandlungen ist Einmütigkeit.Sie muss jeweils durch Aussprache im Kirchenvorstand und durch Beratung mit der zuständigen Pröpstin/dem zuständigen Propst hergestellt werden.

Segenshandlungen dürfen – wie andere kirchliche Handlungen auch – nicht als eine öffentliche Demonstration für andere Zwecke missbraucht werden.“

Landessynode der Ev. Kirche im Rheinland2000 Es kann für diese Paare auch eine gottesdienstliche Begleitung geben. Dabei handelt es sich nicht um eine Amtshandlung.Für eine gottesdienstliche Begleitung ist Voraussetzung, dass vorher eine gründliche Beratung, eine beschlussmäßige grundsätzliche Eröffnung dieses Weges und eine Entscheidung über die Form der Gottesdienstbegleitung im Presbyterium erfolgt sind;dass die grundsätzliche Bereitschaft einer Pfarrerin oder eines Pfarrers vorliegt, die seelsorgliche Verantwortung dafür zu übernehmen;

dass mindestens eine bzw. einer der beiden Partner/innen Mitglied der Evangelischen Kirche und dass keine bzw. keiner der beiden verheiratet ist.

 

Die gottesdienstliche Begleitung ist in der liturgischen Gestaltung von der Trauung deutlich zu unterscheiden. Sie kann in folgender Form geschehen:

 

in Hausandachten oder Andachten in Gemeindegruppen

in den Gottesdiensten der Gemeinde gem. Artikel 16 und 17 der Kirchenordnung

 

Liturgische Modelle sind durch die Kirchenleitung herauszugeben und in die Beratungen der Presbyterien einzubeziehen.“

 

Leitendes Geistliches Amt aus Hessen-Nassau2001 eine Verwechselung mit der Kirchlichen Trauung soll vermieden werden

 

 

 

Leitbild
Bayern,Landessynode1993 In der Schöpfung ist die heterosexuelle Beziehung als Grundform angelegt. Sie findet ihre Gestalt in der Ehe.
Arnoldshainer Konferenz 1995 Votum Gottes Segen und die Segenshandlungen der Kirche Ehe und Familie
Rat der EKD1996Orientierungshilfe 

Mit Spannungen leben

Ehe und Familie
Nordelbische Synode1997 Ehe und Familie
Landessynode der Ev. Kirche im Rheinland2000 Ehe und Familie
Leitendes Geistliches Amt aus Hessen-Nassau2001 Ehe und Familie

Lassen Sie mich folgende Aspekte für den Handlungsrahmen festhalten:

  • Segen und Fürbitte und seelsorgerlicher Rahmen sind möglich
  • Es werden nicht Lebensgemeinschaften gesegnet, sondern konkrete Menschen.
  • Der Unterschied zu einer Trauung muss deutlich bleiben.
  • Keine Amtshandlung, sprich Kasualie
  • Ort kann der Gemeindegottesdienst sein oder auch eine Andacht
  • Der Gemeindekirchenrat ist einzubeziehen und muss eine grundsätzliche Bereitschaft für solche Segenshandlungen beschließen.

Wie sieht es nun in unserer Landeskirche mit der Segnung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften aus?

Der Propst verweist auf eine Erklärung unserer Kirche sowie auch auf die Stellungnahme der Kirchenleitung „Wort zur Gewalt gegen Homosexuelle“ aus dem Jahre 1991:

  • Homosexualität ist – wie wir heute wissen – weder sündhaft noch krankhaft, sondern ein anderer Ausdruck menschlicher Sexualität.
  • „Was aber nun die Gestaltungen auch der sexuellen Beziehungen betrifft, so ist in der Bibel doch die Beziehung von Mann und Frau in der Ehe deutlich hervorgehoben. Dem entspricht es, dass die Kirche die Ehe als Gabe Gottes stützt. Damit ist nicht gesagt, dass andere Beziehungen wertlos wären. Indem in ihnen Vertrauen und gegenseitige Hilfe, Treue und Liebe gelebt werden, partizipieren sie geradezu an dem Grundmodell der Ehe, und davon müssen u. a. homosexuelle Lebensgemeinschaften nicht ausgeschlossen werden.“

Das Konsistorium hat am 19.01.1996 eine Stellungnahme zur Segnung homosexueller Partnerschaften beschlossen. Diese Stellungnahme orientiert sich in der Tendenz am Votum der Arnoldshainer Konferenz und hält spezielle Segnungsgottesdienste für problematisch.

Die Kirchenleitung hat sich mit diesen Fragen beschäftigt und ist zu folgenden Ergebnissen gekommen – ich zitiere:

Die Kirchenleitung hält die Ausarbeitung des Konsistoriums von 1996 auch angesichts der neuen Entwicklungen in der staatlichen Gesetzgebung für weiterhin aktuell.

Sie hält insbesondere daran fest, dass eine trauungsähnliche Handlung (mit

  • Konsensfragen,
  • Paarsegnung und
  • entsprechender Sitzordnung)

nicht zugelassen werden kann.

Deswegen kann es auch nicht darum gehen, besondere liturgische Formulare zu entwickeln.

  • Vielmehr wird es nötig sein, auf der Basis der unter Ziffer 3 dargelegten Grundsätze in konkreten Einzelfällen seelsorgerlich verantwortliche Wege zu gehen. Dabei sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
  • Bei den grundsätzlichen Überlegungen, wie Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Fürbitte und Segen einbezogen werden sollen, ist um eines möglichst breiten Konsenses willen der Gemeindekirchenrat einzubeziehen und die Abstimmung mit der Superintendentin oder dem Superintendenten zu suchen.
  • Ihren primären Ort hat die Einbeziehung von Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Fürbitte und Segen zum einen „in der Seelsorge und der damit gegebenen Intimität“ (Mit Spannungen leben, S. 54), zum andern im Fürbittengebet des allgemeinen Gottesdienstes und dem dort allen zugesprochenen Segen.
  • Eine Andacht mit Lied, Schriftauslegung und Fürbitte und dem abschließenden allgemeinen Segen kann in besonderen Fällen eine Form seelsorgerlicher Zuwendung zu Menschen sein, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, so wie dies gelegentlich auch bei Geburtstagen, Verabschiedungen usw. geschieht.

Der Bischof hält fest Ephorenkonvent am 16. Januar 2002:

  1. Keine neue Kasualie.
  2. Es müssen dann auch andere auf Dauer ausgerichtete Lebensformen in den Blick genommen werden.

Vor diesem Hintergrund will Huber darüber nachdenken. Er selbst schätze die Sexualität hoch ein, aber sie dürfe nicht das entscheidende und definierende Kriterium sein. Er will keine Verselbständigung des Themas.

Vor der Landessynode im November 2001 hat er sehr deutlich den Handlungsrahmen skizziert:

„So sehr wir als Kirche auf Dauer angelegte Verantwortungsgemeinschaften würdigen und stützen, so sehr wissen wir uns zugleich dazu verpflichtet, an der biblischen Hervorhebung der Beziehung von Mann und Frau in der Ehe festzuhalten. Diese doppelte Ausrichtung muss auch unser kirchliches Handeln in diesem Feld bestimmen. Deswegen bedarf die Zusage des Segens Gottes an Menschen, die sich in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aneinander binden, einer Form, die mit der kirchlichen Trauung oder einem Gottesdienst aus Anlass der Eheschließung nicht verwechselt werden kann. Das ist in der Form der persönlichen Seelsorge, im Rahmen des Gemeindegottesdienstes und unter besonderen Bedingungen – die Zustimmung des Gemeindekirchenrats vorausgesetzt – auch in Gestalt einer Andacht möglich“.